Am 9. und 10. September trafen sich die Mitglieder des Verbandes Deutscher Großbäckereien in Heidelberg zur Jahrestagung 2022. Den insgesamt rund 100 Teilnehmern war der persönliche Austausch und das Networking wichtig. Gesprächsstoff gab es genug, vorneweg das Mega-Thema Energie.
Die Verbandspräsidentin Prof. Dr. Ulrike Detmers begrüßte die Mitglieder im Hotel Europäischer Hof in Heidelberg, das der Tagung mit seinem Ambiente einen feinen Rahmen gab. Die Jahresmitgliederversammlung begann mit einer Schweigeminute für Prof. Dr. Anton Hammel, ehemaliger Direktor der Simonsbrot-
fabrik und Ehrenpräsident des Verbandes, der im Frühjahr 2022 im Alter von 84 Jahren verstorben ist.
Mit „die aktuellen Herausforderungen stellen uns vor große Aufgaben“ stimmte Prof. Detmers die Versammlung auf die Themen der Tagung ein. Sie nannte den Klimawandel, Personalmangel, Engpässe bei Rohstoffen und das Thema überhaupt – Energiesparen. Gleichzeitig appellierte sie an den Unternehmergeist: „Es gibt Wege aus der Knappheitsgesellschaft.“ Sie zitierte Carl Christian von Weizsäcker: „Wenn es schwarz und schwärzer wird, dann muss man einen Apfelbaum pflanzen.“ Prof. Detmers: „Wir müssen jetzt zupacken.“ Eine positive Seite könne man dem gegenwärtigen Marktgeschehen allerdings auch abgewinnen, Food Waste sei kein Thema mehr.
Der Branchenumsatz 2020 war nach ihren Ausführungen mit insgesamt 19,7 Mrd. EUR (2019: 20,7 Mrd. EUR) rückläufig. Zahlen für 2021 liegen noch nicht vor. Der Rückgang der Betriebsanzahl der Bäckereien habe sich in Pandemiezeiten von jährlich 3 % auf über 5 % erhöht. Prof. Detmers: „Es ist ein Rückgang, der in allen Betriebsgrößenklassen stattgefunden hat. 2021 gab es mit 9.965 Betrieben erstmals weniger als 10.000 Bäckereien in Deutschland.“
Hauptgeschäftsführer Armin Juncker wies in seiner Rede auf verschiedene aktuelle Themen hin, u. a. auf die nationale Strategie zur Salzreduktion auf 1,1 %, an der man unverändert festhalte. Nachdem der Filialtag Coronabedingt in den letzten zwei Jahren ausgefallen war, sei man zuversichtlich, ihn im kommenden Frühjahr wieder planen zu können. Juncker hob darüber hinaus die Bedeutung des Wissenschaftlichen Förderpreises für den Verband hervor. „Er ist ein wichtiges Aushängeschild.“ Im weiteren Verlauf ging er auf die Tätigkeit der Arbeitsgruppe AIBI* ein und forderte die Mitglieder auf, sich aktiv einzubringen. „Die Zusammenarbeit in der AIBI hilft, zu verstehen, was in anderen Ländern passiert.“
Aus dem Auditorium meldete sich dazu der neugewählte AIBI-Präsident Georg Heberer zu Wort: „Die Branche hat in anderen Ländern ähnliche Probleme wie wir. Es ist gut, dass wir Teil der AIBI sind. Für die Zukunft müssen wir versuchen, europäisch zu denken, ohne unsere eigene Identität aufzugeben.“ Traditionell findet der AIBI-Kongress im Heimatland des Präsidenten statt. Austragungsort für den kommenden AIBI-Kongress 2024 wird also Deutschland sein. Erste Vorbereitungen laufen.
AIBI-Präsident Georg Heberer
Dr. Jan Willem van der Kamp ist neuer Brotsenator
Während der Abendveranstaltung wurde Dr. Jan Willem van der Kamp aus den Niederlanden als neuer Senator in den Brotsenat des Verbandes berufen. In seiner Laudatio würdigte Professor Dr. Friedrich Meuser, „einer der großen Männer der Brotforschung“, wie Prof. Detmers betonte, Ehrenvorsitzender der Berlin-Brandenburgischen Gesellschaft für Getreideforschung und selbst Mitglied im Brotsenat, die besonderen Verdienste van der Kamps. Dazu gehöre vor allem seine aktive und leitende Beteiligung am HEALTHGRAIN-Projekt der EU. Ziel dieses Projektes war es, die Bedeutung der Inhaltsstoffe des Getreides für eine gesunde Ernährung zu erarbeiten. Daran, so Prof. Meuser, „war van der Kamp in Wort, Schrift und Tat entscheidend beteiligt“. Aus dem Projekt hervorgegangen ist die Whole Grain Initiative, die ebenfalls unter seiner Leitung stand, mit dem Ziel, das erarbeitete Wissen zu verbreiten. Ausgehend von dieser Initiative entwickelte van der Kamp eine Definition des Begriffs „Vollkorn“.
Dr. Jan Willem van der Kamp begann 1985 als Direktor der Getreideforschung bei TNO, der niederländischen Organisation für angewandte Wissenschaften. Nach 1990 engagierte er sich zunehmend für die Förderung internationaler Kooperationen in der Getreideforschung mit Forschungsorganisationen und der Industrie. Van der Kamp war u. a. Präsident der Internationalen Gesellschaft für Getreidechemie ICC.
Die Präsidentin des Verbandes Deutscher Großbäckereien, Prof. Dr. Ulrike Detmers (Mitte), mit dem neuen Brotsenator Dr. Jan Willem van der Kamp und Lottie van der Kamp
Fünf Brotsenator:innen in einem Bild: (v. l.) Dr. Elisabeth Sciurba, Prof. Dr. Friedrich Meuser, Dr. Jan Willem van der Kamp, Prof. Dr. Meinolf Lindhauer und Prof. Michael Kleinert
Alexander Meyer-Kretschmer, Geschäftsführer des Verbandes, präsentierte Ergebnisse aus dem Ölsaaten-Monitoring, einem nach seinen Worten Wissens- und Sicherheitsinstrument für die Branche. „Belastbare Daten zu haben, das ist die Eintrittskarte dafür, von den Behörden ernst genommen zu werden. Wir werden damit vom Gejagten zum Mitgestalter.“ Die Monitorings hätten u. a. gezeigt, dass die Tendenz wachse, je nach Erntejahr Rückstände von Glyphosat in Saaten vorzufinden. „Man sollte auf dieses Thema vorbereitet sein.“
Zum Tagungspunkt Wahlen stand in diesem Jahr die Wahl des Rechnungsprüfers an. Die Mitglieder stimmten einstimmig für Norbert Lötz (Harry Brot), der sich zur Wiederwahl gestellt hatte. Zudem war eine Satzungsänderung notwendig geworden, um Gremiensitzungen auch in Zukunft virtuell durchführen zu können.
Am Nachmittag schlossen sich die Vorträge an. Ralph Seibold, Geschäftsführer der SchapfenMühle, hielt das Grußwort. Gerade wenn die Herausforderungen groß seien, sei Verbandsarbeit und der Schulterschluss umso wichtiger. Seibold: „Müllereien und Bäckereien müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.“
Über „Mitarbeiterführung in digitalen Zeiten“ referierte Prof. Dr. Ulrike
Detmers. Sie erläuterte, was gute Führung ausmacht, wenn Remote Work Teil der Arbeitswelt ist, und hob hervor: „Eine Verringerung von Präsenz führt auch zu einer Verringerung der Identifikation mit dem Arbeitgeber.“ Vor allem bei den Mitarbeitern aus der Generation Y und Z sei dies zu beobachten. Hilfreich sei es, Gemeinsamkeiten zu schaffen. „Feste oder Mitarbeiterzeitungen können eine Lösung sein“, so Prof. Detmers.
„Der Discounter ist zurück im Spiel“, erklärte Tanja Fries, Mitglied der Chefredaktion der Lebensmittel Zeitung, die über die Situation im Lebensmittelhandel sprach. In den Corona-Jahren hätten noch die Vollsortimenter profitiert, im Februar 2022 habe sich das Blatt gewendet. „Die Konsequenz: Die Vollsortimenter stellen den Preis in den Vordergrund.“ 2021 sei das Jahr der Marke gewesen – Stichwort Luxus im Kleinen –, jetzt würden Herstellermarken Marktanteile verlieren. Tanja Fries zitierte den GfK-Konsumforscher Dr. Robert Kecskes: „Es findet ein deutliches Trading down statt.“ Eine Nische in dem 168 Mrd. EUR großen Markt (Gesamtumsatz LEH 2021) sei immer noch E-Food (3 % Marktanteil), also der Online-Handel mit Lebensmitteln. Fries: „Wer im E-Food Erfolg haben will, braucht einen langen Atem.“
Dass Preise für Rohstoffe, Energie, Fracht oder Düngemittel in nächster Zukunft wohl auf hohem Niveau bleiben werden, verdeutlichte Martin Unterschütz, Leiter der Abteilung Getreide bei der BayWa AG, im abschließenden Vortrag. Seine Prognose: „Die Gaspreise und die Volatilität bei Gas wird nicht so schnell gelöst werden können.“ Aktuell, so Unterschütz, gingen die Preise für Düngemittel durch die Decke. Die Verfügbarkeit sei begrenzt, da Russland und Belarus als größte Düngemittel-Exporteure nur eingeschränkt liefern. In Deutschland hätten Hersteller ihre Produktionen teils eingestellt. An dieser Stelle fasste Sebastian Gooding (Brezelbäckerei Ditsch) aus dem Auditorium nach. „Das hat schon heute Auswirkungen auf die Ernte 2023. Die Frage ist doch, was wäre der Preis? Warum reden wir nicht miteinander?“ Er regte an, über die Verbände an die Hersteller heranzutreten.