Scroll Top

b+b-2022-05-Anders als andere

bub-22-05-treiber

Von Helga Baumfalk

Treiber ist bekannt dafür, Weiterentwicklungen selbst anzuschieben. Das war auch der Fall, als sich die Bäckerei für eine neue Dressiermaschine entschied und damit einen Klassiker der Konditorei ins Sortiment zurückholte – die Flammenden Herzen.

Die Sache mit den Flammenden Herzen ist die: Sie erfordern viele Handgriffe und binden teure Rohstoffe. Das wirft für Betriebe die Frage auf: „Lohnt sich das?“ Händisch produziert nein, maschinell ja – hat die Bäckerei Treiber festgestellt, die mit der Neuinvestition in eine Dressiermaschine aber zunächst eine andere Aufgabe lösen wollte.

„Bis zu dem Zeitpunkt haben wir unsere Rouladen noch händisch über die klassische Papierrolle aufgezogen. Im Prinzip haben wir wie eine Bäckerei mit zwei Filialen gearbeitet“, erklärt der Betriebsleiter Florian Schlink. „Eine automatisierte Lösung sollte den Konditoren die Arbeit erleichtern und uns den Artikel in hohen Stückzahlen herstellen. Damit ist die Investition schon mal gerechtfertigt. Wir wollen aber mehr und fragen uns dann: Was kann die Maschine noch?“

„Wir sind technikaffin und hinterfragen Abläufe: Sind sie zeitgemäß? Kann man sie anders gestalten? Das bringt uns auf neue Ideen.“

Florian Schlink

Heute nutzt Treiber die Maschine, die von Krumbein hergestellt wurde, für vielfältige Aufgaben: um Pudding (für die Streuselschnitten), Mohnfüllungen, die Flammenden Herzen (dazu später mehr) oder andere Sandmassen zu dressieren, um die Amerikaner herzustellen und die Muffins. „Wenn wir unsere Rouladen produzieren“, so Schlink, „stellen wir drei Produkte parallel nebeneinander her. Wir arbeiten mit der Maschine im Längsverfahren, nicht im Querverfahren, wie die meisten Betriebe. In Verbindung mit einer Maschine eines anderen Herstellers nutzen wir sie sogar, um Sahne in Bleche einzudressieren.“ Dass das funktioniert, habe selbst Krumbein verblüfft. Schlink: „Wir sind technikaffin und hinterfragen Abläufe: Sind sie zeitgemäß? Kann man sie anders gestalten? Das bringt uns auf neue Ideen.“

Sonderbau

Die Dressiermaschine ist kein Standard. Da Treiber kleinere, 55,7 x 14,5 cm große Bleche nutzt – weil sie genau in die Transportkörbe passen und die Körbe wiederum genau in die Lkw –, fertigte Krumbein individuelle Magazinschienen an. Schlink: „Allein für die Roulade gibt es drei Schienen. Eine für die Unterroulade, eine für die Zwischenroulade, eine für die Sahneroulade. Drei Schienen, ein Produkt – daran sieht man, wie detailverliebt wir sind.“

Flexibilität ist ein Muss

Die Dressiermaschine ist fünf Tage die Woche jeweils für fast acht Stunden im Einsatz und kann von einer Person – dann arbeitet sie im Rücklauf – oder mehreren Mitarbeitern – dann im Durchlauf – gehandelt werden. Dass man das schnell umstellen kann, ist dem Betriebsleiter wichtig: „So muss man nicht zwingend zu zweit arbeiten. Ist ein Mitarbeiter noch in der Pause, kann der andere schon loslegen. Wenn wir Sahneschnitten herstellen, stehen auch schon mal vier Leute an der Maschine. Einer bedient sie, die anderen übernehmen händische Arbeiten wie das Einlegen der Zwischenroulade oder das Bestreuen mit Früchten.“ Zwei bis sechs unterschiedliche Produkte entstehen in der Regel täglich. Geht es um die Herstellung der Rouladen oder wird Sahne verwendet, bündelt man Produktionen und produziert an einem Tag nur einen Artikel, dafür in verschiedenen Sorten.

f2m-bub-2022-05-Vor-Ort-Termin-Collage
„Es geht uns um Qualität“

Die Bäckerei Treiber ist ein Familienunternehmen mit flachen Hierarchien, das von Katharina Treiber-Fischer in 4. Generation geführt wird. „Wir unterscheiden uns“, sagt der Betriebsleiter Florian Schlink, „weil wir Dinge anders tun als andere. Und weil wir nie die Qualität und die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter außer Acht lassen. Alles muss stimmen, damit am Ende alles stimmig ist.“

Zum Unternehmen gehören insgesamt rund 600 Mitarbeiter, alle sind Angestellte des Betriebes. Rund 140 Leute arbeiten am Hauptsitz Steinenbronn, rund 20 km südlich von Stuttgart, in der Produktion, der Logistik, der Haustechnik oder der Verwaltung.

Nicht ohne Grund heißt Treiber offiziell „Bäckerei und Konditorei Treiber“. Die Konditorei hat eine merkliche Umsatzbedeutung. Florian Schlink: „Man kann sich über die Konditorei vom Wettbewerb unterscheiden. Sie ist schwieriger zu kopieren, weil mehr Faktoren eine Rolle spielen als beim Brot. Wenn ein Kunde wegen eines Artikels in ein Geschäft kommt, den Rest aber ablehnt, was soll ihn motivieren, häufiger wiederzukommen? Man muss ihm Anreize setzen, ihm das ganze Portfolio bieten. Die richtige Mischung macht eine gute Bäckerei aus.“

Bis auf ein paar A-Produkte wechselt die Bäckerei alle drei bis vier Wochen das komplette Sortiment. Schlink: „Immer das Gleiche zu machen, ist sowohl für den Mitarbeiter als auch den Kunden langweilig.“ Im Fall der Dauergebäcke heißt das: Zwei bis drei Wochen gibt es das Flammende Herz, dann wird mit dem Pfauenauge oder der Nussecke getauscht. Berliner werden erst von Herbst bis ca. Mai (je nach Wetterlage) gebacken und dann nicht mehr. Außerdem gibt es bestimmte Artikel nur am Wochenende. Dann wird auch das Kuchensortiment heraufgeschraubt. Zu den A-Produkten, dazu gehören bei Treiber
– logisch, es ist eine schwäbische Bäckerei – die Brezeln, vor den normalen Brötchen, die im Unternehmen Filderwecken heißen. Auch spezielle Brote wie das Annobrot oder der Rocker rangieren im Ranking weit oben. Rund 110 bis 150 Artikel liefert die Bäckerei am Tag frisch aus.

41 Filialen führt Treiber, in einem, wie Schlink berichtet, gesunden Mix aus jeweils einem Drittel Vorkassenzonen-Filialen, Standorten in Wohngebieten und Bäckerei-Cafés. Die eigenen Geschäfte und Cafés steuern rund 99,5 % des Umsatzes bei. „Wir machen so gut wie kein Liefergeschäft. Jedes Liefergeschäft bedeutet, irgendwo einen Kompromiss eingehen zu müssen. Und genau das wollen wir nicht.“

Im vergangenen Jahr hat Treiber einen Teil der Filialen und die Mitarbeiter der Kronenbäckerei Binder aus Holzgerlingen übernommen. Die Inhaber beider Betriebe sind langjährig befreundet. Der Geschäftsführer Eberhard Binder hatte den Betrieb einstellen müssen, weil sich kein Nachfolger fand. Trotzdem: „Wir sind nicht auf Wachstum aus. Wir wollen keine 60 oder 70 Filialen. Alles zwischen 40 und 45 Standorten sehen wir für uns als gesundes Maß. Die Zahl der Filialen sagt nichts über den Umsatz, die Qualität der Backwaren oder die Zufriedenheit der Mitarbeiter aus. Ob Wachstum gut ist oder nicht, weil er andere Probleme stellt, muss jeder Betrieb für sich selbst entscheiden.“

f2m-bub-2022-05-Vor-Ort-Termin-Filialien
Ohne Convenience

Alle Produkte, die auf der Maschine entstehen, seien anspruchsvolle Produkte. „Weil wir old school arbeiten“, so Florian Schlink. „Ohne Convenience. Wir setzen nur klassische Rohstoffe ein.“ Darum sei es umso wichtiger, dass immer alles gleich bleibe – die Massenbeschaffenheit und die Temperatur. „Dann arbeitet auch die Maschine immer gleich.“ Trotz Automatisierung, die Rezepturen hat man nicht angetastet. Schlink: „Wir würden nie eine Maschine kaufen, um dann Rezepturen ändern zu müssen. Sie muss zu uns passen.“ Für die unterschiedlichen Produkte, die auf der Anlage entstehen, arbeitet Treiber mit verschiedenen Dosierwalzen. So können sowohl stückige Bestandteile gehandelt werden, ohne dass sie zerstört werden, und auch Sahne, ohne dass sie an Volumen verliert.

„Ich möchte kein Equipment, das mir mein Handwerk kaputt macht, ich möchte ein Equipment, das mich im Handwerk unterstützt.“
Die Konditoren backen selbst

Die Konditorei hat ihren Platz in einem klimatisierten Raum in der Produktion und ihre eigenen Stikkenöfen vor der Tür in der Backstube stehen. Schlink: „Bei unserem Neubau vor 10 Jahren habe ich Wert darauf gelegt, dass die Konditoren selber backen. Sie haben für ihre Produkte ein ganz anderes Feeling als die Bäcker. Beim Backen einer Roulade kann eine halbe Minute, was den Trocknungsgrad anbelangt, Welten ausmachen. Ich wollte keine Diskrepanzen zwischen den Abteilungen. Wenn Fehler passieren, dürfen Verantwortlichkeiten nicht hin- und hergeschoben werden. Die Konditoren sollten die Qualität ihrer Produkte selber bestimmen können.“ Weil in der Konditorei überwiegend tagsüber und damit gegen den Trend gebacken wird, kann die Bäckerei nachts, insbesondere an den Wochenenden, wenn viel zu tun ist, die drei „Konditorei-Öfen“ mitbenutzen.

f2m-bub-2022-05-Vor-Ort-Termin-Öfen

Die drei Stikkenöfen Typ MIWE roll-in für die Konditorei

Starke Besetzung

In der Bäckerei arbeiten 31 Mitarbeiter, in der Konditorei genauso viele. „Wir haben eine relativ starke Konditorei“, sagt Florian Schlink. „Wobei wir aus der Historie heraus unsere Feinbäckerei dazurechnen, auch wenn die Abteilungen räumlich voneinander getrennt sind.“ Die Mitarbeiter in der Konditorei arbeiten im klassischen Zweischicht-System. Die Nachtschicht beginnt zwischen 0 und 1 Uhr und finalisiert die Produkte, die die Tagschicht (sie beginnt um 7 Uhr) vorbereitet. Schokocroissants werden bei Treiber blind gebacken und anschließend mit einer selbstgekochten Ganache gefüllt.

Mitarbeiter entscheiden über Maschinen

Anders als in anderen Unternehmen kaufen bei Treiber nicht die Chefs die Maschinen, sondern das Führungsteam zusammen mit Mitarbeitern. Das macht es für die Maschinenbauer etwas komplizierter. „Weil wir uns extrem mit jedem Detail auseinandersetzen“, sagt Florian Schlink. Das fordere die Hersteller. Manchen bringe es in die Bredouille, andere treibe es an, sich weiterzuentwickeln. „Als wir uns für die Dressiermaschine interessierten, bin ich zusammen mit drei Mitarbeitern zu Krumbein ins Technologie-Zentrum gefahren. Sie sind es, die mit der Maschine arbeiten, deshalb beziehen wir sie in die Entscheidungsprozesse mit ein. Die Chefs sehen die Maschinen teilweise erst dann, wenn sie schon im Betrieb stehen.“

f2m-bub-2022-05-Vor-Ort-Termin-Wagen
Die Flammenden Herzen

Mit der neuen Dressiermaschine kamen die Flammenden Herzen zurück ins Sortiment. Das Produkt ist ein Klassiker der Konditorei. Es besteht aus einer Sandmasse, die die Bäckerei aus wenigen Zutaten (Mehl, Butter, Zucker, frische Eier, etwas Vanille, Zitronenschale und Salz) herstellt, dann in Flammenoptik auf Bleche aufdressiert und backt. Anschließend werden die Produkte mit einer Nougat-Ganache gefüllt, jeweils zwei zum Flammenden Herzen zusammengesetzt und in Kuvertüre abgesetzt. Schlink: „Wir haben die Flammenden Herzen früher mit dem Spritzbeutel dressiert, die Produktion aber mindestens neun Jahre ruhen lassen.“ Zu viel Handarbeit, zu wenig Gewinn. Das habe sich mit der Maschine geändert. Schlink: „Für die Familie Treiber, vor allem bei den Seniorchefs, war das ein Wow-Effekt.“ Wenn Flammende Herzen auf dem Programm stehen, werden 1.300 bis 1.500 Stück pro Woche hergestellt – in guter, handwerklicher Optik und hochwertiger Qualität, wie Schlink betont, das sei ihnen immens wichtig

f2m-bub-2022-05-Vor-Ort-Termin-Kekse

Jeweils zwei Gebäcke ergeben zusammen mit der Granache-Füllung und dem Kuvertüre-Überzug ein Flammendes Herz

Das Unperfekte macht es perfekt

Wenn Butter- oder Mohnstreuselschnitten hergestellt werden, kommt eine weitere Maschine von Krumbein ins Spiel: ein Streuselstreuer, der seine Arbeit nach der und gekoppelt mit der Dressiermaschine verrichtet. Auch diese Maschine musste sich den kleinen Blechformaten anpassen. Wiederum wurden individuelle Schienen angefertigt, sodass drei der kleinen Bleche auf einmal belegt werden können. Eine andere Anforderung war Treiber besonders wichtig: „Wir wollten keine gleichen, uniformierten Streusel, sondern ungleichmäßig geformte Streusel, die einfach diesen händischen Charakter mitbringen. Streusel dürfen nicht aussehen wie gemalt, sie müssen unförmig und ungleichmäßig in ihrer Größe sein.“ Das Unperfekte macht es perfekt. Damit ein wirres Streuselbild entsteht, wurden unterschiedliche Walzen in der Maschine installiert.

Florian Schlink: „Wenn alles gleich aussieht, sind wir nicht anders als die Industrie. Dabei will der Kunde doch dieses Wechselspiel im Mundgefühl, wenn er in eine Streuselschnitte beißt: das Weiche vom Butterhefeteig, das Cremige vom Pudding, den Crunch vom Streusel, mal knuspriger, mal lätschiger, das macht es doch aus. Das ist Handwerk. Auch bei der Maschine muss das bedacht werden. Ich möchte kein Equipment, das mir mein Handwerk kaputt macht, ich möchte ein Equipment, das mich im Handwerk unterstützt.“

Nachts Snacks, tagsüber Kondi

Sie ist ein anderes Thema, aber die Herangehensweise bei der Investition ist ähnlich: Es geht um eine Schneidemaschine, ebenfalls von Krumbein, die als Investition noch vor der Dressiermaschine ins Haus kam und ursprünglich für den Snackbereich gedacht war. Die Auslastung war also da und wieder kam die Überlegung: Welche Features könnte sie uns noch bringen? Florian Schlink: „Der Snackbereich braucht sie nachts, die Konditorei könnte sie tagsüber nutzen, darum war es naheliegend, dass sich beide Abteilungen die Schneidemaschine teilen.“

Apropos Fachkräfte

Alle sprechen vom Fachkräftemangel. Treiber auch. „Nur“, sagt Florian Schlink, „Unternehmen vor allem in unserer Branche müssen etwas tun. Wir müssen als Arbeitgeber attraktiv sein, um Mitarbeiter zu halten. Natürlich sollten die finanziellen Anreize stimmen, aber oft sind es die Softfacts, die entscheiden. Sei es der menschliche Umgang oder kleine ‚Goodies‘ zwischendurch, um Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. Während Corona haben alle gesagt, Weihnachtsfeiern seien unmöglich. Ja sorry, warum denkt man nicht anders herum und überlegt, wie es gehen könnte? Wir haben einen Cateringdienst geordert und den Mitarbeitern in den Pausen eine Art Buffet serviert. Als kleine Weihnachtsfeier. Es sind einfache, aber motivierende Dinge. Das soll nicht heißen, dass wir perfekt sind, aber, wir arbeiten daran. Und das ist das Wichtige.“

f2m-bub-2022-05-Vor-Ort-Termin-Team tee

Exklusiv für Mitarbeiter: Als Zeichen der Wertschätzung überrascht Treiber das Team von Zeit zu Zeit mit Gimicks, das kann ein Eis sein oder auch ein Team tee

Mit ihren vier Messern ist die daraufhin angeschaffte Schneidemaschine für den Snackbereich zwar etwas überdimensioniert, für die Konditorei leistet sie aber gute Dienste, insbesondere im Sommer, wenn täglich ein paar hundert Tortenböden zu bearbeiten sind. Brötchen oder Baguettes schneidet sie für die eine Abteilung, Biskuitböden für die andere. Für Florian Schlink zählen bei der Schneidetechnik neben dem Schnittbild und den exakten Schnittdicken auch eine geringe Geräuschkulisse und die einfache Reinigung. „Für den Haustechniker muss sie einfach zu warten sein. Jede Maschine, die steht, produziert Stress. Stress führt zu schlechter Qualität und die wollen wir nicht.“

Maschinen müssen beweglich sein

Die Dressiermaschine, der Streuselstreuer, die Schneidemaschine – alle drei sind Stand-alone-Maschinen. Florian Schlink: „Alle Maschinen, die nicht zwingend festgeschraubt sein müssen, dürfen nicht festgeschraubt sein. Sie müssen beweglich sein, damit wir sie dorthin schieben können, wo wir sie brauchen. Und wenn wir sie nicht brauchen, müssen wir sie zur Seite schieben können, um den Platz anderweitig zu nutzen.“