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b+b-2022-04-Neue Wege suchen

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Jürgen Hinkelmann ist Unternehmer und nimmt diese Bezeichnung ernst. Wenn die Rahmenbedingungen nicht so sind, wie sein Betrieb sie braucht, sieht er sich in der Pflicht, nach neuen Wegen und Lösungen zu suchen. Ein Gespräch über Energiekosten im Backbetrieb.

b+b: Herr Hinkelmann, kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens eine Bäckerei in Deutschland den Laden dichtmacht und die gestiegenen Energiekosten als Grund nennt. Stirbt das Bäckerhandwerk in Deutschland?
Hinkelmann: Nein, ganz sicher nicht. Aber die Betriebe haben extreme Kostensteigerungen zu verkraften, nicht nur beim Energieeinkauf. Der im vergangenen Jahr beschlossene Mindestlohn von 12 € pro Stunde hat unsere Personalkosten massiv steigen lassen. Die Materialkosten sind zum Teil sogar deutlich stärker gewachsen als die Energiekosten. Uns belasten vor allem die Mehlpreise. Dienstleistungen sind teurer geworden und ja, die Energiekosten zeigen nur einen Trend, aufwärts, und das, obwohl die EEG-Umlage weggefallen ist. Mich ärgert außerdem, dass die Politik Betriebsstrukturen wie unsere, die von der Produktion bis zum Verkauf gehen, nicht auf dem Schirm hat. Die Förderungen im Energiebereich sind auf reine Produktionsbetriebe zugeschnitten, im Klartext – auf die Industrie. Aber bei allen Sorgen, eines ist klar: Wir werden unsere Existenzberechtigung ganz sicher nicht wegen des Ukraine-Konfliktes und dessen Folgen verlieren.

b+b: Steigende Kosten und begrenzte Möglichkeiten, diese an die Kunden weiterzugeben – also macht doch demnächst der Letzte das Licht oder besser den Backofen aus?
Hinkelmann: Noch mal nein! Aber Betriebe, die in der Corona-Zeit ihre Hausaufgaben nicht gemacht und ihre Kostenstrukturen nicht radikal optimiert haben, stecken jetzt
in der Klemme.

b+b: Selbst wer Kosten optimiert hat, erleidet jetzt die massiven Kostensteigerungen. Wie lange sollen und können Bäckereiunternehmer das aushalten?
Hinkelmann: Zum Unternehmertum gehört es, nicht nur gute Zeiten mitzunehmen, sondern auch mal schlechte Zeiten auszuhalten. Seit Mitte des Jahres gehen bei den meisten Betrieben die Zahlen nach unten und das wird mindestens noch bis zum Ende des nächsten Jahres so bleiben. Im Moment geht es also nicht um Gewinne, sondern vor allem darum, keine Substanz zu verlieren.

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Der Hybridbrenner der Thermoölanlage kann jederzeit von Gas auf Öl wechseln

b+b: Was hat der Unternehmer Jürgen Hinkelmann, was hat die Bäckerei Grobe gemacht, um keine Substanz zu verlieren?
Hinkelmann: Wir haben seit Jahren bereits ein sehr scharfes Kostenmanagement, und das haben wir in den vergangenen Monaten noch einmal nachgeschärft. Aber ich habe auch bereits im Herbst 2021 mit unserem Gaslieferanten einen Festvertrag bis Ende 2024 und mit unserem Stromlieferanten bis Ende 2025 abgeschlossen, und das für alle Abnahmestellen. Ich glaube nicht, dass bis dahin die Preise sinken.

b+b: Preise sind ein Thema; wie sieht es mit der Versorgungssicherheit Ihrer Backstube aus?
Hinkelmann: Rund zwei Drittel unserer Backflächen werden mit Thermoöl beheizt, das bislang wiederum mit Gas erwärmt wird. Unser Netzbetreiber hat uns erklärt, dass für den Fall, dass auf dem Gasmarkt die Warnstufe 3 ausgerufen wird, wir kein Gas mehr bekommen. Seit Anfang Juni arbeiten wir deshalb mit Hybridbrennern, die von Gas auf Öl umschalten können. Das Öl lagern wir in Öltanks, für deren Aufstellung keine Genehmigung notwendig ist und die außerdem mobil sind.

„Eines ist klar, wir werden unsere
Existenzberechtigung ganz sicher nicht wegen des Ukraine-Konfliktes und dessen Folgen verlieren.“

Jürgen Hinkelmann

b+b: Wie wirkt sich das kostentechnisch aus?
Hinkelmann: Erst einmal haben wir mit allem Drum und Dran rund 100.000 € investiert und die laufenden Kosten sind rund doppelt so hoch wie die Versorgung mit Gas.

b+b: Das ist eine Menge. Sparen Sie im Gegenzug am Personal?
Hinkelmann: Nein, im Gegenteil, alle Mitarbeiter kriegen seit dem 1. Juli einen einheitlichen Lohnaufschlag. Die wachsenden Kosten bringen auch die Mitarbeiter und ihre Familien in Bedrängnis und ich habe an mich als Arbeitgeber den Anspruch, dagegen etwas zu tun. In die Hybridbrenner haben wir investiert, weil wir Bäcker sind und die Menschen mit Brot versorgen wollen. Ich bin Unternehmer und wenn die Rahmenbedingungen nicht so sind, wie ich sie gerne hätte und ich sie auch nicht ändern kann, dann ist es meine Aufgabe als Unternehmer, Umleitungen zu suchen. Ich finde es nur übel, dass die Industrie bei solchen Belastungen von der Politik Hilfe bekommt, wir als Handwerker aber nicht.

b+b: Wie sieht es bei Ihnen mit der eigenen Energieerzeugung aus?
Hinkelmann: Wir haben 2010 zum ersten Mal in Photovoltaik investiert und 2018/19 noch mal massiv erweitert. Im Jahresdurchschnitt erzeugen wir damit rund 30 % unseres eigenen Stroms. Mindestens genauso wichtig sind uns aber Energiemanagement und Wärmerückgewinnung. Gutes Energiemanagement ist für die Steuerung der Thermoölöfen wichtig. Aus der Wärmerückgewinnung unserer Kälteanlagen speisen wir die Glykolerwärmung für die Gärunterbrecher.
Zur Rückgewinnung von Wärme der Thermoölanlage stehen vier Puffer bereit, die ihrerseits einen fünften Puffer heizen, der dann mit der Restwärme der Stikken „geboostert“ wird. Das Wasser steht der Spülanlage zur Verfügung, die so in der Regel keine zusätzliche Heizung braucht. Wir sind inzwischen übrigens dazu übergegangen, die Körbe vor dem Spülgang einer Sichtkontrolle zu unterwerfen, sodass nicht mehr alle jeden Tag gewaschen werden. Wir haben die Spülmenge auf 60 % reduziert, sparen Energie und Wasser ohne sichtbaren Hygieneverlust, nur durch Hinschauen und Mitdenken.

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Die Vakuumkonditionierungsanlagen verringern die Backzeiten und sparen so Energie

b+b: Energierückgewinnung ist fein, aber besser wäre doch wohl, Energie von vornherein zu sparen. Gibt es bei Ihnen dafür auch ein Beispiel?
Hinkelmann: Viele sogar. Wir haben vor ein paar Jahren mehrere Vakuumkonditionierungsanlagen gekauft und die Ladenbackquote gesenkt. Vorteil: Wir backen die Ware auf 20 Blechen 60 x 80 im Stikken, statt auf 40 kleinen Etagen im Ladenbackofen. Die Vakuumpumpe braucht wenig Energie und die Backzeiten sind kürzer, das spart Energie. Unsere Spezial- und Körnerbrötchen werden erst als Teiglinge mit der dritten Tour ausgeliefert, unsere beiden Hauptprodukte, das Schnittbrötchen und die Kaisersemmeln, werden von Beginn an in den Läden gebacken, es kommt aber eine Startmenge aus der Backstube. In den Filialen sparen wir durch diese Prozessänderung 20 bis 25 % der Gesamtenergie. Obendrein haben die Mitarbeiterinnen in den ersten Stunden mehr Zeit für die Betreuung der Kunden.
Ein anderer Punkt ist das Licht in den Filialen. Ich tue mich schwer damit, es einfach abzudunkeln. Schließlich ist das ein wichtiger Faktor für die Wohlfühlatmosphäre. Aber, erstens verwenden wir nur noch LED-Lampen, zweitens sorgen in allen neuen Filialen Luxmeter dafür, dass stets eine gleiche Helligkeit herrscht. Machen wir übrigens auch in der Hälfte der Backstube so. Lichtschalter gibt es nicht mehr und die Helligkeit bleibt immer gleich. Auch beim Lüften kann man Energie sparen. Markisen auf die Sonnenseite und viel Querlüftung, eventuell unterstützt durch Ventilatoren, und nicht als Erstes die Klimaanlage anschmeißen – und wenn, dann nie auf weniger als 26 ° runterkühlen. Schiebescheiben bei Thekenkühlung helfen Energie zu sparen. Muss man aber auch benutzen. Es gibt massenhaft Ansätze, Energie zu sparen. Wichtig ist es, Sensibilität dafür zu entwickeln, vor allem bei den Führungskräften. Wir haben Fließschemata erstellt für Wärme, Kälte und Wasser und diskutieren zwei-, dreimal im Jahr, wo Optimierungsmöglichkeiten sind.

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Das Wasser dieses Puffers bezieht seine Wärme aus der Abwärme der Thermoölanlage. Es wird durch die Abwärme der Stikken auf die Temperatur gebracht, die die Spülanlage braucht

b+b: Da wäre noch der Bereich Logistik. Wie sieht es da bei Ihnen aus?
Hinkelmann: Wir beliefern die Filialen mit zehn 7,5-t-Lkw und drei bis vier kleinen E-Autos. Leider gibt es für die Lkw noch keine echte Alternative zum Dieselmotor. Die Hälfte der Filialbetreuer fährt E-Autos, der Rest noch mit Verbrennern.

b+b: Was steht auf Ihrer To-do-Liste?
Hinkelmann: Perspektivisch planen wir, den neuen Vakuumbackofen von bakeXperts zu testen. Ich verspreche mir davon eine Reduzierung der Retouren und bessere Verfügbarkeit von Ware, insbesondere Schnittbrot, weil es gleich runtergekühlt wird, so dass man es schneiden kann. 80 % unserer Brote gehen geschnitten über die Theke. Da ist Verfügbarkeit wichtig. Außerdem denken wir darüber nach, die Fettbackgeräte an die Thermoölwärme anzuschließen. Strom dort zu verwenden, kann die Spitzenlast zu hoch treiben und das wird teuer.

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Auf allen verfügbaren Dächern sind Photovoltaikanlagen installiert. Gemeinsam liefern sie rund ein Drittel des Strombedarfs

b+b: Sie sind Funktionsträger innerhalb der Bäckerverbände. Welche Hilfe kann ein Betrieb von den Verbänden erwarten?
Hinkelmann: Die technischen Betriebsberater können bei der Analyse und auch bei der Umsetzung helfen. Der Zentralverband ist dafür nicht nah genug an den Betrieben. Aber ich könnte mir auch vorstellen, dass die Bäkos stärker mit den technischen Beratern zusammenarbeiten und echten Mehrwert bieten.

b+b: Herr Hinkelmann, herzlichen Dank für das Gespräch.