Dr.-Ing. Rudolf Berghoff
Als ich nach meinem Vortrag zu kryogener Mehlkühlung mit flüssigem Stickstoff oder Kohlendioxid über den Sauerstoffeinsatz für die Teigherstellung hörte, war meine Skepsis groß. „Das mag im Labor alles gut und schön sein, aber wo ist der Praxiseinsatz?“ Der mitreißende Optimismus von Prof. Dr. Klaus Lösche, Northern Food Tec GmbH, bewog mich, das Verfahren bei mir bekannten Backbetrieben vorzustellen und als Testphase einzuführen. Erste Ergebnisse liegen vor. Es bedarf ein wenig Pioniergeist, aber es lohnt und zahlt sich am Ende nicht nur durch Einsparung von Backmitteln, sondern besonders auch durch einen deutlich einfacheren Backprozess aus.
Alle Pioniere sind dabeigeblieben
Im neuartigen Verarbeitungsprozess – von Weizen- bis hin zu Roggenmischteigen – wird die Eigenschaft von Sauerstoff genutzt, um bereits zu Beginn und entlang des Knetvorganges die notwendigen Redox-Reaktionen einzuleiten. Für die aktive Nutzung von Sauerstoff ist die Länge eines Knetvorgangs oder das Prinzip der jeweiligen Knetoperation unbedeutend. Die Nutzung eines erhöhten oxidativen Potentials generiert durch das neuartige Sauerstoff-Verfahren Teig- und Backeigenschaften, die in nach unserer Erfahrung herausragender Qualität zu Buche schlagen. Es lassen sich ausgezeichnete Maschinengängigkeiten, Gär-, Kühl- wie Gefrier- und Taustabilitäten erzielen, was die Backprozesse vereinfacht und die Produktqualität verbessert. Abbildung 1 zeigt Sauerstoffblasen nach dem Eintrag in Schüttwasser
direkt vor dem Knetvorgang.
Abb. 1: Eintrag von Sauerstoffblasen in Schüttwasser für eine Direkt-Oxidation [1]
Der Knetprozess entscheidet
Herkömmliche bzw. typische Knetprozesse sind vor allem dadurch charakterisiert, dass neben der mechanischen Energieeinleitung und einer Teigtemperatur von ca. 25 °C typischerweise atmosphärisch (also in Gegenwart von Luft-Sauerstoff) geknetet wird. Das gelingt heute vielschichtig sowohl in diskontinuierlicher (Batch-Prozess) als auch in kontinuierlicher Prozessführung. Auffällig ist allerdings, dass die resultierenden Teigeigenschaften in aller Regel so beschaffen sind, dass eine Teigruhe von ca. 15 bis 30 Minuten notwendig ist. Diese Teigruhezeit ist deswegen erforderlich, da herkömmlich hergestellte Weizenteige direkt nach dem Knetprozess i. d. R. zu elastisch, aber zu wenig plastisch (Abb. 2, links) und zu oberflächenfeucht (zu klebrig) anfallen. Diese Eigenschaften entstehen u. a. aus nicht ausreagierten Redox-Vorgängen. Unter den üblichen Knet-Bedingungen führt dies einerseits zu einem Maximum der Kleberbildung (Maximum der Teigbildung und -entwicklung) und andererseits zu dominant elastischen Teigeigenschaften (Abb. 2, links).
Die im herkömmlichen Knetvorgang unzureichend stattfindenden Redox-Reaktionen dezimieren einerseits die Wasserbindungsstärke der Teigmatrix und führen andererseits zu verminderter Wasserbindungsmenge (hinzu kommt, dass die Wasseraufnahmefähigkeit bzw. die Teigausbeute eines Weizenteiges ausgerechnet bei ca. +25 °C ein Minimum aufweist), was u. a. die zunehmende Klebrigkeit solcher Teige erklärt. Um dennoch eine fehlerfreie Verarbeitbarkeit bzw. Maschinengängigkeit zu gewährleisten, ist der Backbetrieb darauf angewiesen, die Teige im Zuge einer Teigruhephase und namentlich vor der maschinellen Verarbeitung zu entspannen (Relaxation) und gleichermaßen abzutrocknen (Klebrigkeit minimieren).
Abb. 2: Einfluss des Sauerstoff-Verfahrens in Gegenwart eines kommerziellen Brötchenbackmittels auf die Teigrheologie (Extensogramm) [2]
Eine solche Teigentspannung dient also dazu, die dominant elastischen (hoher Dehnwiderstand) in mehr plastische Teigeigenschaften (Abb. 2, rechts) zu überführen (gute Dehnbarkeit). Das ist deswegen geübte Praxis, da (zu) elastische Teige sehr stressempfindlich und gegenüber Druck-, Zug- oder Scherkräften ggf. irreversibel geschädigt werden (u. a. verbunden mit Nachteilen beim Backvolumen und der Gebäckform). Um bei nachfolgenden Prozessschritten wie Verwiegen, Rundwirken, Langwirken und/oder Laminieren derartige Schädigungen der Teigmatrix durch mechanischen Stress zu minimieren, ist eine entsprechende Relaxationsphase (Teigruhephase) i. d. R. unvermeidlich und diese wird bekanntlich wiederholt entlang der Teigbe- und -verarbeitung über Zwischenschritte eingehalten. Bei Laminierschritten werden vor allem elastisch verursachte Rückverformungen bei entsprechend bearbeiteten Teigen beobachtet (Blätterteige, Croissants, Pizza,
Toast etc.), die naturgemäß unerwünscht sind. Laminier-Anlagen versuchen diese Situation abzufedern, indem im Verlauf der Prozessstrecke zusätzliche Teigruhephasen eingeführt werden und/oder indem z. B. mehrere Satellitenkopf-Stationen notwendig sind (sog. „Stress-free“-Anlagen).
Die große Bedeutung von Sauerstoff – neuartig als eine Art Backmittel aktiv genutzt – zeigt sich auch dann, wenn Backbetriebe in Sommer-Monaten Trockeneis (CO2) zur Teigkühlung einsetzen. Einerseits ist die Kühlleistung von Trockeneis sehr hoch, andererseits verdrängt das nach Verdampfung gebildete CO2-Gas den notwendigen Sauerstoff im Kopfraum des Kneters. In der Folge können die so essentiellen Oxidationsvorgänge während des Knetvorganges nur noch eingeschränkt stattfinden, sodass unzureichend entwickelte Teige mit vergleichsweise hoher Viskosität und Klebrigkeit entstehen. Derartige, eher graue Teige sind oxidativ unterentwickelt, eingeschränkt maschinengängig und liefern eine limitierte Gebäckqualität (Volumen, Form, Krumenstruktur, Farbe, Frischhaltung etc.). Eine effektive Absaugung von CO2-Gas aus dem Kopfraum des Kneters ist daher dringend notwendig.
Bedeutung von Sauerstoff für Weizenteige
Misst man den Sauerstoff-Gehalt in Teigen, so wird man anfangs ungefähr 7,2 mmol O2/kg messen. Direkt nach dem Knetvorgang und schon nach ca. 1 Minute werden mutmaßlich mehr als 70 % des gelösten Sauerstoffes verbraucht sein, verursacht primär durch die Aktivität der Backhefe (auch Milchsäurebakterien) und der mehleigenen Enzyme (vor allem Oxidasen wie Lipoxygenasen). Die verbleibende geringe Sauerstoffmenge im Teig wird vor allem von hydratisierter Stärke und dem Kleber reversibel absorbiert. In der Folge charakterisiert sich der Teig nun primär anaerob, was schließlich und einerseits den Stoffwechsel der Backhefe oder auch die Sauerteigbakterien zur Gärung veranlasst. Konkurrenzreaktionen um den verbleibenden Rest-Sauerstoff beeinflussen dann andererseits die Klebermatrix und damit die Teigrheologie mit allen daraus resultierenden Folgeerscheinungen. Teige mit O2-Mangel strukturieren daher u. a. ein vermindertes Gashaltevermögen auf Gare (vgl. Abb. 3 links und rechts bei identischen Teigmassen). Redox-Vorgänge im Teig während des Knetvorganges verursachen in erwünschter Weise zahlreiche Verknüpfungen von Protein-SH-Gruppen zu Disulfidbrücken im Klebernetzwerk – verbunden mit der Zunahme des Dehnwiderstandes – oder die oxidative Verknüpfung von Ferulasäureresten an den Hemicellulosen (Pentosane), die die Wasserbindungsverhältnisse positiv beeinflussen. Die enzymatisch oxidativen Umsetzungsreaktionen, etwa der mehleigenen Peroxidasen, der Ascorbat-Oxidase oder der Glutathion-Dehydrogenase, führen z. B. zu einer spezifischen Gleichgewichtssituation bei Ascorbinsäure und ihrer Dehydro-Form. Diese Reaktionen (unterstützt durch Prooxidantien, wie Metalle oder Erdalkali-Metalle es darstellen) sind parallel und/oder konvergent verlaufende Redox-Reaktionen, die durch Sauerstoff initiiert und/oder katalysiert sind. Dies generiert die gewünschten kleberstabilisierenden Effekte, aber auch Farbaufhellungen, indem u. a. die weizenmehltypischen, gelblichen Carotinoide z. T. oxidativ gebleicht werden, wie es bekanntlich Lipoxygenasen im Rahmen der Mehlreifung leisten. Mit diesen und ähnlichen enzymatischen Unterstützungen werden Teige oxidativ stabilisiert, die Porenstruktur in Teigen und die Brotkrume fallen stabiler, feiner und heller aus (helle, weißliche, stabile Krume) bei verbesserter Formstabilität und einem erhöhten Volumen der Gebäcke.
Abb. 3: Einfluss des Sauerstoff-Verfahrens auf Gärstabilität, Gashaltevermögen und Farbe von Brötchenteigen (standardisierte Bedingungen) [3]
Diese und andere Redox- und namentlich Oxidationsreaktionen finden allerdings aufgrund des begrenzten Sauerstoffangebotes im Teig während des Knetprozesses und im Verlauf der Teigbe- und -verarbeitung nicht erschöpfend oder nur langsam fortschreitend statt. Dies fällt überwiegend dann auf, wenn die Teige bereits im Gärraum sind und erst dort so weit oxidativ stabilisiert vorliegen, dass eine entsprechend erhöhte Gärtoleranz ermöglicht wird.
Das o. g. limitierte oxidative Potential bildet ein backtechnisch interessantes Feld für die innovative Nutzung von Sauerstoff als eine Art neuartiges Backmittel, gleichzeitig
verbunden mit einem Clean-Label-Versprechen.
Günstige Teigeigenschaften sind aus backtechnischer Sicht solche, die direkt nach dem Kneten gute bzw. maschinengängige Eigenschaften mitbringen, also Teige, die trocken und plastisch dominiert sind, aber ihre elastische Komponente nicht bzw. unkritisch eingebüßt haben (Abb. 2). Sie generieren dann insgesamt günstige Be- und Verarbeitungs- sowie Backeigenschaften. Teigruhephasen können verkürzt oder gar übergangen werden.
Sauerstoff stabilisiert Weizenteige
Die Imprägnierung von Schüttwasser mit Sauerstoff vor dem Kneten ist ein wesentlicher Schritt in Richtung der gewünschten Teigeigenschaften. Es bewirkt schon zu Beginn und während des Knetvorganges eine ausreichend hohe Sauerstoffversorgung, um vor allem erschöpfende Redox-Reaktionen zu generieren. Daraus resultiert eine bessere Teigcharakteristik, die bessere Prozessfähigkeit der Teige und günstigere Kühl-, Gefrier-, Tau-, Gär- und Backeigenschaften. Die nicht selten zu beobachtende Lochbildung in der Krume von Gebäcken wird beispielsweise nach aktiver Sauerstoff-Nutzung, falls überhaupt, dann deutlich dezimiert eintreten. Je nach vorhandener Mehlqualität werden Teigeigenschaften zugänglich, die u. a. die Wirksamkeit von Backmitteln stark erhöhen, sodass ihre Dosis abgesenkt werden kann (statt z. B. 4 % bez. a. Mehl dann 2 %; vgl. Abb. 2–4).
Aus dem Vorhergesagten wird deutlich, dass oxidative Vorgänge im Teig und dessen Wechselwirkungen mit dem umgebenden Luft-Sauerstoff bedeutsame und essentielle Reaktionen darstellen, die die Teigbildung und -entwicklung, die rheologischen Teigeigenschaften entlang des gesamten Prozessweges und damit die Prozessfähigkeit der Teige sowie deren Backeigenschaften wesentlich mitdefinieren. In der gegenwärtigen Teigherstellung laufen diese Vorgänge jedoch nur limitiert ab, da das Sauerstoffangebot vor allem in gärenden Teigen sehr niedrig ist.
Abb. 4: Einfluss des Sauerstoffverfahrens auf die Teigeigenschaften in Abhängigkeit von der Mehlqualität (schematisiert); BM = Backmittel [4]
Das Sauerstoff-Verfahren
Der Sauerstoffgehalt in der Luft beträgt ca. 21 %. Mit diesem Sauerstoffangebot kann der Backbetrieb im Kneter recht gut einen Teig herstellen. Das verwendete Schüttwasser enthält allerdings im Vergleich zur Umgebungsluft deutlich weniger Sauerstoff, sodass dieses einen wesentlichen und damit limitierenden Faktor darstellt.
Die Sauerstofflöslichkeit ist im Wasser abhängig vom Druck und der Temperatur. Die Löslichkeit steigt mit zunehmendem Druck und abnehmender Temperatur. Bei 0 °C lösen sich aus Luft unter Normaldruck (Sauerstoffpartialdruck von 212 hPa) im Gleichgewicht 14,16 mg/l Sauerstoff (= 14,16 ppm – parts per million). Leitungswasser mit ca. 8 °C verfügt über ca. 8 ppm gelösten Sauerstoff. Um Schüttwasser mit Sauerstoff anzureichern und dessen Effekte zu nutzen, bedarf es daher einer gezielten Imprägnierung des kalten Schüttwassers (vorzugsweise < 5 °C) mit Sauerstoff, der für die Lebensmittelindustrie zugelassen ist, dem sogenannten BIOGON® O. Alle Gase, die für die Verwendung in der Lebensmittelverarbeitung vorgesehen sind, müssen die Anforderungen des einschlägigen deutschen und europäischen Lebensmittelrechts erfüllen. Dazu gehören insbesondere die europäischen Verordnungen VO (EG) Nr. 852/2004 und VO (EG) Nr. 178/2002 sowie die VO (EG) Nr. 1333/2008 und die VO (EU) 231/2012. Das Produkt entspricht der EN 12876, Qualität A (Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Sauerstoff). Die Herstellung der BIOGON® Gase unterliegt speziellen Anforderungen hinsichtlich der Prozessführung, Nebenbestandteilen, Anlagenmaterialien, Chargenrückverfolgung, Mindesthaltbarkeit, Kontrolle und vielen weiteren Parametern. Für die Lebensmittelverarbeitung zugelassene BIOGON® Gase sind nicht mit technischen Gasen zu verwechseln, die zwar den gleichen Reinheitsgrad aufweisen können, aber eben nicht dem o. g. Herstellungsprozess genügen.
Die Anreicherung des Schüttwassers erfolgt derart, dass über ein spezielles Imprägniersystem und über einen relativ kurzen Zeitraum von ca. 1–3 Minuten Sauerstoff eingeleitet wird. Je nach Zielvorstellung (Mehlqualität, Gebäckart) bzw. je nach anzustrebendem Sauerstoff-Gehalt geschieht dieses atmosphärisch oder ggf. auch unter Druck. Dabei reicht es in den meisten Fällen aus, nur Teilmengen des jeweiligen Schüttwassers entsprechend zu behandeln. Die Apparatur zur Anreicherung des Schüttwassers mit Sauerstoff kann unterschiedlichen Automatisierungsgraden genügen. Zum Sammeln erster Erfahrungen mit dem neuen „Backmittel“ ist ein manuelles System wie in Abbildung 5 dargestellt für den Backbetrieb sicher hinreichend. Nach erfolgreichem Einsatz unter genauer Kenntnis der Anwendung wird schnell ein automatisiertes, geschlossenes und damit effizienteres System folgen.
Abb. 5: Manuelle O2-Imprägnierung des Schüttwassers mit Linde Equipment. Versuchsdurchführung der Linde GmbH bei Einsatz im Backbetrieb
Neben den besonderen Ansprüchen an Lebensmittelgase und deren Herstellungsprozess sind auch für sämtliche Anlagenbauteile, die einerseits wie o. g. in Kontakt mit Lebensmitteln und andererseits hier speziell in Kontakt mit reinem Sauerstoff stehen, besondere Richtlinien zu beachten. Sauerstoff brennt nicht, es unterstützt die Verbrennung jedoch kolossal.
Verbrennungsprozesse verlaufen mit reinem Sauerstoff völlig anders, als es unsere Erfahrungen mit normalem Luftsauerstoff vermuten lassen. Verbrennungsprozesse starten bei deutlich geringerer Zündenergie, so kann z. B. ein einfacher Druckstoß beim Öffnen eines Ventils einen Brand verursachen. Die Brandgeschwindigkeit ist deutlich höher und die Verbrennung läuft aggressiv heftig und heißer als mit Luftsauerstoff, es gleicht eher einer
explosionsartigen Verbrennung. Öle und Fette sind fernzuhalten; nicht nur Kunststoffe, wie z. B. Dichtungen, können plötzlich brennen, sogar Rohrleitungen aus Metall werden selbst zum Brennstoff, d. h., sie schmelzen nicht nur, sondern verbrennen. Nur bei fachgerechter Installation z. B. durch einen unserer Linde-Mitarbeiter, und sachgerechter Anwendung lässt sich das Verfahren sicher betreiben.
Generell lässt sich ableiten, dass je mehr vom Gesamt-Schüttwasser für eine Teigcharge auf diesem Wege mit Sauerstoff angereichert wird, umso besser (stabilisierter und flexibler) werden prinzipiell die Teigeigenschaften bzw. die Porenmembranen im Teig entstehen.
Der Gaseanbieter Linde vermutet, dass das hohe oxidative Potential des mit Sauerstoff angereicherten Schüttwassers zusätzlich für spezifische Redox-Reaktionen verantwortlich ist, die typischerweise sonst nur langsam und unvollständig im Teig ablaufen.
Das entsprechend behandelte Schüttwasser wird dem Kneter direkt zugeführt und der Knetvorgang kann mit einer erhöhten Teigausbeute (TA) um ca. zwei Punkte mehr als üblich verlaufen. Im Ergebnis erhält der Backbetrieb Teige, in denen nunmehr jene o. g. Reaktionen intensiviert und sehr rasch – weitgehend noch während des Knetens – ablaufen und die sich durch vermehrt plastische und trockene Eigenschaften charakterisieren (ausgewogenes Verhältnis von elastischen zu plastischen Eigenschaften, vgl. Abb. 2 rechts):
Beobachtete Vorteile:
+ erhöhte Teigausbeute
+ verkürzte Teigruhezeiten, ggf. keine Teigruhezeit notwendig
+ verbesserte Maschinengängigkeit
+ keine oder verminderte Rückverformungen, z. B. nach dem Laminieren
+ weniger Streumehl
+ weniger Restteige
+ erhöhte Backmittelwirkung
+ weniger Backmittel (> 50 %)
+ gesteigerte Kühl-, Gefrier- und Taustabilität der Teige
+ erhöhte Gärtoleranz, ausgeprägtes Gashaltevermögen
+ verbesserte Form- und Backcharakteristik
+ erhöhtes Gebäckvolumen
+ stabilisierte Krumenstruktur
+ verminderte Lochbildung bei Gebäcken
+ erhöhte Frischhaltung
+ und Weiteres
Die Behandlung des Schüttwassers für Mutterteige (Hauptteige) mit Sauerstoff liefert sehr interessante Effekte auf der Teig- und Gebäckebene, die u. a. das Gebäckvolumen, die Gebäckformstabilität oder auch die Krumenstruktur (Farbe, Porung, Stabilität) positiv beeinflussen (Abb. 6). Es ist speziell die Stabilisierung und Flexibilisierung der Teigporen-Membranen, die die Porenzellen im Teig so stabilisieren, dass sie z. B. vor einer Lochbildung in Gebäcken schützen kann, deren Teiglinge oft aus Gärsteuerungsverfahren stammen.
Es liegt naturgemäß nahe, das Sauerstoffverfahren auch oder speziell für Vorteige zu verwenden. Das Verfahrensprinzip ist dabei gleich und führt im Vergleich zu deutlich gärstabileren Vorteigen (u. a. hohe Gärtoleranz, vgl. Abb. 3), sodass z. B. die Gärzeiten verlängert oder die Vorteiganteile in Mutterteigen erhöht werden können. Die entsprechende Gärführung der Vorteige ist schließlich Gewähr für eine erwünschte oder arttypische Porenstruktur im fertigen Gebäck, z. B. eine offenporige Krume bei Baguette. Die mit dem Sauerstoffverfahren verbundene Möglichkeit zur Optimierung auch der Vorteige und damit der Mutterteig-Eigenschaften führt zur deutlichen Verbesserung von Aroma, Farbe und Geschmack der entsprechenden Backwaren. Beispiele, die durch das Sauerstoff-Verfahren
außerdem zugänglich werden, seien nachfolgend zusammengefasst genannt:
+ Der (übliche) Volumenverlust von gefrorenen Teiglingen (grüne oder vorgegarte TK-Teiglinge) wird deutlich minimiert.
+ Qualitätsschwankungen der Mehle können besser ausgeglichen werden (namentlich nach jeder neuen Ernte).
+ Die Maschinengängigkeit von Mutterteigen wird verbessert, selbst bei höheren Vorteiganteilen.
+ Das Gebäckvolumen und die Frischhaltung werden erhöht, die Gebäckform stabilisiert oder der Ausbund tritt verbessert und markant ein.
+ Farbe, Aroma und Geschmack der fertigen Backwaren werden durch erhöhte Vorteiganteile intensiviert, ohne die bekannten Nachteile zu erfahren.
Backbetriebe, die sowohl ihre Vorteige als auch die Mutterteige mithilfe des Sauerstoffverfahrens behandeln, können die o. g. Wirkungen verstärkt feststellen.
Abb. 6: Einfluss des Sauerstoffverfahrens (O2-Imprägnierung des Schüttwassers) auf die Gebäckeigenschaften (Volumen, Formstabilität, Krumenfarbe, Krumen- u. Porenstruktur) [4]
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Oxidative und reduktive Reaktionen (sog. Redox-Reaktionen) sind essentiell für einen optimalen Knetvorgang bzw. für die Teigbildung und seine Entwicklung. In diesem Zusammenhang spielt Sauerstoff O2 eine Schlüsselrolle. Sauerstoff ist jedoch schon kurz nach dem Knetvorgang weitgehend verbraucht und führt u. a. zu sehr langsamen und eher schwach ausgeprägten oxidativen Teigreaktionen. Dies ist im Verlauf der Knetung selbst sowie während der Teigbe- und -verarbeitung ersichtlich. Herkömmlich geknetete Teige benötigen daher eine Teigruhezeit, um zu entspannen bzw. um ausreichende Maschinengängigkeit zu generieren und um abzutrocknen (vermindertes Kleben). Ein neuartiges Verfahren imprägniert das Schüttwasser vor dem Knetprozess mit Sauerstoff, generiert „in statu nascendi“ spezifische Redox-Reaktionen und minimiert unerwünschte Konkurrenzreaktionen um den Sauerstoff entlang der Prozesskette. So behandelte Teige zeichnen sich u. a. durch erhöhte Maschinengängigkeiten (Richtung „stress free“), hohe Gär-Toleranzen und ein ausgeprägtes Gashaltevermögen aus (Gasblasenstabilität, -verteilung, -größe). Zusätzlich bewirkt der Sauerstoff eine erhöhte Wirksamkeit typischer Backmittel, wodurch sich ihre Menge reduzieren lässt.
Im Ergebnis werden zahlreiche Vorteile zugänglich, die die Prozess- und Produktqualität insgesamt betreffen. Das neuartige Verfahren eignet sich für alle gängigen Knetsysteme und ist leicht installier- wie bedienbar. Es erlaubt dem Backbetrieb, interessante Einsparpotenziale auf verschiedenen Ebenen zu nutzen und sich produktseitig weitergehend in Richtung „Clean Label“ zu entwickeln.
Der Autor
Dr.-Ing. Rudolf Berghoff
Carl-Von-Linde-Straße 25
85716 Unterschleißheim
E-Mail: rudolf.berghoff@linde.com
Literaturverzeichnis
[1] Jacqueline Ungar, Master’s Thesis, 2020
Hochschule Wismar, Process and Energy Technology
Entwicklung eines energieeffizienten Inline Gaslösers
für Frischwasser
[2] NFT – Northern Food Tech GmbH, 2020
Prof. Dr. Klaus Lösche
Johannisburger Str. 20, 27580 Bremerhaven
[3] Eigene Backversuche mit
Fa. BlueSens gas sensor GmbH, 2021
Snirgelskamp 25
45699 Herten
[4] ttz-Bremerhaven, Präsentationsvortrag 2006
Institute Baking and Cereal Technology
Am Lunedeich 12, 27527 Bremerhaven