Ein Jahr lang hat man in der SchapfenMühle daran gearbeitet: Jürgen Ellerkamp, Leiter Geschäftsbereich Bäckergeschäft, über die neuen Granulate, wie sie verarbeitet werden und was sie von Quellmehlen unterscheidet.
Helga Baumfalk: Herr Ellerkamp, welche Idee steckt hinter Ihrer Entwicklung?
Jürgen Ellerkamp: Wir beobachten den Markt seit Jahren und ziehen unsere Schlüsse daraus, wie die Arbeit der Bäcker in der Zukunft aussehen kann und wie wir diese Arbeit erleichtern können. Das haben wir mit unseren gepufften Produkten bereits erreicht, indem wir den Kochprozess von Körnern vorwegnehmen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen wir mit den Granulaten. In diesem Fall liegt die Idee darin, die Kochstücke zu ersetzen. Kochprozesse sind zeit- und energieaufwendig, der Platz in den Betrieben muss da sein und sie binden Mitarbeiter, angesichts des Personalmangels ist das sicherlich das größte Problem. Mit unserer Entwicklung kann der Kochprozess aus den Bäckereien herausgezogen werden. Stattdessen steht den Bäckern ein Produkt zur Verfügung, das binnen 15 Minuten in der Teigherstellung weiterverarbeitet werden kann.
„Wir nutzen einen rein physikalischen Prozess, Druck plus Temperatur, das ist letztlich alles.“
Jürgen Ellerkamp, Leiter Geschäftsbereich Bäckergeschäft
Baumfalk: Verändert die Zugabe die Backzeiten oder andere Verfahrensparameter?
Ellerkamp: Die Abläufe sind wie bei einem Standardprozess. Die einzige Abweichung: die Zugabe des Quellstücks. Der Bäcker stellt das Quellstück im Verhältnis 1:5 her und muss beim Hauptteig natürlich die Wasserschüttung anpassen. Die Aufarbeitung bleibt gleich und auch das Backverfahren. Übrigens kann man das Quellstück auch mehrere Stunden oder Tage stehen lassen, bevor man es verarbeitet.
Baumfalk: Sie sagen, die Granulate nehmen viel Wasser auf. Haben sie im Teig noch Biss oder lösen sie sich vollständig auf?
Ellerkamp: Sie lösen sich auf. Und das ist so gewollt. Bei den Granulaten verzichten wir bewusst auf die Sichtigkeit. An die Optik von Brot oder Brötchen wollen wir gar nicht ran. Die Bäcker sollen ein bestehendes Produkt, nehmen wir an, ein Brötchen, verbessern können, was die Saftigkeit der Krume und die Rösche anbelangt, ohne aber den kompletten Gebäcktyp zu verändern. Das ist unser Ansatz. Die Optik bleibt gleich, die Qualität wird verbessert. Wohingegen die gepufften Produkte ihren Biss behalten, was ebenfalls genauso gewollt ist.
Baumfalk: Wie werden die Granulate hergestellt?
Ellerkamp: Das Trockenprodukt, zum Beispiel ein Dinkelmehl oder ein Roggenmehl, die klassischen Mehltypen eben, werden in einen Zweiwellenextruder geführt und Wasser wird zugegeben. Im ersten Anlagenteil wird das Produkt transportiert, im zweiten durchläuft es einen Misch- und Knetprozess, der vergleichbar ist mit der Langsamknetung in der Bäckerei. Im weiteren Verlauf wird mehr und mehr Energie eingetragen, indem sich die Abstände der Schnecken verringern und sie gegeneinander laufen. Der Teig wird intensiver geknetet und Temperatur aufgebaut. Im letzten Drittel verstärken sich die Scherkräfte, der Druck nimmt weiter zu. Bis die Masse schließlich über den Auslass geführt wird und sich bei Umgebungstemperatur und Atmosphärendruck schlagartig entspannt und das Volumen dabei um das Sechsfache zunimmt. Anschließend lassen wir das Produkt nur noch abkühlen, trocknen es auf eine Restfeuchte unter 10 % und vermahlen es auf die gewünschte Größe. Wir nutzen insofern einen rein physikalischen Prozess, Druck plus Temperatur, das ist letztlich alles.
Baumfalk: Das funktioniert also wie die Herstellung von Flips oder Trockenflachbrot?
Ellerkamp: Genau. Ganz wichtig, es müssen immer stärkehaltige Produkte sein, die wir extrudieren. Das Prinzip ist, die Stärke im Extrusionsprozess zu verkleistern, das Wasser zu entziehen, später im Quellprozess wieder hinzuzugeben, Wasser zu binden und die Stärke im Backprozess erneut zu verkleistern. So holen wir den technologischen Vorteil der Frischhaltung heraus.
Baumfalk: Wie unterscheiden sich die Granulate von Flocken oder Quellmehlen?
Ellerkamp: Flocken werden gedämpft und sind insofern nicht vollständig thermisch behandelt. Zwar kann man über die Flocke Wasser binden, sie ist aber nicht komplett verkleistert und behält teilweise ihren Biss.
Im Gegensatz dazu ist die Stärke bei den Quellmehlen vollverkleistert. Wir stellen allerdings fest, dass die Stärke enzymatisch stark angreifbar ist. Würde man einem Teig zu viel eines Quellmehls hinzufügen, kommt es zu backtechnischen Schwächen im Brot, etwa bei der Krumenausbildung. Deshalb kann man mit einem Kartoffelquellmehl kein Kartoffelbrot herstellen. Diese Probleme treten mit den Granulaten nicht auf.
Baumfalk: Welche Zugabemengen empfehlen Sie?
Ellerkamp: Bleiben wir beim Beispiel Kartoffelbrot. Dieses Produkt muss gemäß den Leitsätzen nach Kartoffeln schmecken, um als Kartoffelbrot deklariert werden zu können. Hier empfehlen wir Rezepturen mit 10 % Kartoffelgranulat. Beim Maisbrot sind es 20 % Maisgranulat, weil die Leitsätze 20 % Maisanteil vorgeben. Ansonsten sind es 5 % beim Brot und 3 % beim Brötchen, immer bezogen auf die Mehlmenge.
Baumfalk: Wie kann oder muss der Bäcker sie deklarieren?
Ellerkamp: Ein Roggengranulat beispielsweise kann als solches deklariert werden oder als Roggenmehl. Beides ist richtig. Wir haben das Produkt schließlich nicht verändert.
Baumfalk: In welchen Anwendungen sehen Sie das größte Potenzial für die Produkte?
Ellerkamp: Wir registrieren, dass viele Betriebe die Qualität ihrer Backwaren voranbringen wollen. Beim Brot ist Frische bzw. Saftigkeit das Thema, bei den Brötchen die Rösche. Hier passen wir mit unseren Produkten genau hinein. In der Vergangenheit hat man Frische über Guarkernmehl erreicht. Nur, Guarkernmehl hat eine E-Nummer. Mit den Granulaten lässt sich die Frische „clean label“ in die Backware holen. Auch wichtig: die Optik von Brot und Brötchen. Bäcker sind immer auf der Suche nach Highlights und als Topping sind die Granulate ein Hingucker. Was die Kosten anbelangt, sind sie ebenfalls interessant, vor allem im Vergleich zu Ölsaaten.
Baumfalk: Planen Sie, die Range zu erweitern?
Ellerkamp: Garantiert. Ich denke, wir haben im ersten Schritt die Topseller im Markt eingeführt. Wenn die Nachfrage nach einem anderen Getreideangebot da ist, dann machen wir das. Das Potenzial für unsere Entwicklung halte ich für riesengroß.
Baumfalk: Vielen Dank für die Einblicke.