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b+b-2022-01-Hefemarkt Deutschland

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Der deutsche Hefemarkt stagniert und ist auch längst kein nationaler Markt mehr. Dominiert wird er von drei internationalen Konzernen.
Flüssighefe gewinnt an Marktbedeutung.

Allein in den Jahren 2015 bis 2020 sank die Produktion von lebenden Backhefen in Deutschland laut Statistischem Bundesamt um knapp 12 % von einst 133,5 auf 118,5 Mio. kg. Die Gründe sind vielfältig. Einer davon dürfte in der veränderten Produktionsweise vieler deutscher Bäckereien liegen. Langzeitgeführte Teige brauchen schlicht geringere Hefezugaben als Teige, denen keine Zeit zur eigenenzymatischen Entwicklung von Aroma und Triebkraft gelassen wird. Der Boom der Sauerteigbrote dürfte obendrein am Hefebedarf der Betriebe genagt haben, auch wenn längst nicht alle Bäcker sich auf den Sauerteig alleine verlassen mögen und Hefe zusetzen, aber eben weniger als früher.

Importe füllen die Lücke nicht, zumal sie seit Jahren regelmäßig deutlich unter den Exportmengen liegen. Einfuhren kommen eher sporadisch aus Osteuropa. Wachsende Rohstoffkosten, begrenzte Haltbarkeiten, Hygieneanforderungen und immer teurer werdende Logistik machen den dortigen Herstellern die Marktbeschickung schwer.

Der deutsche Außenhandelsüberschuss in Sachen Backhefen schwankte in den vergangenen Jahren um die 30 Mio. kg. Lediglich 2020 wurden „nur“ 24,7 Mio. kg mehr exportiert als importiert. Die Marktversorgung, die 2016 noch einmal einen Sprung über die 100-Mio.-kg-Grenze schaffte, fiel so 2019 auf unter 90 Mio. kg und erholte sich 2020 wieder auf 93,6 Mio. kg. Viel höher dürfte der Bedarf der deutschen Backbranche auch kaum wieder steigen. In den Vor-Corona-
Jahren 2017 und 2018 lag das inländische Marktvolumen bei 90,8 bzw. 95,7 Mio. kg.

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Gravierender noch als die Marktvolumina haben sich in den vergangenen Jahrzehnten die Strukturen der deutschen Hefeindustrie verändert. Im 20. Jahrhundert versorgten noch Dutzende Hefefabriken die Bäcker im regionalen Umfeld. 1933 gründeten allein 37 Hefehersteller ihren eigenen Verband, der enge Beziehungen mit den Bäckerinnungen pflegte. Nicht unerhebliche Überzeugungskraft dürfte dabei vom sogenannten Hefepfennig ausgegangen sein. 1935 hatte Reichsinnungsmeister Grüsser die Abgabe von je einem Pfennig pro Pfund Hefe etabliert. Das Geld ging an die Innungen und wurde für soziale Zwecke eingesetzt. Die Kontrolle war nicht immer streng und so kam es hin und wieder zu „Abzweigungen“, von denen manche auch vor Gericht landeten. Gleichwohl akzeptierten selbst die Finanzgerichte noch Mitte der 60er Jahre die Abgabe, solange sie als durchlaufender Posten in der Heferechnung der Bäcker auftauchten. Inzwischen ist der Hefepfennig Geschichte.

Mehr als die Abgabe für soziale Zwecke setzten den Hefeherstellern in den 70er Jahren die aufkommenden Anforderungen zu, die Produktionsabwässer stärker und unabhängig von den Kläranlagen der Kommunen zu reinigen. Nicht alle Hersteller konnten oder wollten die massiven Investitionen stemmen.

Eine Verteuerung der Rohstoffe drohte 2017 durch die von der EU geplante Freigabe von Melasse als Rohstoff zur Herstellung von Bioethanol bzw. durch das Auslaufen der europäischen Zuckermarktordnung. Inzwischen sind die Warnungen des Bundesverbandes der Hefehersteller vor massiven Verwerfungen der Weltmarktpreise für Melasse fast schon eine jährliche Routine. So warnte die Pressestelle Ende 2020 vor den Folgen eines Rückgangs der europäischen Rübenproduktion in den vergangenen zwei Jahren um 17 % sowie vor einem Preisanstieg für Melasseimporte im Vergleich zu 2017/18 um knapp 50 %.

Stand 2020 zählt das Statistische Bundesamt sechs Hefehersteller von Backhefe in Deutschland. Dominiert wird der Markt von drei Anbietern, die obendrein ganz oder teilweise internationalen Konzernen gehören. Weltweit die Nr. 1 ist die französische Gruppe Lesaffre, die für den westeuropäischen Markt vornehmlich in Frankreich produziert. In Deutschland läuft nach wie vor die Produktion von Asmussen-Hefe in Elmshorn, die 2009 aufgekauft wurde. In Österreich übernahm Lesaffre 2002 das Hefegeschäft der Mautner-Markhof Gruppe, an der sie zuvor bereits beteiligt war. In der Schweiz produziert sie unter Klipfel.

Global Player ist auch die kanadische Lallemand-Gruppe, die in Deutschland zunächst in einem Joint Venture aus der österreichischen Harmerhefe mit der deutschen Giegold Hefefabrik in Schwarzenbach an der Saale die Hagold Hefe GmbH mit Hauptsitz in Wien machte. Die wiederum ging 2018 mit der schweizerischen Indawisa Holding AG ein Joint Venture ein und verschwesterte sich so mit den Deutschen Hefewerken DHW zur Lallemand-DHW GmbH. Eine komplette Lallemand-Tochter ist FX Wieninger GmbH in Passau, die Spezial- sowie Bio-Backhefen produziert, Letztere für Großabnehmer auch als Flüssighefe.

Dritter im Verbund der großen Hefeanbieter und einigen Vermutungen zufolge mit leichtem Abstand größter Anbieter auf dem hiesigen Markt ist die Firma Uniferm mit Produktionsstandort in Monheim am Rhein. Das Unternehmen gehört zu 50 % der britischen ABF-Gruppe, die wiederum ihr weltweites Hefegeschäft unter AB Mauri zusammenfasst. Die andere Hälfte gehört der Familie Moormann, die inzwischen in neunter Generation in der Geschäftsleitung vertreten ist und separat von Uniferm in Weißrussland ein eigenständiges Hefewerk betreibt, das osteuropäische Märkte bedient.

Doch nicht nur das Anbieterspektrum, auch das Portfolio der Hefehersteller zeigt neue Seiten. Agrano, Tochter der Martin-Braun-Gruppe, die wiederum zum Oetker-Konzern gehört, stieg 1996 in den Hefemarkt ein, fertigt seither in Riegel am Kaiserstuhl Biohefe und etablierte damit einen neuen Markt. Den bedienen inzwischen auch Lesaffre mit der bei Klipfel in der Schweiz produzierten Marke L‘hirondelle sowie Lallemand mit FX Wieninger aus Passau.

Veränderungen gibt es obendrein bei den Darbietungs- und Verpackungsformen. Konzentration und Automatisation in der Backbranche haben das Interesse an automatisch dosierbaren flüssigen Hefen geweckt, die heute alle drei Konzerne anbieten, Lallemand auch in Bioqualität. Ein Zwischenschritt dahin war und ist Hefegranulat, das vor Ort in den Bäckereien mittels Hefeauflöser zur dosierbaren Flüssigkeit wird. Abnehmer für die Flüssighefe finden sich vorwiegend in der Backwarenindustrie. In der Regel wird die Flüssighefe einmal pro Woche per Tankwagen angeliefert. Weil der Aufwand für Hardware, Hygiene und Logistik nicht unerheblich ist, ist das bislang für Handwerksbetriebe bestenfalls eine Liebhaberlösung. Selbst wenn sie groß sind, spricht die Vielfalt der Produkte auf den einzelnen Linien häufig dagegen. Doch mit zunehmendem Bedarf, schwindendem Fachpersonal und steigendem Automatisierungsgrad wird das inzwischen zur schlichten betriebswirtschaftlichen Rechenaufgabe.

Die klassische Presshefe wird mit wenigen Ausnahmen, in denen Hefewerke noch einen eigenen Frischdienst betreiben, vom Großhandel gemeinsam mit allen anderen Frischprodukten geliefert und braucht zur Lagerung lediglich einen Kühlraum. Für den Einsatz von Flüssighefen in Handwerksbäckereien bieten sich Wechselbehälter vom Großcontainer bis zum Bag-in-the-Box an. Die Triebkraft liegt gleichauf mit der Presshefe, sodass keine große Umgewöhnung nötig ist. Größere Wechselcontainer haben den Charme, dass sie sich in automatische Systeme zur Rohstoffdosierung einklinken lassen. All das hat den Anteil der Flüssighefe in der deutschen Backbranche inzwischen kräftig steigen lassen. Ihr Anteil wird von Marktteilnehmern auf 25 bis 30 % geschätzt.