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b+b-2021-06-Mit grünem Wasserstoff Backöfen heizen

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Im AMF Tromp Innovation Center im niederländischen Gorinchem präsentiert AMF Bakery Systems Backöfen, die mit Wasserstoff geheizt werden.

Energie wird teurer und der Druck, auf umweltfreundliche, klimaschonende Varianten umzusteigen, wächst. Zu den Favoriten gehört grüner Wasserstoff (siehe Kasten). Als erster Ofenbauer stellt die AMF-Tromp-Den Boer-Gruppe in ihrem Innovationszentrum in Gorinchem die Anwendung nachhaltig erzeugter Energie in einem modularen Multibake® VITATunnel-Ofen vor. In Gorinchem ist man überzeugt, dass angesichts der Tatsache, dass viele Bäckereien Erdgas für ihre Öfen verwenden, ein anderer Gastyp wie Wasserstoff eine einfache Umstellung für sie bedeuten würde.

Entscheidend wird die Frage sein, woher der Wasserstoff bezogen werden kann. Große Netze befinden sich derzeit noch im Projektstadium. Anfang dieses Jahres haben RWE, Uniper und Bosch Großprojekte zur Wasserstoffforschung angekündigt, während die Initiative European Hydrogen Backbone (EHB) ein Wasserstoffnetz von 39.700 km bis 2040 vorschlägt, das langfristig weiter ausgebaut werden kann. Die deutsche Regierung wiederum hat 52 Millionen Euro für die Wasserstoffforschung bereitgestellt. Mit Wind- oder Sonnenenergie betriebene Elektrolyseursysteme gibt es außerdem in vielen Formen und Größen, um grünen Wasserstoff vor Ort oder in Produktionsstätten zu erzeugen. Mögliche Lösungen sind darüber hinaus die Zusammenarbeit von Unternehmen, um einen Elektrolyseur zu betreiben, oder die Beauftragung eines Unternehmens, das den Wasserstoff vor Ort produziert und zu den Backbetrieben transportiert. Es ist zu erwarten, dass die Politik dafür dezidierte Subventionspläne entwickelt.

Die EU hat über Hydrogen Europe viele Initiativen gestartet, in denen Hersteller, Anwender, Regierungen und Lobbyisten zusammenkommen, um eine neue, nachhaltige Zukunft in Europa und darüber hinaus aufzubauen. AMF Bakery Systems ist Teil von Hydrogen Europe.

Wasserstoff-Farbenlehre

Wasserstoff lässt sich auf verschiedene Arten gewinnen, die sich u. a. durch ihren Ressourcenaufwand und ihre Umweltverträglichkeit unterscheiden. Zur Unterscheidung werden Farben assoziiert.

Grau bedeutet, dass Erdgas unter Hitze (Dampfreformierung) in Wasserstoff und CO2 umgewandelt wird. Das CO2 geht in die Atmosphäre.

Wasserstoff ist blau gekennzeichnet, wenn das bei der Dampfreformierung entstehende CO2 durch industrielle Kohlenstoffabscheidung und -speicherung aufgefangen und unterirdisch gespeichert wird (85–95 %).

Grün hingegen bedeutet, dass diese Art von Wasserstoff durch die Spaltung von Wasser mittels Elektrolyse erzeugt wird; es handelt sich um klimaneutralen Wasserstoff. Dabei entstehen nur Wasserstoff und Sauerstoff, ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt. Voraussetzung ist, dass die Elektrolyse mit erneuerbaren Energiequellen wie Wind- oder Sonnenenergie betrieben werden kann, sodass auch bei der Erzeugung der eingesetzten Energie keine CO2-Emissionen entstehen.

Bereits heute kann AMF Wasserstoff mit Erdgas mischen und so die CO2-Emissionen der Öfen um etwa 30 % senken, ohne die aktuelle Brennerkonstruktion zu ändern. „Es sei darauf hingewiesen, dass die kürzlich gelieferten, direkt gasbefeuerten Öfen von Den Boer H2-READY sind und innerhalb weniger Tage auf die Verwendung von Wasserstoffbrennern umgerüstet werden können“, so die Ingenieure.

Die Verbrennung von Wasserstoff in einem Backofen sei in gewisser Weise mit Erdgas und Propan vergleichbar. Aber wenn man ihn nachhaltig nutzen will, müsse man es richtig und sicher machen. „Bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht bei sehr hohen Temperaturen Wasser oder sogar Dampf, der im Inneren des Ofens verbleibt und zirkuliert, was perfekt zum Backen ist. Viele Brot-, Pizza- und Kuchenprodukte sehen mit ein wenig Dampf noch besser aus und schmecken auch besser“, so die Ofenbauer aus Gorinchem.

Für die Entwicklung des wasserstofftauglichen Brenners wurden zunächst kleine Versuche im Labormaßstab durchgeführt. Ein Mini-Tunnelofen war der nächste Schritt, nachdem die Machbarkeit mit den Pilotversuchen nachgewiesen worden war. Derzeit zeigt AMF in seinem niederländischen Innovationszentrum einen funktionierenden, mit Wasserstoff betriebenen Produktionsofen in voller Größe, auf dem von Brot über Pizza bis hin zu Fladenbrot und Brötchen in einem Ofen auf Stein ein breites Sortiment gebacken wird.

Grundsätzlich sind alle AMF-Ofenmodelle aus den letzten Jahren H2-fähig. Die Wasserstoffheizung kann bei bestehenden Ofenmodellen nachgerüstet werden. Was dabei zu tun ist, wird von Fall zu Fall entschieden, da viele Öfen in der Produktion kundenspezifisch konstruiert wurden. Die meisten Erdgas-/Propanbrenner in den Öfen von Den Boer können jedoch je nach Größe des Ofens innerhalb weniger Tage durch neue Wasserstoffbrennersysteme und Software ersetzt werden: Ober-, Unter- und Vorheizbrenner können alle auf Wasserstoffbetrieb umgestellt werden. „Kombinierte, hybride Modelle, bei denen nur ein Teil mit Wasserstoff betrieben wird, sind ebenfalls eine Option, um die ersten Schritte in Richtung eines nachhaltigeren Backens zu machen“, so die Ofenbauer.
Das Modell, das sich nach Ansicht der Fachleute am besten für die Umsetzung der Wasserstoffverbrennungstechnologie eignet, ist der direkt befeuerte Den Boer Multibake-D. Grund dafür ist, dass die Brenner das Produkt bzw. das Ofenband direkt erhitzen, so wie es die Blaubrenner bei der Befeuerung mit Erdgas tun. Das ermögliche eine zuverlässige, einstellbare Wärmeübertragung von unten und oben. Die Wärmeübertragung von den Verbrennungsgasen der Brenner auf das Produkt erfolge außerdem direkt und ohne Übertragungsverluste.

f2m-bub-21-06-h2-technologie -Hydrogen Oven

Die Wartung eines mit Wasserstoff geheizten Backofens unterscheide sich grundsätzlich nicht von der eines anderen und auch die Anwendung der Smart Oven App, die nach Hersteller-
angaben zu Einsparungen von bis zu 30 % führen kann, sei möglich.

Das von AMF Den Boer angemeldete Patent für die Verbrennung von Wasserstoff in Backöfen wird voraussichtlich Anfang 2022 erteilt werden.