Ab Februar 2022 wird Therese Mölk erstmals grünen Wasserstoff (H2) zur thermischen Verwertung bzw. zum Backen von Brot einsetzen. Die Bäckerei-Tochter des österreichischen Lebensmittelhändlers MPREIS dürfte damit weltweit absolutes Neuland betreten.
Das Ziel von Therese Mölk ist nichts Geringeres als die Dekarbonisierung der Brotherstellung. „Wir wollen unsere Backwaren ohne die Verbrennung von fossilen Energieträgern erzeugen und so nicht nur zeigen, dass das geht, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagt Mag. Ewald Perwög, der bei MPREIS das Geschäftsfeld „Sustainable Energy Solutions“ leitet und die Wasserstoff-Initiative, an der das Unternehmen seit sechs Jahren arbeitet, maßgeblich vorangetrieben hat.
Im März 2021 gab es die Grundsteinlegung für das „Herzstück“ des Projekts – die Elektrolyseanlage, die den grünen Wasserstoff liefern soll. Inzwischen sind die Bauarbeiten abgeschlossen. Perwög: „Wir befinden uns gerade in der Inbetriebnahme-Phase. Im Februar 2022 planen wir die Erzeugung des ersten Wasserstoffes. Gleich darauf wird der Wasserstoff erstmals zur thermischen Verwertung bzw. zum Backen verwendet. Die H2-Tankstelle für unsere Logistikflotte wird gerade errichtet und soll in KW14/22 in Betrieb genommen werden. Dann werden die ersten drei Logistik-Lkws mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb in Betrieb gehen.“
Spatenstich für die Wasserstoff-Anlage mit (v.l.) Ernst Fleischhacker (Green Energy Center), Peter Paul Mölk und Julia Mölk (beide MPREIS), LHStv Josef Geisler, Stefanie Graber (Bäckerei Therese Mölk), Erich Ruetz (Bürgermeister von Völs) und ganz rechts Ewald Perwög (MPREIS Sustainable Energy Solutions)
Wenn die Anlage läuft, werden die acht Öfen von Therese Mölk mittels eines Thermalöl-Verbunds mit thermischer Energie versorgt. „Wenn wir in unserem H2-Brenner Wasserstoff in thermische Energie umsetzen, werden alle Öfen, die Wärme brauchen, mit CO2-freier Wärme aus grünem Wasserstoff versorgt“, so der Projektleiter. Er erklärt weiter: „Die Umsetzung von Wasserstoff in thermische Energie erfolgt in unserem Projekt mit einem innovativen Zweistoff-Brenner, der H2 und Erdgas verbrennen und zwischen diesen Medien im Betrieb umschalten kann. Wir betreiben mehrere Brenner/Kessel. Die neue Brenner/Kessel-Kombination soll in unserem Verbund ,den Lead‘ übernehmen und wird nicht von unserem Ofenbauer geliefert. Die steuerungstechnische Integration in die bestehende, kaskadierte Brenner/Kessel- Betriebsführung wird mit unserem Ofenbauer umgesetzt. Deshalb beziehen sich die notwendigen Absprachen mit dem Ofenbauer lediglich auf Adaptionsarbeiten zur Integration unseres innovativen Zweistoff-Brenners in unseren Kessel/Brenner-Verbund, der das Thermalöl mit Energie versorgt.“
Anpassungen an bestehende Räumlichkeiten waren nicht notwendig. Perwög: „Unser Kesselhaus ist glücklicherweise mit einer Erweiterungsfläche für einen dritten Thermalöl-
Erhitzer gebaut worden. Diesen freien Platz verwenden wir jetzt. Es gibt keine durch die Verwendung von Wasserstoff notwendig gewordenen Anpassungen an den Öfen. Die ohnedies in unserem Kesselhaus vorhandene Gaswarnanlage (CH4) wird erweitert und mit H2-Sensorik ausgestattet. Da der Zulauf von H2 zum Brenner mit einem Druck von max. 5 bar erfolgt, sind auch keine Änderungen im ExSchutz-Konzept unserer Betriebsanlage notwendig.“
„Wenn wir in unserem H2-Brenner Wasserstoff in thermische Energie umsetzen, werden alle Öfen, die Wärme brauchen, mit CO2-freier Wärme aus grünem Wasserstoff versorgt.“
Mag. Ewald Perwög, Sustainable Energy Solutions
Der Brenner ist, wie erwähnt, eine Neukonstruktion. Für Therese Mölk war es wichtig, den Backprozess unabhängig vom Vorhandensein von Wasserstoff betreiben zu können. „Deshalb wollten wir jedenfalls eine neue Brenner/Kessel-Kombination, die auch Erdgas verbrennen kann“, berichtet Perwög. „Eine Nachrüstung der bestehenden Kessel mit einem H2-Brenner ist bei uns nicht möglich, da die physikalischen Eigenschaften von CH4 und H2 in dieser Hinsicht zu unterschiedlich sind.“ Unterschiede zwischen CH4 und H2 gäbe es u. a. bei der Flammgeschwindigkeit, dem Energiegehalt und der Viskosität.
Die Nutzung des grünen Wasserstoffs für das „Betanken“ der Lkws und das Befeuern der Öfen, das soll nebeneinander laufen. Die Themen gingen Hand in Hand. In einem ersten Schritt sei das Beheizen möglich, kurz darauf soll die Tankstelle für Lkws folgen. Perwög hat außerdem Erwartungen an die Politik: „Grüner Wasserstoff ist ja deshalb ‚grün‘, weil er mittels eines CO2-freien Produktionsverfahrens (Elektrolyse) aus regenerativer Elektrizität gewonnen wird. Nun haben die Erdgaspreise in den letzten Wochen zwar eine beispiellose Preissteigerung erfahren, trotzdem ist Elektrizität immer noch ein wesentlich teurerer Energieträger. Deshalb ist es aktuell aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch nicht möglich, Erdgas mit Elektrizität zu ersetzen. Um die Dekarbonisierung auch in diesem Bereich umzusetzen, benötigen wir Regeln, die den CO2-Ausstoß von Erdgas so weit verteuern, dass grüner Wasserstoff, der mit erneuerbarer Elektrizität hergestellt wird, preislich konkurrieren kann.“
Was die Preise anbelangt, hat man bei MPREIS eine Lösung gefunden: „Wir behelfen uns damit, dass wir unsere Elektrolyseanlage am sogenannten Regelenergiemarkt vermarkten und dort sog. ‚überschüssige‘ Elektrizität aus dem Stromnetz nehmen. Diese Elektrizität ist, vom Einstandspreis her betrachtet, wesentlich billiger als der Strom, den wir regulär beziehen. Wasserstoff, der mit dieser Elektrizität erzeugt wird, kann auch kostenmäßig mit Erdgas mithalten und wird von uns dann dazu verwendet, CO2-neutral Brot zu backen.“
Für MPREIS sind die Ziele klar: „Es geht uns darum, unseren CO2-Fußabdruck als Unternehmen zu reduzieren und auf null zu bringen“, so Perwög. „Deshalb ist die Erzeugung von industrieller Prozesswärme für uns genauso wichtig wie die Substitution von Diesel als Lkw-Treibstoff. Aus unserer Sichtweise ergibt sich, dass es kein grünes CO2 gibt. Die Emission von CO2 muss vermieden werden, wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen.“
Helga Baumfalk
Die MPREIS Wasserstoff-Initiative
MPreis ist „First Mover“. Es gab nichts Vergleichbares, deshalb nahm der Lebensmittelhändler es selbst in die Hand, eine Wasserstoff-Initiative ins Leben zu rufen, mit dem Ziel, den CO2-Fußabdruck langfristig auf null zu ziehen. Für die Strategie- und Projektentwicklung holte man sich FEN Systems ins Boot, für den Stromeinkauf sowie das Stromnetz TIWAG/TINETZ und für die technische Umsetzung ILF (alle aus Österreich). Die Elektrolyse-Technologie kommt aus der Schweiz (Firma IHT).
Es ist eine PAE-Elektrolyse-Anlage (alkalische Druckelektrolyse), die auf einer Fläche von rund 1.000 m² nahe der Therese Mölk Bäckerei den Betrieb aufnehmen wird. Sie misst 9 m in der Höhe und soll aus grünem Strom (aus Wasserkraft) den grünen Wasserstoff erzeugen.
Das Investitionsvolumen für das Projekt liegt bei rund 13 Mio. EUR und wird von der Europäischen Kommission, der österreichischen Bundesregierung und der Schweizerischen Eidgenossenschaft finanziell unterstützt.
Den grünen Wasserstoff will MPREIS für Prozesswärme nutzen, um die Öfen von Therese Mölk mit CO2-freier Wärme zu versorgen, und für die Mobilität. Zunächst sollen drei H2-Lkws mit Wasserstoff an den Start gehen, nach und nach wird der gesamte Fuhrpark auf H2-Fahrzeuge umgestellt. Mit der Wasserstoff-Initiative hat MPREIS ein neues Business Case im Blick. In der Endausbaustufe wird die Elektrolyse-Anlage doppelt so viel H2 liefern können, wie das Unternehmen benötigt.