Vor 20 Jahren war Adolf Cermak mit seiner Idee der Vakuumkonditionierung ein Außenseiter der Bäckereitechnik. Inzwischen ist es ein ebenso anerkanntes wie verbreitetes Verfahren. Jetzt regelt der Gründer der Cetravac AG seine Nachfolge.
b+b: Herr Cermak, Sie haben Anfang Juli des vergangenen Jahres die Geschäftsführung der Cetravac AG neu geordnet. Carlos Sanz ist seither Geschäftsführer, seine Stellvertreterin Veronika Grebner. Warum der Wechsel und warum jetzt?
Cermak: Der Wechsel stand schon länger an. Cetravac braucht eine nachhaltige Regelung für die zukünftige Geschäftsleitung, denn auch wenn ich immer noch mit voller Begeisterung bei der Sache bin, mehren sich die Anzeichen, dass es Zeit wird für Veränderungen. Und die bewältigt man selten, indem man alles beim Alten lässt.
Veronika Grebner ist seit 2015 bei Cetravac, kennt unsere Kunden, alle unsere Zulieferer und ist bei den Mitarbeitern äußerst geschätzt und schon seit einigen Jahren meine rechte Hand. Carlos Sanz hat 17 Jahre Erfahrungen im Vertrieb für die backende Branche und weitere 8 Jahre in der kaufmännischen Geschäftsleitung und Betriebsleitung eines mittelständischen Bäckereiunternehmens mit rund 500 Mitarbeitern. Er verfügt somit über einen tiefen betriebswirtschaftlichen, produktionstechnischen und organisatorischen Einblick in die Gesamtstrukturen einer Bäckerei. Das ist sehr hilfreich bei der Entwicklung neuer Anlagen und Konzepte.
b+b: Und Sie verabschieden sich endgültig?
Cermak: Ich selber verschwinde nicht von der Bildfläche, bleibe als Präsident des Verwaltungsrates (Aufsichtsrat) und in einigen wenigen Bereichen wie dem Verkauf teilaktiv. Ich freue mich darauf, dass ich die nun deutlich verjüngte Mannschaft noch einige Zeit unterstützen kann. Gerade in der gegenwärtigen Zeit bilden wir drei aufgrund sich ergänzender Erfahrungen und Fähigkeiten eine außergewöhnlich glückliche Konstellation.
Adolf Cermak
Gründer und bisher CEO der Cetravac AG, Präsident des Verwaltungsrates
b+b: Seit Sie 2000 die erste Anwendung in der Backbranche möglich machten, sind eine ganze Reihe von zum Teil großen Maschinenbauern auf den Zug aufgesprungen. Dennoch ist Cetravac so etwas wie der ungekürte Markt- und Technologieführer der Vakuumtechnologie, vor allem im Geschäft mit Filialisten. Worauf führen Sie das zurück?
Cermak: Es genügt offensichtlich nicht, ein guter Maschinenbauer zu sein, um die Vakuumtechnologie für den Kunden erfolgreich umzusetzen. Unser Erfolg ist das Ergebnis einer systematischen Entwicklung sowohl der spezifischen Bäckereitechnologie wie des Anlagenbaus. Wir haben sehr gezielt mit den besten Fachleuten aus beiden Disziplinen gearbeitet und immer wieder optimale Lösungen für jeden einzelnen Betrieb, seine Produkte und seine Abläufe gefunden. Das war und ist immer noch eine Fleißaufgabe, aber eine, die sich für jeden einzelnen Kunden und nicht zuletzt für uns auszahlt.
b+b: War das der Grund, warum vor sechs, acht Jahren der Knoten platzte und viele führende Filialisten seither in Vakuumkonditionierung investieren?
Cermak: Ich glaube, dass Aldi, Lidl und Co unsere Steigbügelhalter waren. Erst deren massiver Einbruch in die bis dahin heile Welt der Handwerksbäcker hat zu einem Rechtfertigungsdruck geführt. Es ging plötzlich darum, zu rechtfertigen, warum das Brötchen vom Bäcker zwei- oder dreimal so teuer sein muss wie das vom backenden LEH. Unsere Kunden haben mit einer längeren Rösche, einer längeren Frische und einem viel schöneren, stabilen Volumen die glaubwürdige Antwort. Die Qualität unserer Anlagen, Stichwort 10 Jahre Garantie, der überdurchschnittliche Aufwand, den wir betreiben, um unsere Kunden anwendungstechnisch zu unterstützen, sowie unsere Konzentration auf Vakuumkonditionieren und Vakuumbacken und nichts anderes haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Der Markt fordert Qualität und Frische nicht nur morgens, sondern den ganzen Tag über. Gleichzeitig geht es um Logistik, Lagerkosten und ganz allgemein um Wirtschaftlichkeit.
b+b: Können Sie präzisieren, wo und wie Filialisten die Technologie im Produktionsprozess einsetzen?
Cermak: Die meisten Filialisten setzen die Vakuumkonditionierung für die Chargen ein, mit denen morgens die Filialen bestückt werden. Die Ware bleibt lange kross und frisch, das Personal muss nicht Stunden vor Ladenöffnung antreten, um die Anfangsausstattung aufzubacken, die Logistik läuft entspannter und die Kosten sinken drastisch. Außerdem kann durch eine weitere unserer Erfindungen (NBO = No Bake Off-Produkte) ein wesentlicher Teil der Nachtarbeit in den Tag verlegt werden, was nicht nur Kosten spart, sondern auch hilft, das Arbeitsklima und damit die Loyalität der Mitarbeiter deutlich zu verbessern.
Sanz: Diese Vorteile sind es übrigens auch, die viele kleinere Filialisten gegenwärtig über Vakuumkonditionierung nachdenken lassen.
b+b: Die Optimierung der morgendlichen Filialbelieferung ist ein Aspekt für eine Investition in Vakuumanlagen. Welche Voraussetzungen muss ein Betrieb eigentlich mitbringen, um so eine Optimierung auch tatsächlich umsetzen zu können?
Sanz: Die wichtigste Voraussetzung ist der Wille und die Bereitschaft, gewachsene und traditionelle Strukturen und Arbeitsweisen ernsthaft zu hinterfragen, um am Ende durch den Einsatz neuer Technologien einen Beitrag zur deutlichen Verbesserung der Kundenzufriedenheit zu leisten, und somit einen Wettbewerbsvorteil zu bringen, der zusätzlich Mehrumsatz und Mehrertrag generiert.
Carlos Sanz (54)
hat 17 Jahre Vertriebserfahrung als Vertriebsleiter in der Rohmassenherstellung für die backende Branche und weitere 8 Jahre in der kaufmännischen Geschäfts- und Betriebsleitung eines mittelständischen Bäckereiunternehmens mit rund 500 Mitarbeitern. Seit Juli 2020 ist er Geschäftsführer der Cetravac AG.
b+b: In welchen Betrieben, für welche Produkte und welche Verfahrensschritte sehen Sie gegenwärtig weitere Einsatzmöglichkeiten für die Vakuumkonditionierung?
Sanz: Die Einsatzmöglichkeiten der Vakuumkonditionierung sind vielfältig. Wir konnten unsere Anlagen bei Herstellern von Sushi platzieren, die den gekochten Reis (z. B. 600-kg-Chargen) in 20 Minuten auf unter 20 °C abkühlen. Für alle Produkte, die Wasser enthalten, in Wasser gekocht und auch im Wasser gekühlt werden können, ist Vakuumkühlung der schnellste und produktschonendste Prozess.
b+b: Wie sieht es mit den Einsatzmöglichkeiten in der Backwarenindustrie aus?
Cermak: Die in den letzten Jahren rasante Entwicklung von Cetravac war nur mit Hilfe des Handwerks möglich. Da sind die Entscheidungswege kürzer, der Gesprächspartner ist fast immer der Unternehmer.
Dass die industriellen Bäcker sich eher zögernd für die neue Technologie interessieren, liegt sicher daran, dass die Einbindung einer Vakuumanlage in eine Produktionslinie einen erheblichen Investitionsaufwand fordert. Das macht die Entscheidungsfindung für manche langwieriger. Wir haben aber bei großen Handwerksbäckern erfolgreich Anlagen in kontinuierliche Prozesse integriert und bemerken auch dafür ein deutlich steigendes Interesse.
Veronika Grebner (30)
ist CFO und Leiterin der Administration und seit Juli 2020 zudem stellvertretende Geschäftsführerin der Cetravac AG. Ihre Karriere im Unternehmen begann sie 2015. Davor sammelte sie bereits einige Jahre Berufserfahrung im kaufmännischen Bereich und machte eine Weiterbildung im Bereich Finanzen, sowie Betriebs- und Personalführung.
b+b: Wie sieht es darüber hinaus aus? An welchen Entwicklungen arbeiten Sie?
Sanz: Wir haben spannende Themen im Fokus: Anlagen mit automatischen Hubtüren. Duch diese Erfindung von uns verringert sich die Aufstellfläche um etwa 50 %.
Weiter ist ein Einstiegsmodell – die sogenannte XS Anlage – in der Entwicklung, die auch den kleinen Betrieben mit nur wenigen Filialen den Einstieg in die Vakuumtechnik ermöglichen wird – sowohl von der Größe her, wie auch vom Preis.
Cermak: Nicht zuletzt haben wir vor einigen Wochen das erste Gerät einer sogenannten Null-Serie, einen Umluft-Vakuumbackofen für 6 Bleche, ausgeliefert. Zusammen mit einem Snack-Ofen, der in atemberaubenden 100 Sekunden eine TK-Pizza in den verzehrfertigen Zustand bringt, ist das die Basis für eine Serie von Geräten, die das Backen im Laden und im Snackgeschäft neu definieren werden.
Vakuumkonditionierung mit Hubtüren
b+b: Herr Sanz, was qualifiziert Sie für Ihren neuen Job und was hat Sie an der Aufgabe als neuer CEO von Cetravac gereizt bzw. welche Ziele haben Sie sich bzw. für das Unternehmen gesteckt?
Sanz: Punkt 1: Ich weiß, wovon ich rede. Aufgrund meiner langjährigen Verantwortung in der kaufmännischen Geschäfts- und Betriebsleitung eines mittelständischen Bäckereiunternehmens war ich tagtäglich mit diesen Themen konfrontiert. Ich habe mir damals in vielen Jahren mit arbeitsreichen Nachtschichten, Wochenenden und Feiertagen ein beträchtliches Praxiswissen und somit einen Erfahrungsschatz angeeignet, den ich heute bei Cetravac in die Entwicklung von neuen Konzepten gezielt einbringen kann. Auch die Tatsache, dass wir in diesem Betrieb sehr früh auf die Cetravac-Technologie gesetzt haben, bringt mir einen immensen Wissensvorsprung.
Punkt 2: Ich bin von dieser Technik und den damit verbundenen unglaublichen Möglichkeiten der Kosteneinsparung und der gleichzeitigen deutlichen Qualitätsverbesserung der Produkte so stark überzeugt, dass ich die Pionierarbeit von Herrn Cermak weiterführen kann und will.
Ich bin der Überzeugung, dass die Bäckereien in Zukunft noch stärker auf ihre Kostenstrukturen eingehen müssen, um konkurrenzfähig und wirtschaftlich zu bleiben. Gleichzeitig gilt es aber auch, die Produkte qualitativ auf die nächste Ebene zu bringen, um sich von Mitbewerbern abzuheben. Der Markt verändert sich. Nicht zuletzt durch die Corona-Krise werden sich Warenströme und Einkaufsverhalten ändern. Der Kunde fordert Qualität und Frische den ganzen Tag, und das mit ökologisch hergestellten Produkten zu fairen Preisen. Die Bäcker müssen es schaffen, optimal frische Ware zu jeder Tageszeit mit reduziertem Fehlbestandsrisiko bei gleichzeitig reduzierten Retouren, Lohn-, Energie- und Logistikkosten zu verbinden. Nur so haben sie die ultimative Möglichkeit, ihre Kundenzufriedenheit, ihren Umsatz, ihr Image und natürlich ihren Gewinn ins nächste Level zu führen. Wir haben mit unserer Vakuumkonditionierung die Lösung für diese Kombination.
Punkt 3: Unser Ziel ist es, dem Kunden ein Gesamtkonzept auch über die Vakuumkonditionierung hinaus zu bieten und bei der Umsetzung zur Seite zu stehen. Aufgrund der Tatsache, dass es immer schwieriger wird, geeignetes Fachpersonal zu bekommen, beschäftigen wir uns derzeit intensiv mit der Thematik Automatisierung/Robotik für mittlere und kleinere Betriebe. Wie können wir unsere Vakuumtechnik mit den Automatisierungstechniken und -standards der großen Automobilhersteller auf das Handwerk mit seinen vielfältigen, kleinen Prozessen herunterbrechen, um weitere Potenziale durch die Automatisierung von einfachen Arbeitsabläufen, in denen wenig Fachwissen notwendig ist, auszuschöpfen? Dazu haben wir uns mit sehr erfahrenen Partnern zusammengetan, die bereits erfolgreich in der Automobilindustrie Produktionsprozesse vollautomatisiert haben. In Verbindung mit unserer Schwester „bakeXperts“ können wir unseren Kunden und jenen, die es werden wollen, ein Gesamtkonzept bieten, das seinesgleichen sucht.
b+b: Herr Cermak, Herr Sanz, herzlichen Dank für das Gespräch.