Die Schweizer Detailhändlerin Coop hat eine vollautomatisierte Holzofenetagenbackanlage in Betrieb genommen. Bei der Installation mussten die Konstrukteure von Werner & Pfleiderer Lebensmitteltechnik besondere Herausforderungen meistern.
Holzofenbrot liegt voll im Trend – auch bei den Kunden der Schweizer Detailhändlerin Coop in der Schweiz. Um die stetig steigende Nachfrage nach rustikalen, kräftig ausgebackenen Broten mit ihrem einzigartigen Geschmack bedienen zu können, investiert die Genossenschaft in die Modernisierung und den Ausbau ihrer Bäckereistandorte. Werner & Pfleiderer Lebensmitteltechnik (WP-L) erhielt den Auftrag, eine vollautomatische direkt-befeuerte Ofenanlage zu bauen. Angesichts der baulichen Gegebenheiten am Coop-Standort Castione im südschweizerischen Tessin waren dabei besondere Aufgaben zu erfüllen.
In ihren eigenen Bäckereien kombiniert Coop hohe handwerkliche Backkunst mit modernster Backtechnik, um ein breites Sortiment an qualitativ hochwertigen Backwaren herzustellen. Als die Detailhändlerin ihre Produktion neu ausrichtete, stellte sie auch an die technische Ausstattung hohe Qualitätsmaßstäbe und beauftragte WP-L mit der Planung, dem Bau und der Inbetriebnahme einer vollautomatischen direkt-befeuerten Ofenanlage. Diese besteht aus 18 Etagendecks der WP PELLADOR-Serie inklusive der benötigten Belader- und Transporttechnik. Es ist die zweite Anlage, die Coop besitzt, und die größte, die WP je gebaut hat. Der Anlagenbauer aus dem mittelfränkischen Dinkelsbühl ist auf Ofentechnik für die Backbranche spezialisiert und zählt zu den Marktführern auf diesem Gebiet.
Sonderkonstruktion überwindet neun Meter Höhe
Neben der enormen Kapazität der Anlage, deren Backfläche 65 m2 umfasst, stellte sich den Konstrukteuren von WP eine weitere Herausforderung: die bauliche Gegebenheit. Die Bäckerei liegt im ersten Stock der Produktionshalle und die bestehende Baustatik war nicht für das Gewicht der massiven Öfen ausgelegt. Ein neuer Anbau im Erdgeschoss war die Lösung, die allerdings anspruchsvoll umzusetzen war. Die im Neubau untergebrachte Backtechnik musste mit einer verfahrbaren Beladeranlage über zwei Stockwerke mit insgesamt neun Meter Höhe an die Teigaufbereitung angebunden werden, die zudem durch eine Feuerschutzwand abgetrennt ist. Möglich machte das eine Sonderkonstruktion des seit 1992 weltweit am Markt erhältlichen Etagenofenbeladers WP OBER Pro.
Die im Neubau untergebrachte Backtechnik musste mit einer verfahrbaren Beladeranlage über zwei Stockwerke mit insgesamt neun Meter Höhe an die Teigaufbereitung angebunden werden
Die Holzofen-Backanlage besteht aus 18 Etagendecks der WP PELLADOR-Serie inklusive der benötigten Belader- und Transporttechnik
Vollautomatische Beschickung aus der Bäckerei in die im abgetrennten Anbau befindliche Holzofenbackanlage
Rückansicht der Anlage mit Pelletbrennern, Steuerung und automatischem Pelletzuführungssystem
„Wir hatten eine klare Vorstellung über die Leistungsfähigkeit, den limitierten Platzbedarf und die besondere Spezifikation der Holzofen-Backanlage für unsere mehr als 20 Spezialitäten, wie das Bio-Vollkornbrot oder den Bio-Butterzopf. Das Team von WP, das aus Ingenieuren, Automatisierungstechnikern und Backmeistern im Werk und vor Ort bestand, hat uns jederzeit mit Rat und Tat bestens unterstützt. Dadurch erhielten wir eine genau unseren Wünschen entsprechende Anlage, die termingerecht im Februar 2020 in Betrieb ging und seitdem zu unserer vollen Zufriedenheit läuft“, lautet das Fazit von Simon Oeschger, Leiter Fachbereich Technik und verantwortlich für die Projektkoordination bei Coop.
Coop nutzt die Holzofen-Backanlage u. a. für die Schweizer Bürli und ihren speziellen Butterzopf
Vollautomatische Anlage spart Bedienern Zeit
Das Prinzip des traditionsreichen Holzbackofens, bei dem der Backraum direkt mit Holz befeuert wird, hat WP zu einem hochmodernen System mit Holzpellets-Brennern weiterentwickelt, das eine CO2-neutrale Befeuerung und rationelle Abläufe in den Backstuben ermöglicht. „Die Holzback-Produktionsetagenöfen WP PELLADOR werden mit modernen, energiesparenden Industriebrennen befeuert, wobei jede Etage jeweils mit zwei SPS-gesteuerten Pelletbrennern ausgestattet ist. Die Verbrennung der Pellets erfolgt weitgehend rückstandsfrei und etwaige Verbrennungsrückstände – die Asche – werden zudem vor jedem Beschickungsvorgang mittels eines speziellen Saugers entfernt.
Gebacken wird klassisch mit fallender Temperatur, wobei die individuelle Rezept- bzw. Produktverwaltung und die Ofen- und Beladersteuerung über die integrierte SIEMENS S7 Gesamtanlagensteuerung erfolgt“, erklärt Dr. Christoph Adams, Technischer Direktor bei WP. Die Anlage erkennt für jedes im Backprozess befindliche Produkt dessen Status einschließlich der Ausbackzeit und steuert alle Abläufe vollautomatisch. Dadurch braucht der Bediener die Anlage nur noch zu überwachen und gewinnt Zeit für andere Aufgaben.
Beschickt wird die Anlage mit gegarten Teiglingen, die sich auf Kunststoff-Gärdielen (Peel-Boards) in Stikkenwagen befinden. Derzeit wird pro Stunde mit knapp 100 Peel-Boards gefahren, die je nach Produkt mit bis zu zwölf Teiglingen belegt sind. In einer automatischen Übergabeanlage werden sie von den Peel-Boards in einem Zug „abgekrabbelt“ und der Etagenofenbeladeranlage zugeführt. Alternativ lässt die Anlage auch eine konventionelle Handbeschickung für Sonderprodukte zu, wie den 3 kg schweren Butterzopf. Nach Ende der Backzeit fährt die Beladeranlage zum Ausbacken das entsprechende Deck an, entlädt die Backkammer und transportiert die fertiggebackenen Produkte zur nachgelagerten Kühlung.
Holzofenbrot aus dem WP Pellador
Backen im Holzofen ist eine altüberlieferte Technik. Was genau man unter einem Holzofenbrot versteht, ist beispielsweise in den „Leitsätzen für Brot und Kleingebäck des Deutschen Lebensmittelbuches“ vom 31.01.1994 definiert. Demnach wird „Holzofenbrot freigeschoben und in direkt befeuerten Öfen hergestellt, deren Backräume aus steinernem oder steinartigem Material bestehen. Das Heizmaterial befindet sich dabei im Backraum. Es wird nur naturbelassenes Holz als Heizmaterial verwendet“. Alle Anforderungen erfüllt der Holzbackofen WP PELLADOR.
Der Abbrand von Holz verläuft, unabhängig von seiner Form als Holzstück, Pressling oder Hackgut, immer nach den gleichen physikalisch-chemischen Grundsätzen der Holzverbrennung. Zunächst erfolgt eine Aufheizung, wobei der noch im Holz vorhandene Restwassergehalt verdampft. Daran schließt sich die pyrolytische (thermische) Zersetzung der Holzmasse in gasförmige und brennbare Produkte mit ca. 85 % an. Die zurückbleibende Holzkohle wird dann durch ausreichende Sauerstoffzugabe (Oxidation) nahezu vollständig und rückstandsfrei verbrannt.
Das typische Aroma
Im WP PELLADOR treten während der Abbrandmechanismen die flüchtigen Bestandteile aus dem Inneren des Brennstoffs aus, zünden und verbrennen außerhalb des Brennstoffs bei einer Temperatur oberhalb 800 °C – in der Regel zwischen 1.000 bis 1.200 °C – vollständig. Die dabei produzierte Wärmeenergie wird der thermischen Speichermasse Schamotte zugeführt, die sich durch eine hohe Energiespeicherfähigkeit (Wärmekapazität) auszeichnet. Dadurch kann direkt nach dem Ende des Verbrennungsvorgangs der Backprozess mit den dafür notwendigen Temperaturen starten. Der eigentliche Backvorgang erfolgt schonend in einer Wärmestrahlungshülle, die von den Schamottesteinen ausgeht, im Backraum des WP PELLADOR, und zwar mit Einfluss der leicht flüchtigen Aromastoffe. Diese verleihen den Backwaren das typische Holzofenaroma – ein unverkennbarer Geschmack, der viele Kunden begeistert.
Autor
Dipl.-Wirtschaftsingenieur Jörg A. Lauer, Manager Projektvertrieb Werner & Pfleiderer Lebensmitteltechnik (WP-L), Dinkelsbühl