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b+b-2020-01-Eine Insolvenz als strategische Option

Vielen gilt die Insolvenz als Synonym für unternehmerisches Scheitern. Das trifft schon lange nicht mehr zu. Mit dem Gesetz zur erleichterten Sanierung von Unternehmen (ESUG) hat der Gesetzgeber die Insolvenz, zumindest in Eigenverwaltung, von diesem Dogma befreit.

Die jährlich insgesamt circa 20.000 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland haben schmerzliche Auswirkungen auf die hiesige Volkswirtschaft: Arbeitnehmer verlieren ihre Jobs, Geschäftspartner ihren Lieferanten oder Abnehmer und der Unternehmer oft nicht nur sein Unternehmen, sondern häufig seine wirtschaftliche Existenz. Gerade den mittelständischen Unternehmer im Bäckerhandwerk trifft dies dann besonders hart. Wer seinen Betrieb mit viel Zeit, Engagement und Herzblut aufgebaut hat und viel Geld in Mitarbeiter, Modernisierungen und Filialausbau investiert hat, steht am Ende mit leeren Händen da. Der Unternehmer verliert bei einer Insolvenz oftmals nicht nur sein Unternehmen, sondern auch sein ganzes Vermögen und seine persönliche Altersversorgung, weil er die Kredite mit persönlichen Bürgschaften abgesichert hat. Und wenn noch etwas übrig bleibt, nimmt ihn der Insolvenzverwalter aus Insolvenzverschleppungshaftung oder unerlaubten Zahlungen in der Krise persönlich in Anspruch. Die rechtzeitige Einleitung einer Insolvenz in Eigenverwaltung kann das verhindern.

Neuer Impuls durch Reform der Insolvenzordnung

Auch wenn immer noch sehr viele Unternehmen in einer Regelinsolvenz liquidiert, zerschlagen oder verkauft werden, ist seit einigen Jahren ein Umdenken zu bemerken. Früher galt die Insolvenz als der unumstößliche Ausdruck des Scheiterns der handelnden Personen. Heute richtet sich der Blick zunehmend auf die Chancen. Dazu beigetragen hat die Reform des Insolvenzrechts im Jahr 2012. Durch das sogenannte „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) ist es möglich, ein angeschlagenes Unternehmen unter dem Schutz der Insolvenzordnung zu retten, seine Zerschlagung zu verhindern und es damit dem Unternehmer zu erhalten.

Viele Fallstricke in der Krise

Das Problem dabei: Immer noch meiden viele Unternehmen ein gerichtliches Verfahren und melden erst Insolvenz an, wenn auch die letzten finanziellen Reserven erschöpft sind. Untersuchungen zeigen, dass zudem rund zwei Drittel der Geschäftsführer die Insolvenz um fast ein Jahr verschleppen. Damit verstoßen sie gegen geltendes Recht, machen sich strafbar und riskieren zivilrechtliche Haftungsinanspruchnahmen durch den Insolvenzverwalter, die zum Verlust ihres gesamten Vermögens führen können. Auch überstürzt eingereichte Insolvenzanträge reduzieren die Überlebenschancen des Unternehmens. Denn diese Anträge enthalten dann oft unvollständige oder unrichtige Angaben und treiben den Unternehmer damit in gefährliche Haftungsfallen.

Checkliste:

Die häufigsten Fehler in der Unternehmenskrise
+ Kämpfen bis zur allerletzten Minute
+ Systematische Insolvenzverschleppung
+ Vermögensübertragung auf dritte Personen
+ Insolvenzantrag ohne Konzept und Strategie
+ Unrichtige und unvollständige Angaben im Insolvenzantrag
+ Alleingang in die Insolvenz ohne professionelle Begleitung

Wie funktioniert eine Eigenverwaltung?

Dabei sind die Aussichten durchaus gut: Nutzt der Unternehmer die Insolvenz in Eigenverwaltung konsequent als unternehmensstrategische Option, ist es möglich, den Betrieb – und damit die eigene wirtschaftliche Existenz, Arbeitsplätze und Geld der Gläubiger – zu retten.

Zentraler Aspekt des Eigenverwaltungsverfahrens: Es handelt sich um ein Insolvenzverfahren ohne Insolvenzverwalter. Ein sogenannter Sachwalter übt in diesem Falle die gerichtliche Kontrolle aus. Die bisherige Geschäftsführung bleibt aber unverändert im Amt. Der Unternehmer muss dabei also nicht „das Ruder aus der Hand geben“. In der Praxis hat sich aber bewährt, dass ein erfahrener Sanierungsgeschäftsführer (ein sogenannter CRO) das Unternehmen durch das Verfahren begleitet. Dieser scheidet nach erfolgreichem Verfahrensabschluss wieder aus. Die für die Sanierung notwendige Liquidität kann zumeist ohne die Unterstützung von Banken generiert werden. Möglich ist dies u. a. durch das Insolvenzgeld, vereinfachte Möglichkeiten zur Kündigung von Verträgen (etwa für Pacht, Leasing, Finanzierung usw.) sowie diverse steuerliche Effekte (siehe „Checkliste: Bausteine zur Liquiditätsgewinnung in einer Sanierung unter Insolvenzschutz“). Am Ende des Verfahrens steht ein Sanierungsplan, der die Entschuldung des Unternehmens sowie die Befriedigung gesicherter und ungesicherter Gläubiger regelt. Diesem Plan müssen die Gläubiger zustimmen.

Checkliste:

Bausteine zur Liquiditätsgewinnung in einer Sanierung unter Insolvenzschutz
Ein Eigenverwaltungsverfahren bietet eine Vielzahl von Effekten zum Liquiditätsaufbau:
+ Für die Dauer von bis zu drei Monaten werden sämtliche Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgeldes von der Bundesagentur für Arbeit übernommen, das im Rahmen des Insolvenzplans nur quotal zurückzuzahlen ist.
+ Nach Antragstellung und bis zur Eröffnung geleistete Zahlungen an Sozialkassen und Finanzamt (z. B. Umsatzsteuerzahllast, Lohnsteuer) können im Wege der Anfechtung zurückgefordert werden.
+ Die Kündigungsfristen sind bei allen Dauerschuldverhältnissen – unabhängig von der Restlaufzeit – auf maximal drei Monate begrenzt. Auf diese Weise kann sich das Unternehmen vergleichsweise leicht aus ungünstigen Liefer-, Leasing- und Mietverträgen, Darlehensverträgen sowie von verlustreichen Kundenaufträgen befreien.
+ Ungesicherte Altverbindlichkeiten (auch Pensionsverpflichtungen) werden nur mit der Insolvenzplanquote bedient. Der Rest der Forderungen gilt als erlassen.
+ Während des Verfahrens ist das Unternehmen vor Eingriffen der Gläubiger geschützt.

Erfolgsmodell Eigenverwaltung

Das ESUG darf als Erfolg bezeichnet werden. Rund 2.000 Unternehmen haben seit 2012 ein Eigenverwaltungsverfahren im Rahmen des ESUG betrieben. Insgesamt nutzten 2018 etwa 250 insolvenzgefährdete Unternehmen in Deutschland diese Option zur Sanierung. Diese Quote erscheint nur auf den ersten Blick relativ gering, denn bei den meisten Unternehmensinsolvenzen handelt es sich um Kleinstbetriebe, für die das Eigenverwaltungsverfahren (meist) zu aufwendig wäre. Der Anteil der Insolvenzen in Eigenverwaltungen nimmt mit steigenden Umsatz- und steigenden Mitarbeiterzahlen hingegen stetig zu. Eine Statistik der juristischen Fachzeitschrift JUVE belegt, dass zuletzt etwa 30 der 50 größten Verfahren jährlich als Eigenverwaltungsverfahren geführt wurden. Dies geschieht im Einklang mit den Gläubigern – die durchschnittliche Quote in Insolvenzplanverfahren liegt deutlich über zehn Prozent. Zum Vergleich: Laut Statistischem Bundesamt liegt die durchschnittliche Quote in Regelinsolvenzverfahren gerade einmal bei unter drei Prozent.

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Robert Buchalik ist Rechtsanwalt seit 1983 und Geschäftsführer der Wirtschaftskanzlei und des Beratungsunternehmens Buchalik Brömmekamp aus Düsseldorf, sowie Vorsitzender des Bundesverbandes ESUG.
Website: www.buchalik-broemmekamp.de