Je genauer der Absatz von Backwaren vorherbestimmt werden kann, desto geringer die Retourenverluste. Die Bäckerei Geiping setzt auf selbstlernende Software, um die Retourenquote nach unten zu schieben, und erfährt außerdem, welche Umsatzchancen ungenutzt blieben.
Seitdem Geiping die selbstlernende Software einsetzt, hat sich manches verändert. Die Retourenquote sank um 2–3 Prozentpunkte, viel wichtiger aber: Die Software hilft, bei 220 verschiedenen Backwaren die wachsende Komplexität zu beherrschen, Daten entscheiden im Bestellwesen, nicht das Bauchgefühl. Mehr Klarheit im und über das Sortiment hat sich eingespielt. Allerdings, der genaue finanzielle Nutzen lässt sich nur schwer beziffern.
Damit das Analysetool funktioniert, ist Datendisziplin eine der Voraussetzungen, ein zentral organisiertes Bestellsystem eine andere. Für Geiping keine Hürde. „Vor vier Jahren haben wir unser Bestellmanagement zentralisiert“, sagt Volker Hollenberg, der als Verkaufsleiter im Unternehmen der „Herr der Zahlen“ ist und die Schnittstelle zwischen Verkauf und Backstube. „Wir haben damals zu Fuß umgestellt“, berichtet er, „noch ohne Controlling-IT.“ Man habe erkannt, dass man aus der Zentrale mit der EDV im Rücken deutlich treffender agieren könne als aus den Filialen heraus. Das sei durchaus ein Kulturwechsel gewesen und habe Fingerspitzengefühl benötigt. Schließlich wollte man den Filialverantwortlichen nicht das Gefühl geben, sozusagen „entmündigt“ zu werden. Einen Einfluss auf Bestellungen haben sie deshalb behalten. Mit der Umstellung ergab sich ein weiterer Effekt: Je Filiale konnte ½ Stunde Arbeitszeit eingespart werden, bei 46 Standorten also 23 Stunden pro Tag.
Die Produktion bei Geiping braucht bei einigen wenigen Produkten 2 Tage Vorlaufzeit. Um Bestellungen bestmöglich auszulösen, hatte man sich schnell auf die Suche nach geeigneter Software gemacht. „Von der Vorstellung, dass es ein vollautomatisiertes Prognose-Tool gibt, haben wir uns früh verabschiedet.“ Es sei, zumindest Stand heute, nicht realisierbar, ist sich Volker Hollenberg sicher. FoodTracks arbeite anders. „Es ist ein Empfehlungstool, quasi eine Zwischenstufe, die uns im Bestellwesen unterstützt, Bestellungen aber nicht automatisiert.“
Kuchen gehören zu den Signaturbackwaren von Geiping. Damit der Kunde „sieht, was drin ist“, lässt sich das Unternehmen von einem örtlichen Metallbauer eine Kuchenbrücke aus Edelstahl anfertigen, die über das Blech gelegt wird
Bäckerei Geiping in Lüdinghausen
Die Bäckerei W. Geiping GmbH & Co KG, die federführend von Michael Geiping in 4. Familiengeneration geleitet wird, firmiert seit 1998 am Stammsitz in der Julius-Maggi-Straße in Lüdinghausen. Mit rund 500 Mitarbeitern produziert das Unternehmen an 7 Tagen die Woche bis zu 220 verschiedene Backwaren. Brot sowie Snacks (belegte Brötchen, Fladenbrote oder Flute etc.), die zentral in der eigenen Snackküche hergestellt werden, gehören genauso zu den Wachstumsträgern wie Konditoreiwaren und Kuchen. 23 Standorte der insgesamt 47 Filialen (im Umkreis von rund 45 km) sind Bäckerei-Cafés, weitere fünf werden als Gastro-Standorte geführt, u. a. mit Salatbar, frischer Pizzaherstellung vor Ort und einem Sonntags-Frühstücksbuffet. Neben den eigenen Filialen beliefert Geiping B2B-Kunden wie Krankenhäuser, Kantinen und Restaurants. Pro Jahr erwirtschaftet das Unternehmen rund 25 bis 30 Mio. EUR.
Umgang mit Retouren
Neben den eigentlichen Filialen betreibt Geiping vier Vortagsläden. Über sie wird ein Großteil der Ware aus den Filialen am Folgetag zum halben Preis verkauft. Was dann noch übrig bleibt, stellt die Bäckerei den kommunalen Tafeln zur Verfügung. Was diese wiederum nicht abnehmen, nutzt ein örtlicher Landwirt als Tierfutter.
Über dieses Auslaufband wird der vollautomatische Etagenofen entleert
Vier von insgesamt acht Miwe-Umluftöfen
Die Versandhalle, von hier aus werden die Backwaren für die Filialen mit Unterstützung eines EDV-gesteuerten Verteilsystems kommissioniert
Wie Geiping mit dem Analysetool arbeitet
Zum einen informiert FoodTracks (genauer das Modul „Filial Tuning“) die Mitarbeiter in der zentralen Kundenbetreuung aktiv über Auffälligkeiten. Aktiv heißt, per E-Mail erfahren sie täglich, in welcher Filiale, welcher Artikel in welcher Höhe einen Retourenverlust am Vortag erzeugt hat oder andersherum, bei welchen Artikeln wo eine Umsatzchance verpasst wurde. Empfehlungen, was das für künftige Bestellungen heißt, werden mitgeliefert. Eine solche Empfehlung kann z. B. lauten: „In Filiale XY am kommenden Sonntag bitte Croissants prüfen.“ Alle Daten, die FoodTracks für seine Analyse braucht, zieht es sich bei der Bäckerei Geiping aus dem Warenwirtschaftssystem Marvin von Goecom.
Zum anderen erstellt das Tool Filialrankings, sortiert nach Umsatz in EUR. Aus diesen Rankings picken sich die Mitarbeiter in der Zentrale jeweils die fünf Top- und Flop-Filialen (also jene mit den größten Retouren) heraus und werten sie aus. Wie hat sich die Filiale in den letzten sechs Wochen entwickelt? Wie je Wochentag, je Warengruppe, je Artikel? Das alles kostet Zeit. Zwei Mitarbeiter und zwei Azubis arbeiten täglich jeweils zwei Stunden mit FoodTracks. Weil das System nicht alle Effekte berücksichtigen kann, ist auch eine händische Sachprüfung eingebunden. Z. B. könnte eine Filiale deshalb im Ranking zurückfallen, weil eine Baustelle die Kunden vom Einkauf abhält. Auch das Wetter fließt (noch) nicht als Algorithmus ein. Eine Wenn-dann-Beziehung zwischen Wetterprognose und Kaufverhalten sei ebenso kompliziert wie standortabhängig, so Hollenberg. Wetterdaten werden in den FoodTracks-Grafiken aber als Information mit gelistet. Nach Auswertung und Sachprüfung wird schließlich die Bestellung pro Filiale für den entsprechenden Wochentag durch die Zentrale erstellt. Sie wird einmal wöchentlich (donnerstags) den Filialen zum finalen Check-up geliefert und ggf. nachjustiert.
Der jüngste Flagship-Store ging im Sommer 2019 in Lüdinghausen an den Start
Die nächsten Schritte
An der Entwicklung von „Filial Tuning“ war die Bäckerei Geiping maßgeblich beteiligt. „Wir haben einen Anforderungskatalog erstellt, wie und welche Daten eine solche Controlling-Lösung unserer Meinung nach liefern sollte. FoodTracks entwickelte, wir besserten nach, FoodTracks entwickelte, wir besserten nach. Das lief wochenlang so, bis ein handfestes Ergebnis stand“, berichtet Volker Hollenberg. Den nächsten Schritt sieht er in der Entwicklung von Bestellempfehlungen, die sich in echten Zahlen ausdrücken. Außerdem: „Eines unserer Ziele wäre, eine Mitarbeiter-Einsatzplanung anhand zu erwartender Umsätze vornehmen zu können. Im ersten Schritt benötigen wir also Umsatzprognosen.“ Genau daran arbeitet der Softwareentwickler derzeit und schickt erste Test-Prognosen, die, so Hollenberg, schon ziemlich nahe dran liegen an der Realität.
Was ist FoodTracks?
FoodTracks ist eine cloudbasierte, intelligente Con-trolling-Lösung für Bäckereien. Seit März 2019 nutzt die Bäckerei Geiping die Module „Umsatz & Kunden“ für das Filialcontrolling sowie das „Filial Tuning“ für das Bestellwesen. „Filial Tuning“ zeigt an, bei welchen Filial-
Artikel-Wochentag-Kombinationen die Bestellung entweder reduziert oder erhöht werden sollte. Kernstück des Tools ist ein Ranking in EUR der größten Retourenverluste und der größten Umsatzchancen. Die „Umsatzchance“ ist eine neuartige Kennzahl, bei der der Algorithmus bei Nullretoure schätzt, wie viele Artikel noch hätten verkauft werden können. Die Zahl kann mit dem Verkaufspreis multipliziert und die fehlende Ware als EUR-Wert dargestellt werden.
In der Sendereihe „plan b“ berichtete Ende 2019 das ZDF über den Einsatz von FoodTracks bei Geiping. Den TV-Bericht (einen Ausschnitt) finden Sie unter: www.foodtracks.de
Ein Beispiel einer FoodTracks-Auswertung, es zeigt ein Ranking der größten Umsatzchancen