Ohmic Heating oder zu Deutsch „Ohmsches Erhitzen“ ist ein Verfahren, bei dem ein Produkt wie ein Widerstand in einen Stromkreis eingebunden wird. Es erhitzt sich dabei. An der BOKU in Wien wird die Technologie beim Backen von Brot, speziell von glutenfreiem Brot, getestet.
Bislang wird das Ohmsche Erhitzen in der Lebensmittelindustrie vorwiegend zum Sterilisieren etc. eingesetzt. Das funktioniert sekundenschnell, hängt aber von verschiedenen Produkteigenschaften ab, u. a. vom Wasser- und Salzgehalt, dem pH-Wert etc. An der BOKU in Wien (Universität für Bodenkultur, University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna) hat sich ein Forscherteam mit der Frage beschäftigt, ob es Sinn macht, damit Brot, speziell glutenfreies Brot zu backen. Ein Interview mit Regine Schönlechner und Denisse Bender.
Hildegard M. Keil: Was hat Sie bzw. Ihre Forschungsgruppe dazu bewegt, diese Heiztechnik auf Brot anzuwenden, das in aller Regel während des Backens einen Prozess durchläuft, den Ofentrieb, der Teil der Struktur- und Krusten-entwicklung ist? Was könnten die Vorteile des Ohmschen Erhitzens im Vergleich zu Wärmeübertragung durch Kontakt oder Konvektion sein?
BOKU: Glutenfreie Teige benötigen einen höheren Wassergehalt im Vergleich zu weizenhaltigen Teigen und sind damit für Bäckereien schon allein aufgrund dieser unterschiedlichen Textur eine Herausforderung: flüssiger/pumpfähiger Teig (ähnlich Kuchenteig) für glutenfreie Teige im Vergleich zu festen, „freistehenden“ Teigen für Weizenteige.
Gerade diese pumpfähige, flüssigere Teigbeschaffenheit ist aber ideale Voraussetzung für Ohmsches Backen. Wir haben das daher ganz spontan in einem einfachen Versuch getestet, und schon dieser erste Versuch hat uns in Erstaunen versetzt: Das Volumen der so erhitzten glutenfreien Brote war um ein Vielfaches größer als das derselben im konventionellen Backofen gebackenen Brote. Daher haben wir in weiterer Folge daran gearbeitet, die Parameter (Leistung, Zeit usw.) genauer zu bestimmen.
Einer der Vorteile des Ohmschen Erhitzens ist, dass der Teig sich volumetrisch erhitzt. Die Wärmeverteilung ist innerhalb des Brotes gleich (es gibt nur minimale Temperaturunterschiede innerhalb des Produktes) und der Backprozess wird beschleunigt.
Ohmsches Erhitzen eines Teigstückes zwischen zwei Elektroden in einer Ohmschen Backform
Keil: Bei Ihrer jüngsten Untersuchung haben Sie sich auf die Herstellung von glutenfreien Broten auf Basis von Buchweizenmehl und Stärke konzentriert. Was war die Idee dahinter?
BOKU: Die meisten glutenfreien Brote, die es am Markt gibt, basieren auf sehr stärkereichen Rohstoffen bzw. reiner Stärke und sind daher relativ arm an Ballaststoffen, Mineralien und Vitaminen. Unser Ziel in der Erforschung von glutenfreien Produkten war es immer, diese nährstoffreicher zu gestalten. Die Verwendung von Vollkornmehlen bzw. die Verwendung von nährstoffreichen glutenfreien Mehlen bieten dazu eine gute Möglichkeit. Mehle von Pseudogetreide (Amarant, Quinoa und Buchweizen) oder Hirsearten sind dafür gute Beispiele, alle diese haben wir untersucht. Da Buchweizenmehl auch bei uns heimisch ist, haben wir für viele Versuche diesem Mehl den Vorzug gegeben.
Keil: Wenn ich das richtig verstanden habe, bestand der Backprozess aus drei Stufen, bei denen die Hitze schrittweise reduziert wurde. Könnten Sie uns erklären, worin die Vorteile gegenüber einer einzigen gleichbleibenden Erhitzung lagen?
BOKU: Die stufenweise Reduktion der Stromleistung (nicht der Hitze!) ist notwendig, da sonst die Teige/Brote im Ohmschen Backofen verbrennen würden. Der erste hohe Leistungsschritt ist der eigentliche Backschritt: In wenigen Sekunden wird eine Teigtemperatur von über 90 °C erreicht, das Brot ist durchgebacken, der Teig expandiert, die Brotkrume ausgebildet. Allerdings ist nach diesen wenigen Sekunden die Brotkrume noch etwas zu feucht; vor allem an den Rändern (an den Kontaktzonen mit der Backform) ist der Wassergehalt noch zu hoch bzw. die Brotkrume noch zu feucht. Hier ist noch weitere Erhitzung notwendig, allerdings muss gleichzeitig das Verbrennen verhindert werden. Diese Optimierung war eine der größten Herausforderungen und ist uns durch eine schrittweise Reduktion der Leistung gelungen.
Keil: Wie lange dauert so ein Backprozess und in welchem Ausmaß hängt das von Gewicht und Volumen des Teiges ab?
BOKU: Insgesamt dauert der gesamte Backprozess zwischen 25 Sekunden und 2 Minuten. Abhängig ist das vor allem vom Wassergehalt. Gewicht und Volumen haben kaum Einfluss auf die Backzeit, solange man die Gesamtmenge der Energie, die durch den Teig fließt, gleich hält. Das heißt, wenn man das Gewicht des Teiges erhöhen möchte, bräuchte man nur die Leistung anzupassen/zu erhöhen, um auf eine gleiche Backzeit zu kommen.
Keil: Wie haben sich im Backprozess Volumen, Farbe, Struktur und Krumenfeuchte der Brote entwickelt?
BOKU: Durch die Anwendung des Ohmschen Erhitzungsverfahrens hat sich sehr rasch (in etwa 30 s bis 2 min) eine Krumenstruktur ausgebildet. Das finale Brotvolumen dabei war größer als bei jenen Broten, die im konventionellen Backofen gebacken wurden. Die Krume war sehr locker, und durch etwas längeres Halten bei niedrigerem Energieeinsatz auch trocken. D. h., die Brote waren nach sehr kurzer Zeit genussfertig. Im Unterschied zu konventionell gebackenem Brot erhält das gebackene Brot allerdings keine Kruste.
Kruste und Krume eines glutenfreien Buchweizenbrotes, gebacken mit Ohmschem Erhitzen (links) und mittels konventionellem Backen (rechts)
Keil: Kann man auf irgendeine Weise eine Maillard-Reaktion und damit eine übliche Kruste erzeugen?
BOKU: Die Kruste kann beispielsweise durch kurze Infrarotbestrahlung im Nachhinein erzeugt werden. Alternativ könnten die Brote auch kurz in den Backofen geschoben werden.
Keil: Hat der Prozess Auswirkungen auf die Fähigkeit, Wasser zu binden, und damit auf den Frischeeindruck bzw. die Retrogradation der Brote?
BOKU: Die Brote, die mittels Ohmic Baking hergestellt werden, sind unglaublich locker und saftig. Genaue Studien über die Haltbarkeit und Lagerfähigkeit der Brote müssen aber erst noch durchgeführt werden.
Keil: Haben Sie einen optimalen Backprozess definieren können respektive einen kompletten optimalen Produktionsprozess?
BOKU: Durch zahlreiche Versuche ist es uns gelungen, einen Ablauf des Ohmschen Backens festzulegen, bei dem die Brote optimal durchgebacken waren, ohne zu verbrennen.
Keil: Wie schätzen Sie den Vergleich der Wärmeübertragung durch Ohmsches Erhitzen respektive Kontakt/Konvektion mit Blick auf die Kosten ein?
BOKU: Während des Backprozesses wird mindestens 50 % weniger Energie als bei einem konventionellen Backprozess verbraucht. Außerdem braucht das Ohmsche Erhitzen kein Vorwärmen, wie beim üblichen Backofen, der mindestens 15 Minuten braucht, um die Backtemperatur (180 °C) zu erreichen.
Keil: Lassen sich die Ergebnisse auf alle glutenfreien Produkte übertragen, egal auf welcher Rohstoffbasis?
BOKU: Grundsätzlich ist dieser Prozess auf alle Teige bzw. Massen anwendbar, die eine ähnliche Rezeptur aufweisen, d. h. ausreichende Fluidität und Viskosität (hauptsächlich definiert durch Wassergehalt). Wichtig ist eine ausreichende Leitfähigkeit der Masse, welche aber durch eine Salzbeigabe von mindestens 0,5 % (auf Mehl bezogen) gewährleistet ist. Brote enthalten üblicherweise mindestens 1,5 % Salz.
Keil: Vielen Dank für unser Gespräch.