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b+b-2019-05-Die Sicht der BGN

Wie beurteilt die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) das Gefährdungspotenzial enzymhaltiger Backgrundstoffe? Wir haben nachgefragt. Dr. med. Roger Kühn, Facharzt für Arbeitsmedizin bei der BGN, mit einer Einschätzung aus arbeitsmedizinischer Sicht.

Einschätzung des Gefährdungspotenzials

In der Backwarenproduktion werden viele verschiedene Enzyme wie z. B. alpha-Amylase, Glucoamylase oder Cellulase verwendet. Sie sind in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen und Konzentrationen in Backmitteln und anderen Backgrundstoffen sowie in Backfertigmischungen vorhanden.

Die Wirkung ist aus medizinischer Sicht zweierlei:
+ Einerseits sind Backenzyme atemwegssensibilisierende Gefahrstoffe, d. h., sie sind nicht selten Mitauslöser bzw. Verstärker eines sogenannten allergischen Asthmas (Bäckerasthma). Bei atemwegssensibilisierenden Stoffen ist laut ArbMedVV eine Angebotsvorsorge indiziert.
+ Andererseits sind Backenzyme zusätzlich für alle Mitarbeiter (inkl. Nichtallergikern) irritativ-toxisch, d. h., sie sind auf der nichtallergischen Ebene stark reizend und entzündungsfördernd. Sie können (Mit-)Auslöser einer nichtallergischen obstruktiven Atemwegserkrankung sein.

Fazit: Backmittel- und Enzymstäube haben insbesondere aus pulmologischer* Sicht ein erhebliches Gefährdungspotenzial, zumal die „alveolengängige“** Feinstaubfraktion im Vergleich zu anderen Backstäuben (z. B. Mehl) oft relativ hoch ist.

Präventive Maßnahmen

Natürlich sind bezüglich Backenzymen/Backmitteln die betrieblichen Situationen in industriellen Großbetrieben und in handwerklichen Bäckereien sehr unterschiedlich. Allgemein gilt aufgrund des Gefährdungspotenzials bei Enzymstäuben/Backmittelstäuben immer das Minimierungsgebot und das STOP-Prinzip im Arbeitsschutz, das heißt hier: die Vermeidung von Staub- oder Aerosolbildung in der Backwarenproduktion.

Dies gilt in besonderer Weise für den ständigen/häufigen Umgang mit konzentrierten Backmitteln in Pulverform (z. B. Auffüllen einer Komponentenanlage, Mischung usw.). Geschlossene Systeme sind immer vorzuziehen. Wenn ein offener Umgang bei der Verarbeitung nicht vermieden werden kann, sollte eine geeignete Absaugung/Belüftung vorhanden sein und das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Halbmasken) ist Mindeststandard.

Weitere Beispiele für technische Maßnahmen in der Backwarenproduktion:
+ Die Zugabe von Backmitteln bei der Teigherstellung sollte möglichst immer in granulierter, flüssiger oder pastöser Form erfolgen, damit die Atemluft nicht mit Backmittelstaub verunreinigt wird (Substitution von (alveolengängigen) Enzymstäuben)
+ Ist dies nicht möglich, sollten sämtliche technische Maßnahmen und staubarme Arbeitstechniken angewendet werden (z. B. geringe Fallhöhe bei der Zugabe/beim Einwiegen, kein Ausschütteln von Säcken, Doppelschlitzmethode bei Sackeinfüllen, Verwendung von Müllerschaufel mit staubarmer Eingabe usw. – siehe auch ASI 8.80 der BGN zu staubarmen Arbeitstechniken)
+ Sicherstellung der sogenannten Schwarz/Weiß-Trennung, d. h. die Verhinderung der Verschleppung von Enzymstäuben in den Privatbereich (z. B. durch Doppelspind, geteilten Kleiderspind, Umkleideräume mit Duschen usw.)
+ Staubvermeidung bei Reinigungsarbeiten, z. B. durch Verwendung von Staubsaugern mit geeigneten Feinstaubfiltern sowie Benutzung von persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Halbmasken)

Fazit: Die Vermeidung (Minimierung) von Backmittel- und Enzymstäuben in der Backwarenproduktion ist (neben der Mehlstaubvermeidung) aus pulmologischer Sicht eines der wichtigsten Ziele der Generalprävention im Betrieb.

* Lungenheilkunde (Quelle: www.pschyrembel.de)
** der einatembare Staub, der so fein ist, dass er bis in die kleinsten Verzweigungen der Lunge (Alveolen, Lungenbläschen) vordringen kann (A-Staub). (Quelle: www.dguv.de/staub-info/index.jsp)

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— Dr. med. Roger Kühn ist Facharzt für Arbeitsmedizin, Allgemeinmedizin und Anästhesiologie

Literaturhinweise

+ Sensibilisierende Stoffe für die Atemwege. TRBA/TRGS. 406: www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/TRGS-TRBA-406.html
+ IFA-Report 1/2016, Gefahrstoffliste 2016: https://publika
tionen.dguv.de/dguv/pdf/10002/rep0116.pdf (DGUV-Report, Seite 339)
+ ASI 8.80 „Vermeidung von Bäckasthma“: https://medien.bgn.de/index.php?catalog=asi_8-80 (BGN, ASI 8.80 zu staubarmen Arbeitstechniken in Bäckereien)