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b+b-2019-04-Es geht ans Eingemachte

Die Mitgliederbefragung des Zentralverbandes ist ausgewertet. Der Vorstand hat dazu Beschlüsse und Vorschläge verfasst. Man muss kein Hellseher sein, um einen Kampf zwischen Traditionalisten und Modernisten vorherzusagen.

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat rund 7.000 Innungsmitglieder durch ein Team externer Profis per Fragebogen um ihre Meinung gebeten. Geantwortet haben 13,6 %, was eine vergleichsweise hohe Rücklaufquote bedeutet. Rund 60 % der Antwortenden waren dem Organisationsverbund aus Innungen, Landesinnungsverbänden und Zentralverband als Ehrenamtsträger verbunden. Parallel lief eine deutlich abgespeckte Meinungsumfrage unter 4.700 Nicht-Innungsmitgliedern im Backgewerbe, von denen 5,7 % ihre Meinung kundtaten. Im Folgenden berichten wir über die Mitgliederbefragung.

Die Auswertung durch das Befragungsteam ergab eine Abnahme der gefühlten Bindung an die Standesorganisation von der lokalen Ebene bis zur Bundesebene. Ein durchaus erwartbares Ergebnis, „die da in Berlin“ sind halt ein bisschen weiter weg.

Aufhorchen lässt eher der relativ hohe Anteil von Innungsmitgliedern mit geringer Bindung, ob mit oder ohne Zufriedenheit. Dort, wo der Kontakt eigentlich am engsten sein sollte, bei den Innungen, sind es immerhin 41 % der Mitglieder, die keine Bindung empfinden, bei den Landesinnungsverbänden (LIV) 48 %, beim Zentralverband (ZV) 72 %. Gefragt wurden die Innungsmitglieder, die üblicherweise bislang keine Direktmitglieder der LIVs und im ZV nur indirekt über die LIVs vertreten sind. Für Präsident Michael Wippler und Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider offenbart das in erster Linie eine mangelnde Kommunikation über die Leistungen der Organisation, die oft im Detail liegt. Als Beispiel nannte Wippler den Bäckerbus, den viele Bäcker noch nicht erlebt haben, und deshalb wird er als unwichtig angesehen, wohingegen jene, die die Anziehungskraft des Busses speziell auf Kinder und junge Verbraucher bereits erlebt haben, darauf schwören.

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Aus- und Weiterbildung sind o.k. Öffentlichkeitsarbeit, Vertretung gegenüber Politik und Verwaltung eher nicht.

Die Charts, in denen die Antworten der Innungsmitglieder über Wichtigkeit und Zufriedenheit mit den Leistungen von Innung, LIV und ZV abgebildet sind, zeigen deutlich, wie sich das Anforderungsprofil der Betriebe gewandelt hat. Der soziale Zusammenhalt mit anderen Innungsmitgliedern – in den Charts Innung und LIV „Gemeinsame Aktivitäten“ genannt – hat deutlich an Attraktivität verloren. Sowohl der Bedeutung wie der Zufriedenheit nach liegt es auf beiden Ebenen im unteren Mittelfeld.

Von den Innungen werden konkrete Dienstleistungen erwartet: Gesellenprüfung, Betreuung der Lehrlingsausbildung, Beratung bei betrieblichen Problemen und Öffentlichkeitsarbeit für einzelne Mitgliedsbetriebe. Bei den ersten drei Punkten kommen die Standesvertreter vor Ort noch einigermaßen glimpflich davon, bei der Öffentlichkeitsarbeit für die Betriebe verfehlen die Innungen hingegen ganz deutlich die Erwartungen ihrer Mitglieder. Übertroffen wird das nur noch von der politischen Interessenvertretung auf lokaler Ebene, also im Fall von Straßenbaumaßnahmen etc.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Beurteilung der Landesinnungsverbände durch die Innungsbetriebe. Die kriegen gute Noten für die Meisterkurse und Fachschulen bzw. bei der überbetrieblichen Ausbildung, enttäuschen aber bei der politischen Interessenvertretung auf Landesebene und in der Tarifpolitik.

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In beiden Fällen zeigt sich, dass die konkrete Aus- und Weiterbildungsarbeit geschätzt wird und man sich sogar einen Ausbau der Hilfe in Personalfragen wünscht, etwa in Form einer Betriebs- und Stellenbörse. Die Vertretung des Handwerks gegenüber politischen Gremien, Behörden und der Öffentlichkeit im Allgemeinen ist für die Innungsmitglieder auf beiden Ebenen der Standesvertretung suboptimal. Das mag zum Teil dem Wunsch nach einem weißen Ritter entspringen, der einem die Welt schöner macht, als sie ist, ist aber ganz sicherlich auch Ausdruck professioneller oder zeitlicher Überforderung der Standesvertreter.

Veranstaltungen zu Fachthemen und die technische Beratung kriegen schlechte Noten

Einen klaren Qualitätsmangel attestieren die Innungsmitglieder den Veranstaltungen zu Fachthemen auf Innungsebene und der Beratung zu technischen Themen seitens der Landesinnungsverbände. Die Fachveranstaltungen geraten nur zu häufig zu Werbeveranstaltungen von Zulieferanten und bei der technischen Beratung braucht es gerade vor dem Hintergrund einer sich rapide verändernden Struktur der Branche eine Diskussion darüber, was ein Berater wissen und können muss, um diesen Job auszufüllen, und was man ihm bieten muss, um dies im Dienst der Standesorganisation zu tun.

Weinheim macht einen guten Job

Das Aufgabenportfolio des Zentralverbandes weicht deutlich von dem der beiden unteren Ebenen ab, insofern ist die Beurteilung nur bedingt vergleichbar. Aber auch hier fällt auf, dass bei Aus-, Fort- und Weiterbildung an der Akademie in Weinheim in der Beurteilung von Wichtigkeit und Zufriedenheit beide nahe beieinander liegen. Hingegen wird die Entwicklung von Berufsordnungen und Lehrplänen deutlich skeptischer gesehen.

Die Aktivitäten der Werbegemeinschaft werden auf einer Skala von 1 bis 5 überwiegend mit Noten zwischen 2 und 2,5 bewertet. Der angesprochene Bäckerbus kriegt sogar mehr Lob, als ihm Wichtigkeit zugesprochen wird.

Künftig direkter Infonewsletter vom ZV an die Betriebe

Deutlich an den Erwartungen der Innungsmitglieder vorbei gehen die Leistungen des Zentralverbandes in den drei wichtigsten Themen: der politischen Vertretung auf Bundes- und Europaebene, der Presse- und der Tarifpolitik. Auch die interne Kommunikation über betriebswirtschaftliche und technische Themen, Zertifizierung, Umwelt-, Energie- und Qualitätsmanagement seitens des ZV erreicht nicht das Niveau, das die Mitglieder erwarten. Das mag zum Teil daran liegen, dass bislang die Information des ZV an den LIV ging, von dort an die Innung und von dort wiederum an die Betriebe, eine Kaskade, die in der Regel viel Zeit kostet und manchmal auch Qualitätseinbußen verursacht. Künftig wird der Zentralverband einen ausschließlich den Mitgliedsbetrieben vorbehaltenen direkten Informationsweg über einen digitalen Newsletter anbieten.

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Eine Projektgruppe hat aufgrund der Ergebnisse der Mitgliederbefragung und einer Diskussionsrunde mit Innungsbetrieben und Nicht-Mitgliedern in Berlin ein Thesenpapier erarbeitet, das dem Präsidium des Zentralverbandes zugeleitet wurde. Auf dessen Vorstandssitzung im Mai wurden für sieben als strategische Handlungsfelder identifizierte Bereiche Lösungsansätze präsentiert und beschlossen.

Organisation: Die Dreistufigkeit soll bestehen bleiben, die Organisation effizienter und schlagkräftiger, Doppelarbeit vermieden werden. Innungen sollen nach Möglichkeit mindestens 30 Mitglieder haben. Gegebenenfalls werden auf Innungs- wie LIV-Ebene gemeinsame Geschäftsführungen empfohlen.
Mitgliedschaft: Direktmitgliedschaft beim Landesinnungsverband soll ebenso ermöglicht werden wie die Innungsmitgliedschaft ohne Tarifbindung, im Gegenzug erhalten die betroffenen Innungen einen Finanzausgleich. Beide Punkte sind vermutlich weniger Herzenswunsch denn Realitätsnähe, mit der auch jene Betriebe in den Kreis geholt werden sollen, die sonst draußen bleiben.
Tarifpolitik: Das Präsidium hat sich für den Erhalt der Flächentarife ausgesprochen und hofft, weiße Flecken auf der Tarifkarte schließen zu können.
Aufgabenverteilung zwischen den 3 Ebenen: Jede Ebene hat klare Verantwortungsbereiche, um effizient arbeiten zu können. Die Aufgaben der Innungen sind in der Handwerksordnung geregelt. Der Landesinnungsverband ist zuständig für Lobbyarbeit auf Landesebene sowie Rechts-und Betriebsberatung im Einzelfall. Lobbyarbeit auf Bundes- und Europaebene sowie Themen von bundesweiter Bedeutung fallen in den Verantwortungsbereich des Zentralverbandes, ebenso Musterprozesse sowie behördliche Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung.
Ehrenamt: Aufgabenverteilung zwischen Haupt- und Ehrenamt sollen überprüft werden, wobei die Entscheidungsgewalt beim Ehrenamt bleibt. Die Notwendigkeit von Gremiensitzungen soll kritisch überprüft werden. Mit diesem Punkt geht es vor allem darum, neue Ehrenamtsträger zu gewinnen, die die Vielfalt der Betriebe widerspiegeln und „ein hohes Identifikationspotential für die Gesamtbranche“ aufweisen.
Leistungsangebot: Die angebotenen Dienstleistungen sollen auf den Prüfstand, Rechts- und Betriebsberatung bei den LIV gebündelt werden.
Kommunikation: Allen Ebenen wird künftig ein einheitlicher „Baukasten“ für das Corporate Design der Standesvertreter zur Verfügung stehen. Ebenfalls zu diesem Punkt gehört der geplante Newsletter. Darüber hinaus soll möglichst viel Kommunikation elektronisch erfolgen.
Finanzierung: Der ZV wird in Abstimmung mit den LIV eine Musterbeitragsordnung für die Mitgliedsbeiträge entwickeln. Beratungsleistungen, die den üblichen Umfang überschreiten, sollen kostenpflichtig werden. Außerdem sollen die Organe die Möglichkeit haben, Leistungen in wirtschaftliche Geschäftsbetriebe wie z. B. Service-GmbHs auszugliedern. In die Diskussion einbezogen sind lediglich die Mitgliedsbeiträge. Über die Verwendung von anderen Geldern wie etwa den Erträgen aus Messen scheint man eher nicht diskutieren zu wollen.

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Aus- und Weiterbildung: Ist und bleibt wichtig.

Ein Teil der Beschlüsse, wie ein Baukasten für den Internetauftritt, kann umgehend umgesetzt werden. Andere, wie die Öffnung der Mitgliedschaft in den LIV, die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung oder auch die Zusammenlegung von Innungen, bedürfen Satzungsänderungen auf den verschiedenen Ebenen und somit Zeit. Die Mitgliederversammlung des Zentralverbandes tagt im Herbst dieses Jahres und wird dort über entsprechende Satzungsänderungen für den Zentralverband entscheiden – vermutlich nach umfangreichen Diskussionen.

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