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b+b-2019-03-VDB-CH: Am Puls der Zeit

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Mitte März lud die VDB–Schweiz zur Fachtagung nach Zürich-Regensdorf. Auf dem Programm: Fakten, Trends und Emotionen.

 Für die Fakten war Markus Brand, Analytic Consultant Retail Services von Nielsen, zuständig, der über die Veränderungen im Detailhandel referierte. Der Schweizer Detailhandel schöpft demnach rund 85 % aller Einzelhandelsumsätze ab, allerdings mit leicht sinkender Tendenz. Coop, Migros, Globus, Manor, Denner, Spar und Volg müssen sich seit 2007 mit ausländischen Discountern wie Aldi und Lidl auseinandersetzen, was zunächst recht gut gelang. Inzwischen aber liegt der Anteil der Discounter am Detailhandel bei knapp 20 % und das Preisbewusstsein der Schweizer und Schweizerinnen wächst.

Während das Einkaufsverhalten bei den Großeinkäufen am Wochenende stabil erscheint, wächst die Zahl der leicht erreichbaren Einkaufsorte für die tägliche Versorgung seit einigen Jahren deutlich. Convenience ist auch in der Schweiz ein Argument.

Das Marktvolumen der Kategorie Bäckerei im Schweizer Detailhandel (ohne Aldi und Lidl) lag 2018 bei 1.711 Mio. CHF und damit um 1 % über dem Vorjahrswert. Allerdings erleben auch die Bäckereiabteilungen der Detailhändler die Folgen der veränderten Ernährungsgewohnheiten und wachsender Außer-Haus-Verpflegung. Die Zahl der Konsumenten, die in der Bäckerei/Konditorei des Detailhandels einkaufen geht, sank von 2016 bis 2018 um rund 5 %, während die Zahl der Einkaufsakte pro Jahr und auch das durchschnittliche Ausgabenvolumen pro Einkaufsakt stabil bleibt.

Das hat unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Backwaren-Kategorien. Während Ab- und Umsatz von Großbrot seit 2016 faktisch stagnierten, konnten Kleinbrote im Detailhandel den Umsatz um 3,3 %, den Absatz um knapp 1 % steigern. Zweistellige Einbußen mussten im gleichen Zeitraum die langhaltbaren Brote im Schweizer Detailhandel (ohne Aldi und Lidl) hinnehmen.

Deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegt das Interesse der Schweizer Konsumenten an Biobackwaren.

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Neue Verbandsstrukturen sind in Arbeit

Auf die Situation der Schweizer Backbetriebe ging Reto Fries ein, Direktor der Fachschule Richemont. Nach seinen Aussagen ist der Markt stark umkämpft, der Import von Halb- und Fertigprodukten habe sich von 2000 bis 2015 um fast das Dreifache gesteigert. Der Einkaufstourismus der Schweizer Bevölkerung über die Landesgrenzen ins benachbarte EU-Ausland wachse. Gleichzeitig steige der Einfluss von Ernährungstrends, staatlichen Präventionen und Regulierungen.

Deutlich zeige sich, so Fries, ein Trend zur Filialisierung im Handwerk und eine Analyse der Zahlen zeige, dass 30 % der backenden Betriebe schlechte Zukunftsaussichten hätten.

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 Ist-Analyse – Übersicht der Gesamt-Organisation

Als Reaktion auf die Entwicklung hat der Schweizer Verband der Bäcker und Confiseure zusammen mit dem Stiftungsrat der Fachschule Richemont sowie dem Verwaltungsrat der Richemont Dienstleistungs-AG eine Diskussion über neue Verbandsstrukturen initiiert. Bislang gibt es für Verband, Fachschule und Dienstleistungs-AG getrennte Führungsgremien sowie einen Kongress und einen Zentralvorstand als übergreifendes Gremium. Darüber, wie die Strukturen verschlankt und effizienter gemacht werden können, gab es bereits im vergangenen Jahr Diskussionen in Projektgruppen sowie erste Entwürfe für Statuten, Organisations- und Kompetenzregelungen und natürlich auch über die Budgetverantwortlichkeiten. Inzwischen gibt es Vorlagen für einen Entwurf für eine Neuregelung, der eine Zusammenfassung von Verband, Fachschule und Dienstleistungsgesellschaft dergestalt vorsieht, dass alle drei einer gemeinsamen Geschäftsleitung unterstehen. Die wiederum wird von einem gemeinsamen Verwaltungsrat kontrolliert, dem auch die strategische Ausrichtung obliegt. Der Verwaltungsrat wiederum ist der Gesamtheit der Schweizer Bäcker im Rahmen einer Delegiertenversammlung verantwortlich.

Verabschiedet werden soll die neue Organisationsstruktur auf dem Kongress des Verbandes am 18. Juni dieses Jahres.

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Geplante Neuorganisation des Backgewerbes in der Schweiz

Für die Emotionen waren am Nachmittag der VDB-Tagung drei Praktiker zuständig, die als Schlusspunkt der Veranstaltung mit Andreas Seubert, Leiter Operations & Engineering der Migros-Bäckereitochter Jowa, darüber diskutierten, wer das beste Brot im Lande backt.

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Erfolg mit einem Traditionsgebäck in neuer Form: Mini-Bündner-Nusstörtli von La Conditoria aus Sedrun

Reto Schmid von La Conditoria Sedrun schilderte am eigenen Beispiel, wie sich eine Dorfbäckerei, die buchstäblich fast am Abgrund steht, mit der fantasievollen Modifikation einer regionalen Spezialität die eigene Zukunft sichern kann. Schmid backt Bündner Nusstörtchen im Pralinenformat und verkauft sie heute erfolgreich rund um den Globus. Meta Hiltebrand schließlich demonstrierte eindrucksvoll, wie aus einer Person ein fernsehweit bekanntes Markenprodukt wird, bei dem nicht die Orientierung am Gast, sondern die Markenpflege im Vordergrund steht. Daniel Amrein von der Bäckerei „Eigenbrötler“ aus Wauwil, pochte auf sein Recht, wann und was zu backen, wie es ihm gefalle und nicht so, was irgendwer von ihm verlange. Er mache Brot aus Überzeugung und die Qualität überzeuge die Menschen.

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Podiumsdiskussion „Wer backt das beste Brot“ mit Daniel Amrein, Reto Schmid (La Conditoria), Promiköchin Meta Hiltebrand und Andreas Seubert von der Jowa AG (v. r.). Im Kreis: Brot vom „Eigenbrötler“: Daniel Amrein