Mit rund 120 Teilnehmern war die 8. Frühjahrstagung des Weihenstephaner Instituts für Getreideforschung (WIG) in Freising wieder ausgebucht und ein voller Erfolg.
Vom 26. bis zum 27. März trafen sich ca. 120 Vertreter der Backbranche, um sich über neueste Forschungsergebnisse aus den Bereichen Rohstoffe und Anlagenbau zu informieren. Geladen zur 8. Frühjahrstagung hatte das WIG.
Ca. 120 Vertreter der Backbranche diskutierten bei der 8. Frühjahrstagung über neueste Forschungsergebnisse aus den Bereichen Rohstoffe und Anlagenbau
Ölsaaten-Monitoring
Einer der Referenten war Prof. Peter Köhler von der biotask AG. Der Experte informierte über das Ölsaaten-Monitoring (OSM). Dies wurde am 1. Januar 2018 durch eine Initiative des Verbandes Deutscher Großbäckereien e.V. ins Leben gerufen. Ölsaaten sind wichtige Zutaten für die Herstellung von Backwaren, die häufig aus Drittländern in die EU importiert werden, erklärte Prof. Köhler. Bislang gab es keine gebündelten Daten über Kontaminanten und Rückstände in Ölsaaten innerhalb der Backwarenbranche. Diese Lücke soll mit dem OSM geschlossen werden. Beteiligen können sich alle Unternehmen, unabhängig von einer Branchenzugehörigkeit, die Ölsaaten importieren, reinigen, verarbeiten oder damit handeln. Am OSM haben im Jahr 2018 insgesamt 15 Unternehmen teilgenommen, davon elf aus Deutschland und vier aus Österreich. Die Unternehmen gliedern sich wie folgt auf: neun Backbetriebe, fünf Hersteller von Backzutaten und eine Warenhandelsgesellschaft. Es wurden 128 Proben untersucht, die zur Herstellung von Lebensmitteln bestimmt waren. Die meisten Proben wurden nach einem abgestimmten Monitoring-Plan untersucht. Dieser besteht aus einem festgelegten Standardpaket, mit dem die relevanten Pestizide (inkl. Glyphosat), Mykotoxine, Schwermetalle sowie mikrobiologische Parameter erfasst wurden. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, ausgewählte Parameter, die für Ölsaaten von aktuellem Interesse sind, zu analysieren. Hier ist als Beispiel der Morphin- bzw. Opiatgehalt von Mohnsamen zu nennen. Die erhobenen Daten wurden den Teilnehmern in anonymisierter Form und exklusiv zur Verfügung gestellt. Für das Jahr 2018 kann Folgendes hervorgehoben werden: Die Mykotoxinbelastung und die mikrobiologische Belastung waren bislang unkritisch. Die Morphingehalte von Mohn lagen in einem durchschnittlichen Bereich. Bei dem Herbizid Glyphosat war keine Überschreitung der gesetzlichen Höchstgehalte zu verzeichnen. Allerdings wurde Glyphosat in 20 % der untersuchten Proben nachgewiesen. Dies bestätigte die lange gehegte Vermutung, dass Ölsaaten als niederschwellige Eintragsquelle für Glyphosat in Backwaren angesehen werden müssen. In der Mehrzahl der Proben wurde Cadmium nachgewiesen. Die Cadmiumgehalte lagen in Mohn- und Leinsamen sowie in Sonnenblumenkernen auf einem hohen Grundniveau. Bei Mohnsamen bestand eine Abhängigkeit der Gehalte von der geografischen Herkunft. Die Entwicklung der Cadmium-
gehalte, insbesondere bei Mohn, sollte im Auge behalten werden, empfahl der Referent. Die Nachweishäufigkeit von Blei war in Mohnsamen deutlich höher als bei den anderen Ölsaaten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass alle untersuchten Ölsaaten sichere Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittelrechts waren. Gesetzliche Höchstgehalte waren nur in zwei Fällen überschritten.
Prof. Peter Köhler
Exogene Enzyme
Dr. Mario Jekle, Technische Universität München, Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, Arbeitsgruppe Getreidetechnologie und -verfahrenstechnik, referierte über das Thema „Auf den Zeitpunkt kommt es an: Technologische Wirkung exogener Enzyme nach dem Backen“. So werden exogene Enzyme bei der Herstellung von Backwaren eingesetzt, um die Frischhaltung der Backwaren zu verbessern. Nach EU-Recht (VO (EU) 1169/2011) ist für die Deklarationspflicht von Anti-Staling-Enzymen der Zeitpunkt der technologischen Wirkung entscheidend: Zeigen exogene Enzyme eine technologische Wirkung während der Teigbereitungsphase (inkl. Fermentation und Backen), kann jedoch keine technologische Wirkung in der finalen Backware festgestellt werden, so muss der Einsatz von Enzymen nicht deklariert werden, erklärte Dr. Jekle. Da exogene Enzyme den Backvorgang jedoch überstehen können, konnte bislang die Erniedrigung der Krumenverfestigung während der Lagerung (also ein verringertes Altbackenwerden) nicht sicher auf eine technologische Wirkung der Enzyme während der Teigbereitungsphase zurückgeführt werden. In diesem Fall würden die Enzyme während der Herstellung der Backware eine modifizierte Krumenausbildung bewirken, welche eine reduzierte Krumenverfestigungskinetik nach der Herstellung (also während der Lagerung) mit sich führen würde.
Dr. Mario Jekle
Um dies sicher unterscheiden zu können, wurde ein neuartiges Pellet-Verfahren entwickelt, bei dem der Zeitpunkt der Enzymzugabe gezielt gesteuert werden kann. Dazu wurde Krume aus einem chemisch-gelockerten Stärke-Gluten-Teig hergestellt, gefriergetrocknet, vermahlen, mit Wasser bzw. Enzymlösung rehydratisiert und zu porenfreien Pellets gepresst. Eine maltotetragene Amylase wurde dabei entweder bei der Teigherstellung bzw. erst nach dem Backvorgang bei der Rehydratisierung der Krumenmatrix aufgebracht. Daraus resultierende Pellets wurden mit einem Referenz-Pellet (ohne Enzymeinsatz) verglichen. Somit konnte erstmalig eine mögliche technologische Wirksamkeit von definierten Enzymen und deren Konzentrationen nach dem Backen, d. h. während der Lagerung der Backware, untersucht werden.
Nach 8-tägiger Lagerung wies das Referenzpellet ohne Enzymzusatz die höchste Festigkeit (110.0 ± 13.2 N) auf. Die nachträgliche Zugabe der Amylase nach dem Backvorgang führte zu keiner signifikanten Reduktion der Krumenverfestigung im Vergleich zum Referenzpellet (93.4 ± 1.5 N). Hingegen rief der Einsatz der Amylase bei der Teigbereitung eine deutliche Reduktion der Krumenfestigkeit nach 8 Lagertagen hervor (60.6 ± 13.4 N). Vergleichbare Ergebnisse wurden für den Einsatz eines Stärkeabbauproduktes (Maltose) vor dem Backvorgang und nach dem Backvorgang in chemisch-gelockerten Backwaren festgestellt. Hierbei rief Maltose, die nach dem Backvorgang auf die Krumenmatrix aufgebracht wurde, keine Reduktion der Krumenfestigkeit hervor, jedoch führte der Maltosezusatz vor dem Backvorgang zu einer reduzierten Krumenverfestigung über die untersuchte Lagerdauer.
Aus diesen Versuchen kann geschlussfolgert werden, dass die Wirkung der (zumindest hier untersuchten) Amylasen auf die Krumenverfestigung maßgeblich während des Herstellungsprozesses stattfindet. Es ist anzunehmen, dass die Anti-Staling-Wirkung exogener Amylasen sowie kurzkettiger Dextrine nicht auf eine technologische Wirkung im Endprodukt zurückzuführen ist, sondern dass vielmehr Anti-Staling-Enzyme und kurzkettige Dextrine eine modifizierte Krumenausbildung hervorrufen, wenn sie während der Teigbereitungsphase zugesetzt werden. Eine Deklaration wäre somit in diesem Fall nach jetzigem Recht nicht notwendig.
Teigentspannung
„Forcierte Teigentspannung – Steuerungs- und Verkürzungspotenzial im Herstellungsprozess“ hieß das Thema von Silvia Brandner, Technische Universität München, Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, Arbeitsgruppe Getreidetechnologie und -verfahrenstechnik. Die Verarbeitbarkeit von Weizenteigen ist unmittelbar nach einem mechanischen Energieeintrag, wie beispielsweise dem Kneten oder dem Laminieren, eingeschränkt, so die Referentin. Erst nach einer anschließenden Ruhe-/Entspannungsphase kann eine einwandfreie Weiterverarbeitung gewährleistet werden. Die Anwendung kurzer invasiver elektrischer bzw. mechanischer (Ultraschall) Impulse führt in wenigen Sekunden zu Dehn- und Elastizitätseigenschaften entsprechend denen von geruhten Teigen. So konnten anhand von Dehnungsmessungen (Kieffer Rig) übereinstimmende Dehnbarkeiten für spannungs-/ultra-
schallbehandelten Weizenteig mit denen von 25 Minuten geruhtem Teig aufgezeigt werden.
Silvia Brandner
Weiterhin konnte die Nachgiebigkeit (Softness) des Teiges durch die forcierte Entspannung entsprechend zu einer 50-minütigen Teigruhe gesteigert werden. Diese übereinstimmenden visko-elastischen Teigeigenschaften zwischen forciert entspanntem Teig und herkömmlich geruhtem Teig zeigen, dass die Restrukturierungsvorgänge, die während der Teigruhe ablaufen und zu einem dehnbareren und plastischeren Netzwerk führen, durch elektrische bzw. mechanische Impulse forciert und kontrolliert werden können. Die einfache Anwendbarkeit und kurze Anwendungsdauer (1–60 Sek.) der elektrischen/mechanischen Impulse ermöglicht die Integration des Prozessschrittes der Teigruhe in laufende Prozesse und führt zu einem vereinfachten und effektiveren Prozess durch den Wegfall von Anlagen zur Aufrechterhaltung definierter klimatischer Bedingungen während der Teigruhe und der Einsparung von Zeit. Durch ausführliche mikro- und makrostrukturelle Analysen, die aus rheologischen Analysen, Dehnungsmessung, mikroskopischen Methoden und Backversuchen bestehen, wird die Aufklärung der zugrunde liegenden funktionalen Mechanismen der forcierten Teigentspannung anhand verschiedener Mehlqualitäten untersucht. Diese analytische Basis stellt die Grundlage für die Erfassung des Verkürzungspotenzials der Teigruhe in Abhängigkeit von der Mehlqualität und der Intensität der forcierten Entspannung dar. Auf Basis des Verkürzungspotenzials wurden bestehende Prozessabläufe in Bäckereien hinsichtlich ihrer Eignung (Verweilzeit zur Anwendung der Impulse) zur Integration der Entspannungsmethoden untersucht. Hierbei haben sich besonders Förder- und Transportbänder als geeignet erwiesen. Diese potenziell als geeignet einzustufenden Prozessstellen werden mit der forcierten Entspannung verknüpft und ihre Anwendungsmöglichkeiten vorgestellt.
Zusammenfassend steht mit der forcierten Teigentspannung ein Verfahren zur Verfügung, welches Dehnbarkeit, Nachgiebigkeit und Elastizität entsprechend geruhter Weizenteige
in wenigen Sekunden ermöglicht, ohne wesentlich die Gasfreisetzung und -haltefähigkeit der Produkte zu verändern.
WIG-Forschungspreis
Aufgrund der sehr umfassenden Tagung können leider nicht alle Referenten in dieser Ausgabe berücksichtigt werden. Die Redaktion wird aber weitere Berichte in den nächsten Ausgaben veröffentlichen. Zudem wurden während der Frühjahrstagung die Sieger des WIG-Forschungspreises gekürt. Über den ersten Platz und damit 1.000 EUR freute sich Sophia Bonzel. Sie überzeugte die Jury mit ihrer Masterarbeit zum Thema „Optimierung von Weizenteigruhezeiten durch forcierte Entspannung mittels Wechselspannungsimpulsen“. Den zweiten Platz und damit 500 EUR erhielt Melanie Riemschneider. Sie schrieb in ihrer Masterarbeit über den Einfluss von Amylasen auf die kristallinen und rheologischen Eigenschaften von Teigen und Backwaren. Platz drei belegte Markus Regner. Er forschte zum Thema „Effect of different Arabinoxylans on baking performance of millet and buckwheat bread”. Regner konnte sich über 300 EUR freuen.