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b+b-2019-03-Ein ewig Suchender auf festem (Werte-)Fundament

Die BÄKO ÖSTERREICH wird demnächst ohne Franz Reischl auskommen müssen. Für seine Nachfolger zweifellos nicht ganz einfach, denn Reischl hat gestaltet in den vergangenen 48 Jahren, von denen er die Genossenschaft fast 35 Jahre als Direktor führte. Als er 1984 in dem vergleichsweise jugendlichen Alter von 27 Lenzen die Führung der BÄKO Linz übernahm, dürfte keiner der Genossen auch nur geahnt haben, wie viel der Zwei-Meter-Mann im Laufe seiner Amtszeit verändern würde.

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Franz Reischl wird am 12. Juni nach insgesamt 48 Jahren im Dienst der BÄKO auf der Unternehmertagung in Linz-Pichling verabschiedet. Seine Nachfolge übernehmen Robert Brandner (IT, Logistik, Technik) und Markus Geres (BWL, Markt). Der 63-Jährige geht nicht etwa in den Ruhestand, sondern in die „Freitätigkeit“.

Weil die Zahl der Backbetriebe damals in Österreich bereits rückläufig war, dachte er nicht nur über Fusionen nach, sondern gründete 1990 die BÄKO ÖSTERREICH als Bund der fünf gleichberechtigten österreichischen Einkaufsgenossenschaften für Bäcker und Konditoren. Naiv, wie er selber heute sagt, und lang hat’s auch nicht gehalten. Aber einer, der felsenfest davon überzeugt ist, dass die Wirtschaftsform der Genossenschaft Nutzen für alle generiert, gibt nicht auf, schon gar nicht, wenn er Franz Reischl heißt. Also erst mal die BÄKO Linz umkrempeln, Service und Leistung ganz großschreiben, sodass auch Bäcker aus anderen Bundesländern an die Tür klopfen und Einlass begehren.

Der zweite Anlauf war dann schon generalstabsmäßig geplant. Analyse der Lager und Logistik der fünf Genossenschaften, Strategieentwicklung für eine neue BÄKO ÖSTERREICH und eine daraus abgeleitete Struktur. Danach Überzeugungsarbeit leisten und schließlich 1997/98 die formale Zusage von Wien und Graz. Die Lager dort werden aufgegeben und zu Umschlagplätzen umfunktioniert. Geld für die Abfindung von nicht mehr gebrauchten Mitarbeitern hat er sich ausbedungen, denn auch Menschenführung und Sozialverhalten gehören zu seinen Lieblingsdisziplinen.

Was es für ein Kraftakt wird, innerhalb von zwei Monaten alles über Linz abzuwickeln und trotzdem jedem Kunden das zukommen zu lassen, was er will und braucht – das hat er eher nicht geahnt. „Das schaffst du nur, wenn eine gute Truppe felsenfest hinter dir steht.“ Salzburg kam 2001 dazu, Tirol 2006 und 2007 mit Pan&Pas eine eigens gegründete Tochter für Südtiroler Bäcker. Manches auf dem Weg zur heutigen BÄKO ÖSTERREICH hat Kämpfe gekostet, mit Insidern wie Außenstehenden, manchmal auch mit Lieferanten. Ein Stoff für Legendenbildung war der 13-monatige Import von Hefe aus der Türkei durch die Reischl-Truppe – abgewickelt mit der Übersetzungshilfe des Vaters einer Mitarbeiterin. „Rechnen ist unser Job“ – danach handeln auch, könnte man ergänzen. Ansonsten hieß und heißt
die Devise „So viel zentral wie nötig, so viel vor Ort wie möglich, vor allem die Kundenbetreuung“. Dazu Pflichterfüllung, die man fast schon preußisch nennen könnte. Aber wie hatte die Mama seinerzeit gesagt: „Du kannst Bundeskanzler werden, aber wenn um 13 Uhr das Essen auf dem Tisch steht, bist du hier!“

Mitten in der Neufindung der österreichischen Bäckerei- und Konditoreigenossenschaften, genau genommen 2000, baute die BÄKO Linz, später BÄKO ÖSTERREICH, sich ein neues Domizil am Rande der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz. Es ist ein Vorzeigebetrieb: elektronische Lagerverwaltung, Pick-by-Voice, IFS-zertifiziert, EDV-Schnittstellen nutzen, wo immer möglich, virtuelles Management, Vorausplanung von Warenströmen und immer wieder Vernetzung. Reischl ist sich sicher: „Die Zukunft gehört den Plattformen.“

„Das schaffst du nur, wenn eine gute Truppe felsenfest hinter dir steht.“

Franz Reischl

Franz Reischl ist in Oberösterreich geboren, die Großeltern hatten einen Landgasthof, der Vater war Facharbeiter in Linz, die Mutter betreute die drei Kinder. Wenn Reischl von zu Hause erzählt, fällt der Begriff Werte besonders häufig. Werte zählen auch heute noch zu den zentralen Bausteinen seiner Welt. Genossenschaften sind für ihn Wertegemeinschaften und obendrein solche, die tagtäglich Nutzen für ihre Genossen und für die Gesellschaft schaffen müssen. „Der Förderauftrag der Genossenschaften ist ein einzigartiges Differenzierungsmerkmal“, das in der Praxis tagtäglich umzusetzen sein Credo.

Der zweite rote Faden, der sich durch sein Leben zieht, ist Weiterbildung. Kaum etwas, das ihm so viel Spaß macht wie „spannende Leute kennenlernen“, „Denkanstöße kriegen“, „Dinge verstehen lernen“. Weil er inzwischen ehrenamtlich im Aufsichtsrat einer Bank tätig ist, hat er sich vor drei Jahren in die Tiefen des Finanzmanagements eingearbeitet und seit mehr als 20 Jahren besetzt die Zukunftsakademie einen fixen Termin in seinem Kalender.

Und er gibt zurück, an seine Mitarbeiter, denen er ebenso Mentor wie Chef war, an die Genossenschaftsbewegung, deren Verbandspräsident er inzwischen ist, und an Projekte, die seinen Rat als Genossenschafter suchen.

Kann es neben so viel Engagement noch so etwas wie einen privaten Franz Reischl geben? Durchaus, da gibt es nicht nur die Ehefrau und eine Tochter, sondern inzwischen auch zwei Enkel, viel Sport, eine aktive Rockband aus Jugendtagen und immer wieder die Freude daran, die Welt gestalten zu dürfen und nicht gestaltet zu werden.