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b+b-2019-02-Gesündere Kuchen und Kekse

Weltweit wurden und werden Initiativen eingeleitet, um Lebensmittel gesünder zu machen. Die Maßnahmen führen dazu, dass der Druck auf die Hersteller wächst, eine Rolle bei der Erreichung vorgegebener Ernährungsziele in der Bevölkerung zu spielen.

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1a oben: Biskuitgebäck mit herkömmlichem Zuckergehalt
1b unten: Biskuitgebäck mit reduziertem Zuckergehalt

 In UK hat die schrittweise freiwillige Verringerung des Salzgehalts in Lebensmitteln dazu geführt, dass der Salzgehalt von Brot inzwischen nur noch etwa halb so hoch ist wie vor 25 Jahren. Andere Länder sind dem Beispiel gefolgt. In vielen Fällen wurden verbindliche Zielvorgaben zur Verringerung des Salzgehalts bei Brot und anderen Lebensmitteln gesetzt. Der aktuellste Schwerpunkt vieler staatlicher Interventionen betrifft die Bekämpfung dessen, was Mediziner als „globale Fettleibigkeitskrise“ definieren. Eine wachsende Zahl von Verbrauchern weltweit wird derzeit als übergewichtig bzw. fettleibig eingestuft, bei zunehmender Häufigkeit von Typ-II-Diabetes, Herzerkrankungen und anderen Erkrankungen. Die Gesamt-Energiedichte von Lebensmitteln und die Verzehrmengen hat bei Medizinern viel Kritik ausgelöst. Die Senkung des Zuckergehalts in Lebensmitteln und Getränken hat sich zu einem „heißen“ Thema entwickelt.

Die Funktionen von Zucker bei der Kuchenherstellung

Eine zentrale Frage für Kuchenhersteller lautet: „Wie lässt sich die wachsende Nachfrage nach gesünderen Backwaren erfüllen?“ Bei der Verringerung des Zuckergehalts von Erfrischungsgetränken wird der Zucker häufig durch Süßstoffe ersetzt. Dies ist keine leichte Übung, besitzt aber nicht dieselbe Komplexität, vor der Bäckereien stehen. In einem Erfrischungsgetränk besteht die Hauptrolle des Zuckers darin, für einen süßen Geschmack zu sorgen. Das ist zwar bei Backwaren ebenso der Fall, doch spielt Zucker noch andere funktionale Rollen. Er süßt nicht nur, sondern leistet einen wichtigen Beitrag zur Optik, Form, Textur und Haltbarkeit.

Ein einfaches Beispiel für das Problem, vor dem Bäckereien stehen, wenn sie eine Zuckerreduzierung in Betracht ziehen, ist in den Abbildungen 1 (a) und (b) dargestellt. Bei diesem Kuchenbeispiel verändert ein zuckerreduziertes Rezept (Abb. 1 (b)) das Aussehen, die Farbe der Kruste und die Größe deutlich. Die Krumenstruktur dürfte dichter und weniger großporig sein, was wiederum die Textur und die Verzehreigenschaften ändert. Der Prozess der Verkleisterung leistet einen wichtigen Beitrag bei der Steuerung der Expansion der im Teig eingeschlossenen Gase, und die wiederum beeinflusst das Volumen und die Struktur des Kuchens.

Die Temperatur, bei der es zur Verkleisterung kommt, ist u. a. vom Stärke-Wasser-Verhältnis im Teig abhängig. Der Verkleisterungsprozess in Kuchen wird zudem erheblich durch den Zuckergehalt beeinflusst. Zucker verzögert den Verkleisterungsprozess und sorgt dafür, dass der Teig länger flüssig bleibt. Zudem kontrolliert er die Expansion. Je höher der Zuckergehalt eines Kuchens, desto höher ist auch die Temperatur, bei der der Verkleisterungsprozess einsetzt. Um eine bestimmte Kuchenstruktur und -textur zu erreichen, muss der Zucker- und Wassergehalt in der Rezeptur „ausbalanciert“ werden. Zucker leistet bei der Kuchenherstellung zudem einen Beitrag zur Haltbarkeit. Als „Konservierungsmittel“ verringert er die Wasseraktivität und verlängert so die Haltbarkeit. Auch die sensorische Haltbarkeit verändert sich: Die Kuchen verlieren schneller ihren zarten Charakter.

Das Rezepturproblem

Wenn man eine Zuckerreduktion in Betracht zieht, um gesündere Produkte anzubieten, steht man schnell vor dem „Rezepturproblem“. Eine simple Verringerung des Zuckergehalts eines Kuchens oder Keks ohne weitere Veränderungen an der Rezeptur erhöht die Gesamt-Energiedichte des Produkts, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil der Fettanteil des fertigen Produkts steigt. Eine offensichtliche Antwort darauf scheint zu sein, den Fettgehalt des Kuchens zu verhindern. Aber wenn man das tut, fängt man an, das Verhältnis aller anderen Zutaten anzupassen. Wenn die ursprüngliche Prämisse war, ein Zuckerreduzierungs- und Energiedichteziel zu erreichen, wirkt die Reduzierung des Fettgehalts möglicherweise dem Ziel der Zuckerreduzierung entgegen. Gar nicht zu reden davon, was man ggf. in Bezug auf das Aussehen, den Geschmack, die Textur und die Haltbarkeit des Produkts angerichtet hat.

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2: Zitronen-Chiasamenkuchen

Dass die Folgen des Rezepturproblems für viele Backwaren beträchtlich sind, liegt an der Funktionalität jener Zutaten – Zucker und Fett –, für die besonders häufig eine Reduzierung angestrebt wird. Zutaten, die darauf ausgelegt sind, Zucker und Fett zu ersetzen, gibt es viele, aber sie bieten in Backwaren nicht dasselbe Maß an technischer Funktionalität. Das soll nicht heißen, dass sie keine Rolle bei der Erstellung von Rezepturen für gesündere Backwaren spielen. Aber es zeigt, dass sie kein „Ersatz“, sondern lediglich ein Teil der Antwort sind.

Was die Reduzierung der Produktenergie angeht, sind die den Bäckereien zur Verfügung stehenden Optionen ebenfalls begrenzt. Wasser hat keinen Energiewert, doch aufgrund seines allgegenwärtigen Beitrags zur Textur und Haltbarkeit von Backwaren gibt es wenig echte Möglichkeiten für die Erhöhung des Feuchtigkeitsgehalts. Produkte, die der Backbranche eine gewisse Chance zur Herstellung gesünderer Backwaren eröffnen, sind Ballaststoffe. Zugesetzte Ballaststoffe können zu einer Verringerung der Gesamt-Energiedichte beitragen und die Zucker- und Fettreduzierung unterstützen, so wie in dem Beispiel neuer Kuchenprodukte in den Abbildungen 2 und 3 gezeigt.

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3: Verpackung eines Kuchens mit geringerem Zuckergehalt und Ballaststoffen

Wie sich Kekse gesünder machen lassen

Einige der oben für Kuchenhersteller aufgeworfenen Fragen sind auch für Kekshersteller relevant, sowohl Zucker als auch Fett spielen eine wesentliche Rolle bei der Erzielung der Eigenschaften des fertigen Produkts. Zucker leistet einen wichtigen Beitrag zu der Produktdicke, Ausbreitung auf dem Blech und dem Aussehen der Oberfläche (Abb. 3). Dies bedeutet, dass Versuche zur Verringerung des Zuckeranteils deutliche Rezept- und Verarbeitungsänderungen erfordern. Und sie führen zu einem ähnlichen Rezepturproblem, wie es für Kuchen beschrieben wurde. Der Einsatz von Süßstoffen zur Bewahrung der Produktsüße bleibt eine Herausforderung, und zwar nicht zuletzt aufgrund ihres potenziellen Zerfalls unter den im Ofen herrschenden Bedingungen. Die Einsparung von Fett durch Einsatz von Emulgatoren stellt eine praktikable Möglichkeit zur Reduzierung des Fettgehalts und der Energiedichte in Keksen dar. Einige Fette allerdings, wie Butter, spielen eine wichtige Rolle als Geschmacksträger sowie bei der Textur, daher erfordert ihre Reduzierung bzw. ihr Ersatz eine sorgfältige Neuformulierung der Rezeptur.

Ballaststoffe sind zur Änderung der Zusammensetzung von Keksen potenziell geeigneter, da von Keksen nicht erwartet wird, dass sie das von Kuchen erwartete „zarte“ Mundgefühl aufweisen. Während Ballaststoffe einen positiven gesundheitlichen Beitrag leisten, kann ihre Fähigkeit zur Aufnahme von Wasser während des Knetens zu Verarbeitungsproblemen führen. Dazu kommt die Notwendigkeit, einen niedrigen Feuchtigkeitsgehalt im fertigen Produkt sicherzustellen. Die Kombination aus gesünderer Zusammensetzung, einfacher Verarbeitung und niedrigem Feuchtigkeitsgehalt des fertigen Produkts (um die Mürbheit der Kekse aufrechtzuerhalten) sicherzustellen, stellt eine Herausforderung dar. Die Lösungen hierfür können sich durchaus auf Änderungen beim Verarbeitungsprozess (z. B. Knetmethoden) und der Verbesserung bestehender Backverfahren erstrecken, um dem Produkt bis zum Ende des Backvorgangs ausreichend Wasser zu entziehen. Kekse mit hohem Feuchtigkeitsgehalt können nach dem Backen ihre Eigenschaften ändern; häufige Probleme sind Rissbildung (die sich in zerbrochenen Keksen in der Packung zeigt) und sogar Formveränderungen während der Lagerung. Das Backen von Keksen mit höherem Ballaststoffgehalt kann es erforderlich machen, den konventionellen Backprozess durch Verfahren zu ergänzen, bei denen Mikrowellen oder Infrarotstrahlung zum Einsatz kommen.

Die Textur: Der Schlüssel zur Produktakzeptanz

Jüngere Untersuchungen zur Textur von Lebensmitteln haben gezeigt, dass die heutigen Verbraucher sich unwohl fühlen, wenn der Geschmack und Textur „traditioneller“ Lebensmittel beeinträchtigt werden. Möglicherweise ist die Verringerung des Salzgehalts im Brot teilweise für den fortdauernden Rückgang beim Brotverbrauch verantwortlich. Allerdings gibt es keine direkten Belege für eine derartige Annahme. Und: Viele Faktoren beeinflussen die Einkaufsgewohnheiten der Verbraucher.

Es gab lange Zeit Bedenken über die Verwendung des Begriffs „reduziert“ in Verbindung mit Lebensmitteln. Die Marktforscher der 1970er Jahre hielten es für möglich, dass die Verwendung des Begriffs „reduziert“ als eine „Verletzung der Verbrauchererwartungen“ angesehen werden könnte. Die Verbraucher könnten zu der Annahme verleitet werden, ein Produkt minderer Qualität zu erhalten. Es mag sein, dass die modernen Verbraucher „gesundheitsbewusster“ sind und einen reduzierten Zucker- und Fettgehalt von Backwaren positiver betrachten.

Innovationen zur Veränderung des Ernährungsprofils von Produkten sind immer mit dem Risiko verbunden, dass die Verbraucher sie nicht akzeptieren. Die Zunahme beim Verzehr ballaststoffreichen Brots hat viel mit den technischen Innovationen zu tun, die eine stärker der von Weißbrot ähnelnde Produkttextur hervorbringen. Diese Veränderungen haben die potenzielle Verbreitung von Ballaststoffen über das Brot an zusätzliche Verbrauchergruppen ermöglicht, darunter an Kinder, die normalerweise kein Brot „mit Stückchen“ mögen. Die modernen Verbraucher stehen einem höheren Ballaststoffgehalt in Backwaren mit Sicherheit aufgeschlossener gegenüber. Jüngste Arbeiten an der Curtin University in Perth (Westaustralien) haben den Beitrag von Ballaststoffquellen auf das Sättigungsempfinden und den Wert von Ballaststoffen als Appetitzügler hervorgehoben. Ist dies eine Chance für Bäckereien, neue Produkte zu entwickeln?

Wege zur Entwicklung gesünderer Backwaren

Letztlich erfordert die Herstellung aller Backwaren die Steuerung der komplexen Beziehung zwischen Zutatenqualität und -mengen – dem Rezept – und den verwendeten Verarbeitungsmethoden. Dies bedeutet, dass bei der Herstellung gesünderer Backwaren die Rolle der Verarbeitung bei der Entwicklung und Steuerung von Produktstruktur und -textur gleichberechtigt mit der Auswahl der Zutaten und des Rezepts betrachtet werden muss. Der Entwicklungsprozess kann in Form eines gleichseitigen Dreiecks (Abbildung 4) dargestellt werden. Die durch das Dreieck umschlossene Fläche legt den Raum fest, in dem das Zielprodukt liegt. Wenn man die Auswahl der Zutaten oder das Rezept ändert, ändert man die Form des Dreiecks und des durch das Dreieck eingeschlossenen Bereichs. Wenn das Produkt nicht mehr an zentraler Stelle innerhalb des Dreiecks platziert ist, ist es weniger robust, was die Auswirkungen von Veränderungen bei den Zutaten, dem Rezept oder dem Prozess angeht, und erfüllt in der Produktion möglicherweise nicht die Anforderungen.

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4:  Rissbildung an der Oberfläche von Ingwer-Keksen

Wenn man damit anfängt, das gesündere Backprodukt zu definieren, legt man faktisch den Bereich des Dreiecks fest, in dem man arbeitet. Also Größe, Form, Aussehen, ernährungsphysiologische Eigenschaften, Geschmack, Textur und Haltbarkeit des Produkts; wahrscheinlich sollte man außerdem die Kosten hinzufügen. Bei neuen Produkten weiß man vermutlich viel über das Ernährungsprofil und die Funktionalität und weniger über die Rezeptauswahl. Häufig vernachlässigt wird der Beitrag, den die Verarbeitung bei der Herstellung des neuen, gesünderen Produkts leisten kann. Man neigt dazu, standardmäßig auf akzeptierte Produktionsmethoden zurückzugreifen. Was teilweise daran liegt, dass man bereits über Anlagen zur Herstellung geeigneter „konventioneller“ Produkte verfügt. Jedoch können Innovationen bei der Verarbeitung häufig einen wesentlichen Beitrag bei der Herstellung gesünderer Backwaren leisten. Die Verarbeitungsdimension aus Abb. 4 zu verändern, kann häufig den Arbeitsbereich innerhalb des Dreiecks vergrößern oder einen Kompromiss beim Rezept oder der Auswahl der Zutaten kompensieren.

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5: Potenzielle Auswirkungen von Veränderung der Beziehung zwischen Zutaten, Rezept und Prozess

Es ist zu einfach, den Druck, diesen Nährstoff zu reduzieren oder jenen aufzustocken, negativ zu betrachten. Eine alternative Sichtweise ist, dass ein derartiger Druck die Möglichkeiten zur Entwicklung völlig neuer Produkte mit einem deutlich gesünderen Ernährungsprofil eröffnet. Der Schlüssel zur Entwicklung eines derartigen Produkts besteht darin, eine holistische Sicht der Herstellung anzunehmen; man darf sie nicht einfach als Reduzierung eines bestimmten Nährstoffs oder als bloßen Fall des Hinzufügens seiner neuen magischen Zutat betrachten. Innovative Verarbeitungsmöglichkeiten können oft zu innovativen Produkten führen.

Autor

Stan Cauvain ist Direktor und Mitgründer von BakeTran, einem internationalen Beratungsunter-
nehmen, das technische Dienstleistungen für Bäckereien, Mühlenbetriebe und deren Lieferanten anbietet. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind Prozessinnovation und Produktentwicklung. Er ist Verfasser einer großen Zahl Fachbücher und Artikel im Bereich Back- und Vermahlungstechnologie.

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