Scroll Top

b+b-2018-06-Nachhaltigkeit – die neue Marke für Bäcker?

f2m-bub-18-06-mangament-Bruton

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung – oder anders: Corporate Social Responsibility (CSR) – sind für viele Unternehmen ein Thema. Handelt es sich um einen vorübergehenden Trend oder steckt mehr dahinter? Fragen an Prof. Dr. James Bruton.

b+b: Vor einiger Zeit war in einem Fachmagazin zu lesen, dass sich Nachhaltigkeit als Marke für Bäcker etabliert. Was halten Sie davon?
Bruton: Zunächst möchte ich vorwegschicken, dass wir es hier meiner Meinung nach nicht mit einer Modeerscheinung zu tun haben. Nachhaltigkeit als solche aber als Marke zu deklarieren, halte ich für falsch. Nachhaltigkeitsaspekte können jedoch sehr wohl eine Marke prägen und daher kaufentscheidende Eigenschaften darstellen. Gute Marken erzählen eine Geschichte, transportieren Werte und geben ein Produktversprechen ab. Nehmen wir als Beispiel an, eine Bäckerei will sich im Bio-Bereich positionieren. Dann kann es sein, dass die Bäckerei Abnahmeverträge über Biogetreide mit Landwirten in der Region abschließt, um sich gutes Getreide zu günstigen Konditionen zu sichern. Auf diese Art entsteht eine Win-win-Situation, die die landwirtschaftliche und bäckereiwirtschaftliche Produktion auf ein höheres Qualitätsniveau hebt.

b+b: In einem Atemzug nennen Sie Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Corporate Social Responsibility oder CSR. Ist das alles dasselbe?
Bruton: Die Begriffe werden im allgemeinen Sprachgebrauch meistens gleichbedeutend verwendet, wobei das Wort „Nachhaltigkeit“ am häufigsten vorkommt. Der Ausdruck „Corporate Social Responsibility“ und die Abkürzung „CSR“ werden vergleichsweise selten verwendet. Sie können das leicht nachvollziehen, indem Sie den jeweiligen Begriff in Kombination mit dem Wort „Bäckerei“ googeln. In der Fachsprache unterscheidet man die Begriffe schon.

f2m-bub-18-06-mangament-dreieck

Die vier Ebenen von CSR

 b+b: Worin unterscheiden sie sich?
Bruton: Der Begriff der Nachhaltigkeit ist schon 300 Jahre alt und stammt aus der Forstwirtschaft. Damals benötigte man im Kohlebergbau sehr viele Baumstämme, um die Stollen abzustützen. Rasch erkannte man, dass ohne Baumnachpflanzungen entsprechend der abgeholzten Menge das Problem einer großen Holzknappheit entstehen würde. Im heutigen Diskurs umfasst die Nachhaltigkeit drei Dimensionen, nämlich wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Tragfähigkeit und soziale Gerechtigkeit, was auch im Englischen als PPP abgekürzt wird, für Profit, Planet sowie People. CSR ist eine etwas andere Perspektive mit vier aufeinander aufbauenden Ebenen, die oft in Form einer Pyramide dargestellt werden (siehe Abbildung). Mit Corporate Social Responsibility meint man die unternehmerische Verantwortung in all ihren Aspekten. Die Basis von CSR ist die wirtschaftliche Verantwortung. Wenn das Geschäftsmodell eines Unternehmens nicht tragfähig ist, wird es über kurz oder lang vom Markt verschwinden, wäre dann also in jeder Bedeutung des Wortes nicht nachhaltig. Als nächste Ebene folgt die rechtliche Verantwortung und Compliance. Als Zivilgesellschaft erwarten wir, dass sich Unternehmen an die Rechtsordnung und an Gesetze halten. Sie erhalten von uns damit so eine Art ideelle Betriebslizenz. Compliance-Verstöße werden sanktioniert und reichen im äußersten Fall bis hin zu einem Verbot der wirtschaftlichen Betätigung. Die dritte Ebene ist die ethische Verantwortung im Hinblick auf faire Geschäftspraktiken. Wir erwarten von Unternehmen, dass ihr Geschäftsmodell und Geschäftspraktiken nicht nur wirtschaftlich tragfähig und rechtskonform sind, sondern dass darüber hinaus das unternehmerische Verhalten sich nach allgemeinen moralischen Standards richtet – sowohl im Hinblick auf ihre Produkte und Dienstleistungen als auch in puncto sozialer Gerechtigkeit, wie im Umgang mit Menschenrechten in der Behandlung ihrer Mitarbeiter. Die oberste Ebene betrifft freiwillige Wohltätigkeit, z. B. Beiträge zur Verbesserung der Gesellschaft, Hilfestellung bei der Integration von Flüchtlingen, Sponsoring, karitative Spenden etc. Während die ethische Verantwortung ein Muss ist, ist der freiwillige Gesellschaftsbeitrag eine Zugabe on top – zwar höchst willkommen, aber kein Muss. Viele Unternehmen spenden jedoch und sehen damit ihre gesellschaftliche Verantwortung als erfüllt an, so als würden sie sich damit von ihrer ethischen Verantwortung freikaufen.

Zur Person

Prof. Dr. James Bruton lehrt Wirtschafts- und Unternehmensethik mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit und CSR an der Europa-Universität Flensburg sowie an der Nordakademie Graduate School in Hamburg. Er ist Autor des Buches „Corporate Social Responsibility und wirtschaftliches Handeln. Konzepte, Maßnahmen, Kommunikation“. Er ist außerdem zertifizierter INQA-Berater.

b+b: Wie sollten Unternehmen, genauer Bäckereien, das Thema Nachhaltigkeit oder CSR angehen?
Bruton: Ich sehe das Ganze als Kreislaufsystem. Es beginnt damit, dass sich der Bäcker eine Strategie überlegt und durchdenkt, diese klar vertritt und Ziele daraus ableitet. Diese Ziele müssen messbar gemacht werden, sonst wird aus der besten Strategie nichts und er kann außerdem nicht wissen, ob seine Strategie oder der Business Case richtig oder fehlgeschlagen ist. Je nach dem Ergebnis seiner Kontrolle muss er die Ziele justieren oder die Strategie korrigieren. Das letzte Glied in der Kette bildet die Kommunikation und je nachdem, wie die Botschaft ankommt, müssen Anpassungen in den vorangehenden Bereichen gemacht werden. In allen Phasen kann man ins Fettnäpfchen treten und teilweise schwerwiegende Fehler machen. Jeder der Bereiche Strategie, Zielformulierung und -kontrolle sowie Kommunikation ist so besonders und komplex, dass diese in Einzelbeiträgen behandelt werden müssten.

b+b: Was meinen Sie mit dem Ausdruck „Business Case“?
Bruton: Den Business Case kann man sich vorstellen als eine Bündelung der Argumente, dass sich die Investition in ein Projekt lohnt, um die damit verbundenen Aufwendungen gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Das nennen die Engländer doing well by doing good, etwa: seine Sache wirtschaftlich gut machen, indem man Gutes tut. Es geht also um die Schaffung von Situationen, in denen alle Beteiligten einen Nutzen daraus ziehen. Wohlgemerkt: Nutzen, nicht unbedingt Gewinn. Die Vorstellung, die man hin und wieder antrifft, dass sich alle CSR-Aktivitäten in einer Gewinnsteigerung niederzuschlagen haben, ist falsch. CSR kostet zunächst und was sie dem Unternehmen genau bringt, ist nicht in Heller und Pfennig darzustellen.

b+b: Wie sollten Unternehmen, genauer Bäckereien, das Thema Nachhaltigkeit oder CSR angehen?
Bruton: Ich sehe das Ganze als Kreislaufsystem. Es beginnt damit, dass sich der Bäcker eine Strategie überlegt und durchdenkt, diese klar vertritt und Ziele daraus ableitet. Diese Ziele müssen messbar gemacht werden, sonst wird aus der besten Strategie nichts und er kann außerdem nicht wissen, ob seine Strategie oder der Business Case richtig oder fehlgeschlagen ist. Je nach dem Ergebnis seiner Kontrolle muss er die Ziele justieren oder die Strategie korrigieren. Das letzte Glied in der Kette bildet die Kommunikation und je nachdem, wie die Botschaft ankommt, müssen Anpassungen in den vorangehenden Bereichen gemacht werden. In allen Phasen kann man ins Fettnäpfchen treten und teilweise schwerwiegende Fehler machen. Jeder der Bereiche Strategie, Zielformulierung und -kontrolle sowie Kommunikation ist so besonders und komplex, dass diese in Einzelbeiträgen behandelt werden müssten.

b+b: Was meinen Sie mit dem Ausdruck „Business Case“?
Bruton: Den Business Case kann man sich vorstellen als eine Bündelung der Argumente, dass sich die Investition in ein Projekt lohnt, um die damit verbundenen Aufwendungen gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Das nennen die Engländer doing well by doing good, etwa: seine Sache wirtschaftlich gut machen, indem man Gutes tut. Es geht also um die Schaffung von Situationen, in denen alle Beteiligten einen Nutzen daraus ziehen. Wohlgemerkt: Nutzen, nicht unbedingt Gewinn. Die Vorstellung, die man hin und wieder antrifft, dass sich alle CSR-Aktivitäten in einer Gewinnsteigerung niederzuschlagen haben, ist falsch. CSR kostet zunächst und was sie dem Unternehmen genau bringt, ist nicht in Heller und Pfennig darzustellen.

b+b: Sondern in was?
Bruton: Es geht vielmehr um gerechtfertigt erscheinende Bemühungen in die Steigerung der Reputation, die in weiterer Folge das Geschäft auch langfristig finanziell unterstützen sollen. Insoweit ist CSR dem Marketing ähnlich. Zusammenfassend kann man sagen, dass es vier wesentliche Argumente für CSR gibt: a) die Minimierung von Kosten und Risiken, b) die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen, c) die Steigerung der Reputation und die Schaffung von Win-win-Ergebnissen durch synergetische Wertschöpfung.

f2m-bub-18-06-mangament-wortwolke

b+b: Wie gehen Sie als Berater konkret vor, um einen Unternehmer bei der Strategiefindung zu unterstützen? Wie helfen Sie ihm dabei, seinen Business Case zu finden?
Bruton: In der Vorbereitungsphase sammele ich alle relevanten Informationen über die Bäckerei. Mich interessieren neben der wirtschaftlichen Situation und Planung weitere Aspekte wie die Tradition und wirtschaftliche Ausrichtung, die Führungs- und Mitarbeiterstruktur, die Verkaufsstellen- und Kundenstruktur und die Unternehmenskultur. Dann vereinbare ich einen Tagesworkshop mit allen Entscheidungsträgern der obersten Ebene. Die einzige Bedingung, die ich stelle, ist, dass die genannten Mitglieder des Top-Managements ohne Ablenkung dabei sind, was manchmal durchaus eine Herausforderung sein kann. In dem Workshop versuche ich, die Ideen, die in den Köpfen entstehen, herauszulocken und sie zu einem gemeinsamen Strategiekonsens zu gestalten. Der gemeinsame Konsens ist ganz entscheidend, weil die Strategie den Masterplan für alle Initiativen und Ziele beinhaltet. Im Workshop selbst vermeide ich die Erteilung von Ratschlägen, weil ich überzeugt bin, dass die Unternehmerpersönlichkeiten alles selbst am besten wissen. Vielmehr besteht mein Part darin, dieses Wissen so zu sammeln, zu filtern und zu koordinieren, dass am Ende eine für alle akzeptable Strategie steht. Im Nachgang reflektiere ich das gewonnene Material und liefere eine komplette Strategie-Dokumentation.

b+b: Sie sprachen auch von Fettnäpfchen und Fehlern. Heißt das, dass eine Nachhaltigkeitsstrategie auch mit unternehmerischen Risiken verbunden sein kann?
Bruton: Eine funktionierende Nachhaltigkeitsstrategie bedeutet, dass es ein transparentes System gibt, das die rechtzeitige Erkennung von Problemen erlaubt. Kehren wir kurz zu unserem Beispiel mit dem Bio-Bäcker zurück. Er wird Maßnahmen installiert haben, die ihm die Kontrolle des Materialeinsatzes, also des Bio-Getreides, erlauben. Er verlässt sich nicht auf irgendeine Mühle und kauft dort sein Biomehl ein, sondern er kennt seine Produzenten und die Art, wie sie arbeiten, ganz genau, und er kann seine Lieferanten ohne Weiteres aufsuchen und sich ein zutreffendes Bild über sie machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er von reputationsschädigenden Problemen in der Lieferkette überrascht wird, ist also damit sehr gering. Dafür hat er andere Risiken, z. B. in der Kommunikation. Er steht nämlich vor dem Dilemma, dass er werbliche Aussagen zu seinem Nachhaltigkeitsengagement machen muss, um daraus die genannten Wettbewerbsvorteile zu ziehen. Gleichzeitig gibt es das wissenschaftlich nachgewiesene Problem, dass werbliche Aussagen dazu tendieren, Skepsis bei Kunden zu erzeugen. Ich sagte ja schon: CSR ist dem Marketing und PR ähnlich, aber sie darf damit nicht verwechselt werden. Das kann leicht passieren, man spricht dann von Greenwashing.

b+b: Was genau bedeutet Greenwashing?
Bruton: Es bedeutet, dass eine Nachhaltigkeitsinitiative keinen echten ethischen Kern hat, sondern dass die wirtschaftlichen Aktivitäten nur einen grünen Anstrich bekommen. Sie sind quasi „Als-ob“-Handlungen. Greenwashing ist ein echtes Reputationsrisiko, weil es die Wirkung der Aktivitäten ins Negative umkehrt. Probleme mit Image und Reputation können auch entstehen, wenn Nachhaltigkeitsaussagen des Unternehmens im Nachhinein durch unvorhergesehene nachteilige Ereignisse in ein schlechtes Licht gerückt werden. Als Antwort auf solche Probleme gibt es aber bewährte Lösungen, immer unter der Voraussetzung, dass der Unternehmer guten Willens ist.

b+b: Herr Bruton, vielen Dank für unser Gespräch.

 

Anmerkung: Mehr über die genannten CSR-Prozessschritte erfahren Sie in den folgenden Ausgaben brot+backwaren.