Der Einfluss verschiedener Vermahlungsarten auf die strukturellen Veränderungen der Stärke und infolgedessen auf die technologischen Eigenschaften von Teigen.
Die Herstellung von Backwaren erfordert die gezielte Auswahl von Mehlen mit den gewünschten funktionellen Eigenschaften. Dabei sind insbesondere Proteingehalt, Enzymaktivität, Wasseraufnahmefähigkeit, Verkleisterungseigenschaften und Stärkebeschädigung (nachfolgend als Stärkemodifikation bezeichnet) von großer Bedeutung.
Die Anforderungen an die funktionellen Eigenschaften des Mehles unterscheiden sich stark in Abhängigkeit vom Anwendungsgebiet: Zur Herstellung von Backwaren sollen Mehle einen niedrigen Stärkemodifikationsgrad mit hohem Proteingehalt aufweisen; Mehle, die als Bindemittel eingesetzt werden, sollen hingegen hohe kaltwasserquellende Eigenschaften zeigen. Die technologische Funktionalität von Mehlen ist daher immer eine anwendungsbezogene Größe, die nach Einsatzgebiet der Mehle variiert und die Teigbereitung und Endprodukteigenschaften, beispielsweise das spezifische Volumen von Backwaren, bestimmt.
Beim Backvorgang sorgen die Biopolymere der Stärke – die Amylose und das Amylopektin – für die Bindung von Wasser aus der Teigmatrix. Dadurch kann das System von einem flüssigen Schaum bzw. Emulsion (Teigmatrix) in einen offenen, festen Schaum (Krumenstruktur) überführt werden. Entscheidend für die Ausbildung einer lockeren Krumenmatrix sind dabei die Hydratationseigenschaften der Stärke: Wie viel Wasser kann Stärke binden und wie schnell erfolgt diese Wasserbindung?
Zielgerichtete Mehlmodifikation
Durch die Modifikationen von Stärkestrukturen lassen sich neue Eigenschaften wie eine erhöhte Wasserbindung und Löslichkeit zur Kalttexturierung erzielen. Eine Stärkemodifikation kann die Textur von Backwaren verbessern und die Rekristallisation von stärkebasierten Systemen verringern. Die reduzierte Rekristallisationsneigung der Stärke verzögert die Krumenverfestigung von Backwaren bei der Lagerung und sorgt damit für eine längere Frischhaltung. Chemisch und mechanisch sind viele Möglichkeiten gegeben, die funktionellen Eigenschaften eines Mehles zu modifizieren und damit die Teig-und Endprodukteigenschaften zu beeinflussen. Die chemische Modifikation von Stärke- und/oder Proteinfraktionen unterliegt jedoch der Deklarationspflicht, weshalb der Wunsch nach deklarationsfreien Modifikationsmethoden steigt.
Immer beliebter wird daher die mechanische Modifikation der Stärke mittels Mühlen unmittelbar während der Vermahlung des Getreidekorns bzw. anschließend durch eine Nachvermahlung des Mehles. Die Art und das Ausmaß der strukturellen Veränderungen sind dabei abhängig von der Wahl der Mühle und den Mahlparametern. So kann dasselbe Getreide, welches auf verschiedene Arten vermahlen wurde, unterschiedliche Wasserbindekapazitäten und andere funktionelle Eigenschaften aufweisen. Eine produktspezifische Steuerung könnte somit ermöglicht werden. Jedoch äußert sich bisweilen der Einsatz mechanisch modifizierter Mehle hauptsächlich in negativen Effekten auf die Endproduktqualität, wie Abbildung 1 verdeutlicht.
Abbildung 1: Krumenhärte und spezifisches Volumen von Kastenweißbroten bei Variation der Drehzahl in der Ultrazentrifugalmühle zur nachgeschalteten mechanischen Modifikation von Weizenmehl
Um solche negativen Auswirkungen auf das Endprodukt zu vermeiden, müssen Wirkzusammenhänge aufgeklärt und die Modifikation somit zielgerichtet gesteuert werden.
Herausforderungen bei der Steuerung
Trotz einer Vielzahl an Untersuchungen auf diesem Gebiet ist bis heute unklar, welche mechanischen Kräfte welche Strukturen der Stärke und des Proteins beeinflussen und wie sich dies auf die veränderte Mehl-Funktionalität auswirkt. Dies hängt damit zusammen, dass die mechanische Beanspruchung der Stärke nicht nur die Modifikation einer Stärke-
struktur (z. B. Oberfläche der Stärkegranula, kristalline Bereiche, Molekularstruktur), sondern meistens eine Vielzahl unterschiedlicher struktureller Veränderungen hervorruft. Dadurch hat sich eine große Anzahl an Analysenmethoden zur Bestimmung der Stärkemodifikation entwickelt. Diese setzen jedoch meist an nicht genau definierten Strukturgrößen an, wodurch eine Vergleichbarkeit der Methoden erschwert wird. Da die Analysemethoden sich nicht eignen, um die Auswirkungen der Stärkemodifikation auf technologische Eigenschaften vorherzusagen, kann ein „idealer Wert“ der mechanischen Stärkemodifikation für optimale Backeigenschaften nicht angegeben werden.
Die Aufklärung der Protein- und Stärkemodifikation würde eine gezielte Funktionalisierung von Weizenmehlen zulassen, wodurch die wirtschaftliche Bedeutung mechanisch modifizierter Mehle deutlich erhöht werden kann.
Mühlen – Werkzeuge zur mechanischen Modifikation von Mehlen
Durch den Vergleich von Mühlen sollen die Auswirkungen verschiedener mechanischer Kräfte auf die Mehlstrukturen sowie -funktionalitäten aufgeklärt werden. Es wurden dazu drei Mühlen gewählt, die sich in ihrem Vermahlungsprinzip unterscheiden: (a) eine Ultrazentrifugalmühle, die ein bekannter Vertreter der Prallmühlen ist, (b) eine Kryomühle, welche ein Vertreter der Kugelmühlen ist, bei der die Modifikation unter kryogenen Bedingungen (-196 °C) stattfindet, (c) eine konventionelle Kugelmühle, die zu den Trommelmühlen gehört. Mit Letzterer ließen sich hohe Stärkemodifikationsgrade erzielen, jedoch kam es bei der Vermahlung auch zu einer hohen Hitzeentwicklung, die die Proteinfunktionalität beeinflussen könnte.
Stärkemodifikation von der singularen zur granularen Ebene
Die mechanische Beanspruchung der Stärke kann zu Veränderungen auf allen Strukturebenen führen (vergleiche Abbildung 2).
Abbildung 2
Unterschiedlichste Nachweismethoden werden verwendet, um diese qualitativ und quantitativ zu beschreiben.
Auf singularer Ebene führt die Modifikation von Weizenmehl mittels Ultrazentrifugalmühle zu einem Anstieg des Disaccharids Maltose im modifizierten Mehl. Die Bildung von Sacchariden kann dabei auf die mechanische Spaltung der Stärkeketten bzw. auf die erhöhte Zugänglichkeit der Stärke für einen enzymatischen Abbau durch endogene β-Amylase zurückgeführt werden. Begünstigt durch die Temperaturerhöhung beim Vermahlungsvorgang können Enzymreak-
tionen auch im trockenen Medium Mehl merkbar ablaufen. Die gebildete Maltose steht der Hefe als Substrat während der Fermentation des Teiges zur Verfügung. Die Vermahlung mittels Kryomühle führte hingegen zu keinem signifikanten Anstieg der Maltose im Mehl. Die Messung des Maltosegehaltes ist damit notwendig, um den Gehalt an fermentierbaren Zuckern zu bestimmen und die strukturellen Veränderungen auf molekularer Ebenen der Stärke zu erfassen. Zur qualitativen Beschreibung entscheidender struktureller Veränderungen der Stärke durch die Vermahlung und zur Vorhersage der funktionellen Eigenschaften der Mehle ist jedoch vielmehr die Bestimmung des Stärkemodifikationsgrades (entspricht Stärkebeschädigungsgrad) notwendig.
Zur Bestimmung des Modifikationsgrades findet neben der amperometrischen Nachweismethode mittels SDmatic häufig die enzymatische Nachweismethode mittels Enzymkit „starch damage“ von Megazyme Anwendung. Die Methode basiert auf der höheren Zugänglichkeit modifizierter Mehle bzw. Stärken für einen Abbau durch Amylasen. Je höher dabei der Stärkeabbau in einer definierten Zeit ist, desto höher ist der Stärkemodifikationsgrad. Da während des Gärprozesses native und exogene Enzyme der Hefe die Stärke zu Sacchariden abbauen und die Spaltprodukte wiederum der Hefe als Substrat für die CO2-Bildung zur Verfügung stehen, ist die Bestimmung des Stärkemodifikationsgrades ein wichtiges Qualitätsmerkmal von Mehlen. Weiterhin zeigt sich sowohl für die Modifika-
tionen in der Ultrazentrifugalmühle und der Kryomühle (Abbildung 3) als auch in der Kugelmühle (nicht dargestellt) eine gute Korrelation zwischen Stärkemodifikationsgrad und Wasserbindungskapazität.
Abbildung 3: Abhängigkeit der Wasserbindungskapazität vom enzymatisch bestimmten Stärkemodifikationsgrad nach Modifikation in der Ultrazentrifugalmühle und Kryomühle
Dieser Zusammenhang wurde erwartet, da beide Methoden, Wasserbindungskapazität und enzymatischer Stärkemodifikationsgrad, auf der Zugänglichkeit der Proben für Wasser bzw. wässrige Enzymsuspensionen basieren.
Mittels mikroskopischer Methoden, beispielsweise der Rasterelektronenmikroskopie (REM), können die Unterschiede in den Vermahlungsverfahren sichtbar werden (Abbildung 4). Deutlich zu erkennen sind Stärkegranula, die in eine Proteinmatrix eingebettet sind. Durch die umliegende Proteinschicht können Wasser bzw. Enzyme nur schlecht zu den dicht gepackten Stärkegranula gelangen, um diese zu hydratisieren bzw. zu hydrolysieren. Eine geringe Wasserbindungskapazität ist die Folge.
Abbildung 4: Rasterelektronenmikroskop (REM)-Aufnahmen des Referenzmehles und modifizierter Mehle. REM-Aufnahmen erstellt durch Hosokawa Alpine AG
Die Nachvermahlung mittels Ultrazentrifugalmühle führte zum Herausbrechen einzelner Stärkegranula aus den Agglomeraten, wobei bei höherer Umdrehungszahl mehr Stärkegranula entfernt wurden und die Wasserbindungskapazität stieg. Im Gegensatz zur Ultrazentrifugalmühle führte die nachgeschaltete Modifikation mittels Kryomühle zu einer stärkeren Fragmentierung der Agglomerate, wodurch deutlich kleinere Mehlpartikel resultierten. Zusätzlich rief die kryogene Modifikation eine Entfernung der Proteinschicht um die Granula hervor. Bei der Modifikation mittels Kugelmühle fand eine deutliche Wärmeentwicklung beim Mahlvorgang statt. Einerseits führten die hohen mechanischen Kräfte zu einer Fragmentierung der Agglomerate, andererseits verklumpten die Bruchstücke. Letzteres führte sogar zu einem Anstieg der Partikelgröße. Die neu gebildeten Agglomerate waren hingegen weniger dicht gepackt als die nativen Mehl-Agglomerate. Wasser und Enzyme konnten dadurch leichter eindringen als beim nativen Mehl, wodurch die Wasserbindungskapazität der Kugelmühlen-modifizierten Mehle ebenfalls anstieg. Diesen Effekt verdeutlicht auch die Bestimmung der Partikelgrößenverteilung (Abbildung 5). Die Zerkleinerung von Mehlpartikeln durch die nachgeschaltete Modifikation in den Mühlen führt zu einer Erhöhung der spezifischen Oberfläche der Schüttung. Dabei wird deutlich, dass bei gleicher spezifischer Oberfläche der Schüttung, beispielsweise ca. 175 cm3/g, Kugelmühlen-modifizierte Mehle eine höhere Stärkemodifikation aufweisen als Prallmühlen-modifizierte Mehle.
Durch freiliegende Stärkegranula und die Fragmentierung der Agglomerate wird bei der Teigbereitung die Oberfläche der Stärkegranula, die in Kontakt zum Wasser aus der Teigmatrix stehen, erhöht. Dies führt bei modifizierten Mehlen zu einer höheren Wasserabsorption bei der Teigbereitung. Die Wasserzugabe muss daher bei modifizierten Mehlen erhöht werden, da sonst nur geringe Mengen an Wasser für die Ausbildung des Glutennetzwerkes zur Verfügung stehen und sehr feste, wenig elastische Teige aus dem Knetprozess resultieren.
Neben rheologischen Untersuchungen kann eine Veränderung der Kleberausbildung auch mittels CLSM (konfokales Laserscanning Mikroskop) nachgewiesen werden. Dabei werden selektiv die einzelnen Mehlfraktionen mit fluoreszierenden Farbstoffen angefärbt, beispielsweise die Proteinfraktionen (Abbildung 6). Native Weizenmehle bilden bei der Teigbereitung ein dreidimensionales Netzwerk aus, welches die erforderlichen technologischen Eigenschaften (Gashaltefähigkeit, Elastizität etc.) aufweist. Mit zunehmender Erhöhung der Drehzahl in der Ultrazentrifugalmühle nehmen die Proteinfläche sowie die Länge der Proteinstränge ab. Die Netzwerkstruktur geht verloren. Bei mit 18.000 U/min modifizierten Mehlen (rechts, unten) bilden Proteine bei der Teigbereitung nur noch eine granulare Struktur mit schlechtem Gasrückhalt aus. Die Ursache für dieses Verhalten liegt in der hohen Wasserbindung der modifizierten Stärke: Bei konstanter Teigausbeute bindet modifiziertes Mehl mehr Wasser, wodurch weniger freies Wasser zur Ausbildung des Glutennetzwerkes vorhanden ist. Zudem kann die Schwächung des Klebernetzwerkes auch in der Modifikation des Glutens selber begründet sein, was noch in weiteren Untersuchungen aufgeklärt werden soll. In weiterführenden Versuchen soll geklärt werden, ob durch eine angepasste Wassermenge die gleichen Netzwerksstrukturen erzeugt werden können wie in nichtmodifiziertem Mehl.
Abbildung 5: Abhängigkeit der spezifischen Oberfläche der modifizierten Mehle und des Stärkemodifikationsgrades in der Ultrazentrifugalmühle (♦) und Kugelmühle (Δ)
Abbildung 6: CLSM-Aufnahmen Ultrazentrifugalmühlen-modifizierter Mehle mit angefärbtem Proteinnetzwerk
Zusammenfassung & Fazit
Die Weizenteigausbildung und letztendlich die sensorischen Eigenschaften von Backwaren werden nachhaltig durch das Ausmaß und die Art der Stärkemodifikation bestimmt. Dabei stieg mit Erhöhung der Krafteinwirkung in der Prallmühle der Stärkemodifikationsgrad um bis zu 104 % sowie die Wasserbindung um bis zu 69 % an. Die starke Hydrophilie („Wasserliebe“) der modifizierten Stärken reduziert die Menge an verfügbarem Wasser, die zur Ausbildung der Proteinnetzwerkstrukturen benötigt werden. Zur Vermeidung sehr fester, unelastischer Teige sollte daher die Wassermenge bei der Teigbereitung zwingend angepasst werden. Es sollte jedoch eine Wasserzugabe unterhalb des empfohlenen Wasserzusatzes der Standard-Analysegeräte verwendet werden, da die ermittelte Wasserabsorption (beispielsweise im „Doughlab“) eine Wasserüberdosierung zur Folge hätte. Zudem sollten bei der Modifikation der Mehle Verfahren gewählt werden, die nicht ausschließlich die Oberflächeneigenschaften der Mehlpartikel und damit die Wasseraufnahmefähigkeit bzw. -verteilung beeinflussen. Vielmehr sollten im Fokus mechanisch-thermische Verfahren stehen, die die Verkleisterungseigenschaften verbessern, ohne ausschließlich die granulare Struktur der Stärke oder der Mehlpartikel zu verändern.
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass sich herkömmliche Messmethoden bei der Analyse von mechanisch modifizierten Mehlen nur bedingt eignen. Kugelmühlen-modifizierte Mehle wiesen eine hohe Partikelgröße auf, was dazu verleitet, eine geringe Mehlmodifikation anzunehmen. Allerdings wurde deutlich, dass die neu gebildeten Agglomerate aufgrund der Hitzeentwicklung beim Vermahlen poröse Strukturen aufweisen. Die Wasserbindung kann daher auch ohne Veränderung der Partikelgröße bei den „mechanisch“ modifizierten Mehlen ansteigen. Die Modifikation in der Kryomühle führte beim Vergleich der drei Mühlen zu der feinsten Körnung. Durch die Versprödung bei tiefen Temperaturen wurde ein erleichtertes Bruchverhalten der Mehlpartikel bereits bei geringer Krafteinwirkung erzielt.
Grundsätzlich zeigt sich dadurch, dass neben der Steuerung der mechanischen Krafteinwirkung eine Temperaturerfassung bzw. -kontrolle beim Vermahlen unerlässlich ist, sowohl für die Steuerung des Stärkemodifikationsgrades über die Partikelgröße als auch für die Vorhersage der funktionellen Eigenschaften.
Der Beitrag basiert auf Erkenntnissen aus dem IGF-Vorhaben (AiF 18679 N). Das o.g. IGF Vorhaben der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) Godesberger Allee 142-148, 53175 Bonn wird/wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Autoren
Sabina Jakobi, Dr.-Ing. Mario Jekle*, Prof. Dr.-Ing. Thomas Becker
Technische Universität München (TUM)
Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie
Arbeitsgruppe Getreidetechnologie und -verfahrenstechnik
85354 Freising, Germany
E-Mail: mjekle@tum.de *Kontaktperson