Vorgebackenes Brot sechs Tage und mehr bei 3 Grad Celsius unverpackt lagern, ohne dass Feuchtigkeit verloren geht – Johann Trenker aus Toblach im Pustertal sichert sich damit ein Maximum an Flexibilität und Frische.
Schüttelbrot ist nicht gleich Schüttelbrot – jeder Bäcker in Südtirol hat sein eigenes Rezept und Johann Trenker gleich ein halbes Dutzend. Es gibt roggenbetontes Schüttelbrot handgemacht, Dinkel-Schüttelbrot, maschinell gefertigtes Weizen-Schüttelbrot, Schüttelbrot mit Saaten und Minischüttelbrot als Knabbergebäck. Schüttelbrot heißt übrigens Schüttelbrot, weil der gegarte Teig auf dem Brettchen so geschüttelt wird, dass er – dank einer TA von mehr als 180 – bei so viel Energieeintrag breitläuft
Das Pustertal ist nicht übermäßig bevölkert, dafür kommen im Sommer und zur winterlichen Skisaison Tausende Touristen in die Hochgebirgsregion rund um die berühmte Bergformation „Drei Zinnen“. Für einen Bäcker wie Johann Trenker sind die extremen Nachfrageschwankungen kein leichtes Spiel, heißt es doch, ein komplexes Produktions- und Vertriebssystem täglich neu auszutarieren.
Zwei Drittel seines Umsatzes macht Trenker mit seinen neun Filialen im italienischen und zwei im österreichischen Teil des Pustertales sowie sechs Standorten im 100 km entfernten Bozen. Dazu kommen die Belieferung der heimischen Gastronomie sowie privater Großhändler, die vor allem seine roggenbetonten Südtiroler Spezialitäten den italienischen Stiefel hinunter bis nach Rom vertreiben.
Johann Trenker ist zufrieden mit dem Ergebnis. Nur handgefertigte Schüttelbrote zeigen eine unterschiedlich gebräunte Oberfläche
Einen wichtigen Faktor, um das schwankende Tagesgeschäft auszugleichen, stellt das Spezial-Sortiment aus diversen Trockenprodukten wie Schüttelbrot, Laugen-Grissini, Laugenstangen, Stuzzini, Brezen etc. dar, die in alle heimischen Vertriebskanälen ebenso zum Verkauf angeboten werden wie im internationalen Lebensmitteleinzelhandel. Erst in der Summe ergibt sich daraus ein zwar wechselvolles, aber doch zu einem Ganzen zusammenwachsendes Produktionsportfolio, das die 13 Bäcker in der Produktion zweischichtig auslastet. Inklusive Verpackung, Versand, Verwaltung und Filialen beschäftigt Trenker insgesamt gut 70 Mitarbeiter.
Der Schwerpunkt seines Frischesortimentes liegt auf Brot und Brötchen, vieles davon Südtiroler Spezialitäten mit einem gehörigen Roggen- oder Dinkelanteil. Selbst das Zwirbelbrot zeigt dank des Roggenanteils eine deutlich dunklere Teigfarbe als anderorts üblich. Während die Brötchen direkt oder in Langzeitführung über Gärunterbrecher gefahren werden, geht Trenker seit November vergangenen Jahres beim Brot neue Wege. Wege, die die meist 500 Gramm schweren Brote zu 70 % teilgebacken durch einen Flexbaker von Hein führen. Kurz vor der Auslieferung werden sie in der Produktion fertig gebacken.
Im Gegensatz dazu sind die per Ausrollanlage hergestellten Schüttelbrote absolut gleichmäßig in Form und Farbe
Der Flexbaker ist eine modifizierte Kühlzelle, in der durchgängig eine Temperatur von 3 °C und eine relative Luftfeuchtigkeit von 95 % herrschen. Die Luft in der Zelle wird permanent mit verhältnismäßig niedriger Geschwindigkeit umgewälzt. Dabei passiert die Luft im Deckenbereich UV-Lichtquellen, was das Wachstum von Keimen und Schimmelsporen hemmt. Eine neu entwickelte Steuerungssoftware reguliert Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftgeschwindigkeit. Hygrometer messen die Luftfeuchtigkeit, bei Bedarf leitet die Steuerung zusätzliche Feuchtigkeit über Druckplatte an der Seitenwand ein, per Schiebeelement reguliert je nach Belegung der Zelle. Für die Luftgeschwindigkeit sieht das Programm eine Differenzierung in 200 Stufen vor.
Stuzzini heißen die kleinen gelaugten Gebäcke, die gerne als Knabberartikel vernascht werden und für Trenker genauso wie große Laugenstängel, Brezen und Schüttelbrot zum Dauerbackwarensortiment gehören, mit dem sich die Nachfrageschwankungen im Frischegeschäft ausgleichen lassen
Die Bachelorarbeit von Viktoria Binder an der FH Oberösterreich in Wels hat sich im vergangenen Sommer mit der „Physikalischen Charakterisierung von HB-Backwaren während der Lagerung in einer modifizierten Kühlzelle“ – also dem Flexbaker – eingehend auseinandergesetzt. Die Arbeit entstand in Zusammenarbeit mit den Backmeistern von backaldrin, Asten. Um die Wirkung zu beurteilen, analysierte Frau Binder den Wassergehalt, das Gewicht und die Textur von Halbbacksemmeln und vier verschiedenen Brotsorten sowohl während der jeweiligen Lagerung als auch nach dem zweiten Backprozess. Getestet wurden Halbbacksemmel, ein Weizenbrot Countrystyle, ein Weizenmischbrot 70/30, ein Roggenmischbrot 70/30 sowie ein PurPur-Vollkornbrot. Während bei anderen Lagerverfahren wie der Raum- oder Kühllagerung unter Stikkenhauben deutliche Wasserverluste auftraten und die Krumenfestigkeit sich erhöhte, stellte Frau Binder fest: „Bei den HB-Backwaren wurde während der Lagerung kein Wasserverlust bestimmt. Im Gegenteil, es wurde eine Gewichtszunahme während der Lagerung beobachtet. Nach dem zweiten Backprozess wurden nur sehr geringe Wasserverluste festgestellt, sodass ein nur sehr niedriger Backverlust wahrgenommen wurde. Folglich resultierte daraus auch eine weichere und feuchtere Krume, was sich auch in der sensorischen Beschreibung widerspiegelte.“ Laut ihrer Beobachtung lassen sich HB-Backwaren unter diesen Bedingungen für rund sieben bis 14 Tage lagern, ohne dass ein Verderb auftritt oder Gewicht nennenswert verloren geht. Die Krume bleibt elastisch und weich und das Aroma verbessert sich sogar noch. Testpersonen bescheinigten Flexbaker-
Semmeln im Vergleich zu frischen Kaisersemmeln sogar ein besseres Aroma. Im Gegensatz zu einem Teiglagerfroster sinke der Energiebedarf außerdem um bis zu 40 %. Auch Teiglinge, so Binder, lassen sich im Flexbaker für zwei bis drei Tage ohne Konservierung lagern.
Die verschiedenen Brotsorten lagern sortiert und mit Datum beschriftet in Kisten im Flexbaker. Foto oben: Ist der Flexbaker geschlossen, kann man das UV-Licht sehen, an dem die Luft entlangzirkuliert
Für Johann Trenker allerdings steht weniger die exzessive Lagerdauer im Vordergrund. Das Aroma erreicht er durch Langzeitführung, Sauerteig und Kochstück. Für ihn geht es vor allem um die hohe Flexibilität, die ihm das neue System bietet und die Chance, auf diese Weise von der Tiefkühlung der Brote wegzukommen. Bei ihm lagert das Brot durchschnittlich vier bis sechs Tage im Flexbaker. Die ausschließlich für den internen Warentransport bestimmten gelben Körbe verfügen über einen geschlossenen Boden und offene Seiten. Das mindert die unkontrollierte Verteilung herunterfallender Bestreuungen. Jeder Korb fasst sechs Brote à 500 g. Der Flexbaker fasst 450 Körbe. Genug, um auf Absatzschwankungen und selbst auf sehr kurzfristig auftauchende Nachfragepeaks sehr schnell reagieren zu können.
Krustenbrot ohne Hefe wird von Hand aufgemacht und zum Vorbacken in den Etagenofen eingeschossen