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b+b-2018-03-Branchentreff in Freising

Im April 2018 fand nun zum siebten Mal die Frühjahrstagung des Weihenstephaner Instituts für Getreideforschung (WIG) statt. Auf der hochkarätigen Veranstaltung präsentierten Wissenschaftler neuste Forschungsergebnisse.

Verschiedenste Backwarenhersteller, Vertreter der Zulieferindustrie und des Anlagenbaus sowie Forscher aus der D-A-CH-Region trafen sich auf der 7. WIG-Frühjahrstagung in Freising. Mit rund 130 Teilnehmern war die Veranstaltung, wie auch in den Vorjahren, ausgebucht. Traditionell begrüßten Prof. Dr. Thomas Becker (TUM) und Dr. Margit Jekle (WIG) die Gäste. Besonders im Jubiläumsjahr 2018 ist die Technische Universität München (TUM), im Jahr 1868 als Polytechnische Schule gegründet, stolz darauf, zu den besten Universitäten Europas zu gehören. Die Exzellenzuniversität bietet mit den verschiedensten Fakultäten gerade für die Backbranche ein großes Potenzial. Neben der Ausbildung von Fachkräften sind natürlich auch die Forschungsergebnisse für die Praktiker von großer Bedeutung.

Das Programm der Tagung war sehr umfangreich und einige Referenten veröffentlichen in den kommenden Ausgaben der brot+backwaren entsprechende Artikel. Daher hier nur eine kurze Zusammenfassung von einigen Vorträgen.

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Sabina Jakobi referierte über das Thema „Für die Praxis: Superfood zur Verbesserung nutritiver und funktioneller Eigenschaften von Teigen und Backwaren“. Die Auswirkungen der Teigtemperatur auf Backwaren erläuterte Dr. Mario Jekle

So referierte z. B. Dr. Christoph Verheyen, TUM, über das Thema „Muss Mehl immer Brot ergeben – Von Getreidedrinks bis zu neuen Texturierungsmethoden“. Der Wissenschaftler erklärte, dass bedingt durch die komplexe Struktur pflanzlicher Kohlenhydrate insbesondere Getreide im nativen Zustand schwer verdaulich und nur eingeschränkt für die menschliche Ernährung geeignet ist. Dies setzt weitere Prozessierungsschritte wie z. B. eine thermische Behandlung voraus. Ein gängiges Texturierungsverfahren, bei welchem Getreidemehle durch einen thermischen Behandlungsschritt in ein verzehrsfähiges Produkt überführt werden, ist die Herstellung von Brot- und Kleingebäck. Dagegen bieten moderne Texturierungsverfahren, wie z. B. der 3D-Druck oder die Überführung von Getreide in pflanzenbasierte Milchalternativen, die Möglichkeit, nutritiv angepasste Produkte mit einer neuartigen Konsistenz zu kreieren, erklärte der Referent. Die Herstellung solcher Pflanzendrinks kann entweder durch Extraktion nutritiv und geschmacklich hochwertiger Inhaltsstoffe, wie im Fall von Sojamilch, erfolgen oder durch enzymatischen Abbau des gesamten Korns bzw. daraus hergestellter Auszüge durchgeführt werden. Im Rahmen eines Forschungsprojektes wurde durch eine enzymatisch katalysierte Hydrolyse von Stärke ein Getreidedrink auf Basis von Reis entwickelt. Das Verfahren zur Herstellung eines Getreidedrinks steht exemplarisch für die Entwicklung neuartiger Prozesse zur Überführung des Ausgangsrohstoffes Getreide in ein verzehrsfähiges Produkt.

Superfood

Doktorandin Sabina Jakobi, TUM, referierte über das Thema „Für die Praxis: Superfood zur Verbesserung nutritiver und funktioneller Eigenschaften von Teigen und Backwaren“. So stellt Reis in weiten Teilen der Welt die dominierende Getreideart dar und gewinnt auch in Deutschland immer mehr an Beliebtheit. Derzeit am Markt erhältliche reisbasierte Backwaren weisen jedoch oftmals erhebliche nutritive Defizite auf, da Reismehlen (funktionelles) Protein fehlt, so die Referentin. Einerseits werden daher in Deutschland Pseudocerealien mit hohem Proteingehalt zugesetzt, beispielsweise Quinoa, welches jedoch aufgrund seiner sozialen und ökonomischen Folgen in den Andenländern immer mehr in Verruf gerät. Andererseits wird eine seit Jahrtausenden in und außerhalb Europas genutzte Eiweißquelle – die Insekten – immer noch nicht zur Verbesserung der nutritiven Eigenschaften von Backwaren ausreichend in Betracht gezogen. Dabei stellen Insekten, z. B. Buffalowürmer, mit über 55 % Protein und einer guten Aminosäurezusammensetzung eine geeignete Möglichkeit zur Verbesserung der nutritiven und funktionellen Eigenschaften von Backwaren dar. Daher wurde ein teilweiser Austausch von Reismehl (0–20 %) durch Insektenpulver (Alphitobius Diaperinus) bei der Herstellung von Standard-Reisbroten (ohne Hydrokolloidzugabe) durchgeführt mit dem Ziel, die sensorischen und nutritiven Eigenschaften zu verbessern. Die Zugabe von Insektenpulver von bis zu 20 % rief eine Erniedrigung des spezifischen Volumens der Backwaren hervor, konnte jedoch durch Anpassung des Wassergehaltes ausgeglichen werden. Zudem wiesen die Backwaren einen nussigen Geschmack bei Austausch des Reismehles bis 20 % auf. Negative, mit Reis assoziierte Aromen nahmen hingegen ab, erläuterte Sabina Jakobi. Der Reismehlaustausch führte bei einer Verkostung zu einer positiven Beurteilung der Backwaren, hingegen zeigten einige Testpersonen Ekel aufgrund der neuartigen Proteinquelle. Besonders in Europa müssen daher zur erfolgreichen Etablierung von Insektenprotein die negativen Assoziationen und der Ekel über Insekten überwunden werden.

Teigverarbeitungsfähigkeit

Auswirkungen der Teigtemperatur auf Backwaren lautete das Thema von Dr. Mario Jekle, TUM. So hängen die Verarbeitungseigenschaften von Weizenteigen während der Backwarenherstellung von der Rezepturzusammensetzung wie auch vom Herstellungsprozess ab. Ein relativ einfacher Parameter stellt hierbei die Temperatur der Teige nach dem Kneten dar, erklärte der Referent. Diese wird z. B. durch die Ausgangstemperatur der gelagerten Rezepturbestandteile (Mehl, Backzutaten etc.), die Temperatur des Schüttwassers, die Umgebungstemperatur sowie die Knetintensität sowie -dauer verändert. Besonders jahreszeitliche Unterschiede haben häufig einen großen Einfluss auf die Schüttwassertemperatur und hierdurch auf die Teig(end)temperatur. In der Praxis sind heute Möglichkeiten vorhanden, um die Schüttwassertemperatur zu steuern (entsprechende Temperierungsanlagen oder Verwendung von Eis) und somit zumindest eine sehr bedeutende Variable konstant zu halten. Trotzdem können die Variablen zu abweichender Teigend-
temperatur führen. Daher wurde in einer einfachen Versuchsreihe der Einfluss der Weizenteigtemperatur nach dem Kneten im Bereich zwischen 20 und 32 °C variiert, um den Einfluss auf die Gebäckqualität aufzeigen zu können. In den ersten Versuchsreihen wurden bewusst alle weiteren Prozessparameter konstant gehalten und Kastenweißbrote sowie praxisnahe Wurzelbrote hergestellt und vermessen. Hierbei konnten mit erhöhter Teigtemperatur nach dem Kneten Volumenerhöhungen von fast 25 % erfasst werden, aber auch eine unterschiedliche Ausbildung der Volumina in Abhängigkeit der hergestellten Backwarenart. Eine erhöhte Teigendtemperatur nach dem Kneten führte zudem zu einer lockereren und „wilderen“ Porung. Die Temperatur der Teige nach dem Kneten wirkt sich neben der Ausbildung des Gluten-/Klebernetzwerkes und des elastischen Verhaltens der Teige sehr stark auf die Aktivität der Hefe während der verschiedenen Stufen des Gärprozesses aus. Daher wurde in einer weiteren Reihe mit einer einfachen Methode das Volumen der Teige am Ende des Gärprozesses standardisiert und somit mit gleichem Ausgangs-Teigvolumen abgebacken. Auch in diesem Fall zeigte sich weiterhin eine Erhöhung des Teigvolumens mit steigender Teigtemperatur nach dem Kneten, welche mit einem Anstieg von etwa 7 % jedoch deutlich niedriger ausfiel. Die Porung war hierdurch jedoch bei allen Produkten relativ konstant (locker). Die Versuche unterstreichen das Wissen um die Bedeutung der Teigtemperaturen nach dem Kneten auf die Gebäckqualität, fasste Dr. Jekle die Ergebnisse zusammen.