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b+b-2018-02-Food Fraud

Spätestens seit Veröffentlichung der Version 6.1 des IFS Food Ende 2017 ist Food Fraud in aller Munde. Doch was genau ist Food Fraud und was gilt es nun zu tun? Hier ein Überblick.

Was ist Food Fraud?

Wörtlich übersetzt handelt es sich um Lebensmittel-Betrug und meint eine absichtliche Beeinflussung von Lebensmitteln zum wirtschaftlichen Vorteil.

Der IFS definiert Food Fraud z. B. als die vorsätzliche und absichtliche Substitution, falsche Etikettierung, Verfälschung oder Fälschung von Lebensmitteln, Rohstoffen, Zutaten oder Verpackungen, die auf den Markt gebracht werden, um einen wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen. Diese Definition gilt auch für ausgelagerte Prozesse.

Warum Food Fraud?

Grundlage vieler Lebensmittelsicherheitsstandards, wie z. B. BRC, IFS und FSSC 22000, sind die Vorgaben der internationalen Institution GFSI (Global Food Safety Initiative). Von dieser werden in den sogenannten GFSI Guidance Documents Vorgaben festgelegt, die ein Standard umsetzen muss, um von der GFSI anerkannt zu werden. Die in der Vergangenheit aufgetretenen Lebensmittelbetrugsfälle haben dazu geführt, dass Food Fraud seit der Version 7 ein Bestandteil des GFSI Guidance Document ist.

Wie erkennt man Potenzial für Food Fraud?

Um zu erkennen, welche Betrugspotenziale bestehen und zu berücksichtigen sind, ist eine systematische Recherche notwendig. Dabei sollte man möglichst versuchen, die Sichtweise eines Kriminellen einzunehmen und betrachten, wo man einfach und wirksam, mit möglichst hohem Profit, betrügen und Produkte verfälschen kann.

1. Food Fraud Team bilden
Die Recherche sollte durch ein multidisziplinäres Team (z. B. Einkauf, Qualitätssicherung, Marketing) erfolgen, um eine umfassende Sicht auf mögliche Potenziale zu erhalten.

2. Informationen sammeln
Folgendes sollte mindestens dabei berücksichtigt werden:
A. Welche Betrugs-Fälle sind bei den Produkten und Zutaten bisher aufgetreten/bekannt?
Ein Überblick der bereits aufgetretenen Betrugs-Fälle erleichtert den Einstieg in das Thema und schärft den Blick für Food-Fraud-Potenziale. Verschiedene Webseiten liefern Informationen zum Thema, hier eine Auswahl:
Monatliche Zusammenfassung von Food-Fraud-Meldungen der EU https://ec.europa.eu/jrc/en/research-topic/food-authenticity-and-quality
Meldungen im EU-Schnellwarnsystem (Filtern bei Hazard auf adulteration/fraud) https://webgate.ec.europa.eu/rasff-window/portal/?event=SearchForm
Food-Fraud-Datenbank (kostenpflichtig) www.foodfraud.org
Datenbank auf Basis der RASFF-Meldungen sowie weiterer Informationen (kostenpflichtig) www.safefood-online.de
EU-Behördennetzwerk – nicht öffentlich zugänglich
Inkl. Jahresreports – öffentlich zugänglich
https://ec.europa.eu/food/safety/foodfraud/reports_en//ec.europa.eu/food/safety/foodfraud/aas_en
B. Welche Auslobung z. B. bestimmter Zutaten, Eigenschaften oder Herkunft wie Sorte, Land/Region, Bio, Halal, Koscher usw. erfolgt bei den Produkten und Zutaten?
Die Hervorhebung besonderer Zutaten, deren Herkunft oder Eigenschaften bieten Möglichkeiten zum Betrug. Aus diesem Grund sollte man sich einen Überblick verschaffen, welche Hervorhebungen verwendet werden und bewerten, welche davon Betrugspotenzial bieten.
C. Welche Rohstoffe/Zutaten sind anfällig für Betrug?
Anhand einer Auflistung sollten alle Materialien (Rohstoffe/Zutaten/Verpackungen) bewertet werden bzgl. deren Wert, Herkunft/Herkunftsländer, Verfügbarkeit, Eigenschaften (flüssig, stückig …) usw., um das Betrugspotenzial abschätzen zu können.
D. Welche Rohstoffquellen oder Lieferanten sind anfällig für Betrug?
Auch hier gilt es, sich einen Überblick zu schaffen, welche Rohstoffquellen verwendet werden und deren Betrugspotenzial zu bewerteten. Dabei sind sicherlich hauptsächlich die Herkunftsländer sowie kulturelle Kriterien von Bedeutung.

3. Gefahrenanalyse durchführen – Food Fraud Vulnerability Assessment
3.1 Bezüglich: Materialien, ausgelagerten Prozessen, Lieferanten
Ein wesentlicher Baustein im Umgang mit Food Fraud ist der dokumentierte Plan zur Verminderung von Lebensmittelbetrug. Dieser beginnt mit einer Gefahrenanalyse, die in diesem Fall Food Fraud Vulnerability Assessment bzw. Verwundbarkeitsanalyse heißt. Darin sollen Risiken möglicher Lebensmittelbetrugsaktivitäten innerhalb der gesamten Lieferkette erkannt werden. Diese Gefahrenanalyse sollte alle Materialien (Rohmaterialien, Zutaten, Lebensmittel, Verpackungsmaterialien), alle ausgelagerten Prozesse und alle Lieferanten umfassen.

3.2 Kriterien festlegen
Der Aufbau der Gefahrenanalyse und das Verfahren zur Risikobewertung können sehr unterschiedlich sein, sollten aber immer mindestens folgende Kriterien berücksichtigen:
+ Welche Lebensmittelbetrugsfälle sind in der Vergangenheit bereits aufgetreten?
+ Wirtschaftliche Faktoren der Materialien, Lieferanten und Dienstleister
+ Wie ist die Anfälligkeit für Lebensmittelbetrug aufgrund der Eigenschaften der Materialien?
+ Welche Kontrollmaßnahmen zur Aufdeckung von Lebensmittelbetrug sind bereits eingeführt?
+ Wie ist das Vertrauensverhältnis und welche Erfahrungen gibt es mit den Lieferanten?

3.3 Risken bewerten
Die Risikobewertung anhand dieser Kriterien könnte folgendermaßen erfolgen:
A = Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit des Auftretens – wie leicht ist es möglich, (unentdeckt) zu verschneiden oder zu verfälschen – also einen Betrug vorzunehmen?
E = Wahrscheinlichkeit der Entdeckung – wie leicht ist es möglich, einen Betrug aufzudecken?

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Möglichkeit zur Risikobewertung von Materialien, ausgelagerten Prozessen, Dienstleistern und Lieferanten

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Möglichkeit zur Risikobewertung von Dienstleistern und Lieferanten

4. Risiko-Minderung planen – Food Fraud Mitigation Plan
Nachdem die Gefahren benannt und bezüglich ihres Risikos bewertet wurden, gilt es nun, den Risken zu begegnen und den Umgang mit diesen zu definieren. Dies erfolgt im sogenannten Mitigation Plan, also dem Risiko-Minderungsplan. D. h., für die Gefahren mit hohem Risiko (z. B. den oben rot markierten Risikobereichen) müssen Maßnahmen/
geeignete Kontrollen zu deren Reduzierung bzw. zur Aufdeckung der möglichen Betrugsfälle festgelegt werden. Diese können ganz unterschiedlich aussehen, z. B.
+ Durchführung von eigenen Analysen
+ Analysenzertifikate von Rohstofflieferanten, die vorgeschriebene Tests zum Nachweis der Echtheit des Materials enthalten
+ Durchführung von Audits bei Vorlieferanten, Dienstleistern usw.
+ Durchführung von Massenbilanztests
+ Verwendung von Manipulationsnachweisen wie z. B. Plomben oder Siegeln
+ Prüfen/Sicherstellen, dass Lieferanten, Händler, Dienstleister u. Ä. als Lebensmittelunternehmer bei den zuständigen Behörden registriert sind
+ Umstellung auf Zutaten oder Lieferanten mit geringerem Risiko
+ Umstellung von Zutaten oder Lieferanten aus risikoreichen Herkunftsländern auf Herkunftsländer mit geringerem Risiko
+ Verkürzung der Lieferkette durch z. B. Direktbezug vom Hersteller
+ Änderung der Einkaufspolitik (z. B. Vermeidung von Auktionen oder Spotmärkten, bei denen die Rückverfolgbarkeit von Zutaten schwieriger festzustellen ist).

In diesem Schritt liegt sicherlich die größte Herausforderung, denn nicht für jedes erkannte Risiko gibt es auch immer eine Möglichkeit, dies mit angemessenem Aufwand zu reduzieren. Wenn man dies allerdings bei den Kriterien der Gefahrenanalyse bzw. Risikobewertung berücksichtigt, sollte es möglich sein, dieser Problematik zu entgehen.

5. Systemaktualisierung
Regelmäßige Aktualisierung?
Das Food Fraud System muss ständig aktuell gehalten bzw. regelmäßig akualisiert werden. D. h. zum Beispiel bei folgenden Ereignissen:
+ Nachweis von Verfälschung durch die im Mitigation Plan festgelegten Kontrollmaßnahmen
+ Entstehung eines neuen Risikos (z. B. Veröffentlichung von Informationen über die Verfälschung einer Zutat)
+ Änderung der Verfügbarkeit von Materialien
+ (starken) Preisschwankungen von Materialien
+ Änderung im Management der Lieferanten/Dienstleister
+ Änderungen der wirtschaftlichen Situation der Lieferanten/Dienstleister
+ neuen Rohstoffen/Materialien und/oder Lieferanten/Dienstleistern
+ Änderungen z. B. des Herkunftslandes von Materialien

Sofern keine derartigen Dinge aufgetreten sind, muss das System mindestens jährlich auf Aktualität geprüft werden.

Autorin

Autorin des Artikels ist die Lebensmitteltechnologin Barbara Siebke aus Hamburg.
Sie ist als QM-Beraterin und Auditorin in der Lebensmittelwirtschaft tätig.

Bei Interesse oder Fragen können Sie Frau Siebke folgendermaßen erreichen:
T: 040 – 636 790 51, kontakt@ql-siebke.de
www.ql-siebke.de

Quellen

– Food Fraud – Lebensmittelbetrug in Zeiten der Globalisierung, Prof. Dr. Ulrich Nöhle, Behr’s Verlag, 1. überarbeiteter Nachdruck 2017
– BRC – British Retail Consortium, Global Standard Food Safety Issue 7 – Understanding Vulnerability Assessment, London, 2015
– IFS – International Featured Standards, Food Standard, Ver-
sion 6.1, IFS Management GmbH Berlin, November/2017