Die im kanadischen Vancouver beheimatete Renaissance BioScience Corp. hat eine Hefe entwickelt, die in der Lage ist, die Acrylamidbelastung im fertigen Gebäck geringer ausfallen zu lassen. Anwendungen der Hefe gibt es bislang vor allem in der Herstellung von Crackern, Knäckebrot und Keksen – wie es bei den Erfindern und Vermarktern heißt, mit positivem Ergebnis.
Die Kanadier haben die Hefe, die sie „Acryleast“ nennen, weltweit patentieren und von den kanadischen Gesundheitsbehörden als „Novel Food“ registrieren lassen. Die Food and Drug Administration der USA stufte die Hefe als „GRAS“ (Generally Recognized as Safe), also als grundsätzlich sicher ein.
Acryleast ist wissenschaftlich gesehen zwar eine ganz „normale“ Hefe, aber sie entwickelt nicht die Triebkraft der heute üblichen Bäckerhefen. Für Gebäcke, die sich entsprechend entwickeln sollen, muss deshalb normale Bäckerhefe zugesetzt werden. Dafür ist die ohne Gentechnik hergestellte Acryleast aber reich an dem Enzym Asparaginase, das die Aminosäure Asparagin – Vorprodukt von Acrylamid – knacken und unschädlich machen kann.
Die Fähigkeit dazu ist in traditioneller Bäckerhefe durchaus auch angelegt, aber die neigt dazu, erst einmal andere Aminosäuren als Stickstoffquelle zu nutzen, bevor sie ans Asparagin geht. Mittels Züchtung und Selektion hat Renaissance BioScience den Geschmack der Hefen darauf gelenkt, zuerst am Asparagin zu knabbern.
Wer bislang den Acrylamidgehalt seiner Backwaren senken wollte, ohne Rezeptur und Verfahren großartig zu ändern, musste Asparaginase-Enzym zufügen und das wird in aller Regel von Mikroorganismen erzeugt, die gentechnisch verändert sind. Obendrein gibt es in Europa nur sehr wenige Anbieter von Asparaginase und ihre Produkte sind nicht eben preiswert. Acryleast tritt also sowohl mit der GMO-Freiheit wie preislich als Alternative zu bisherigen Lösungen auf.
Die irische Rohstoff-Gruppe Kerry hat jetzt die weitgehenden Vermarktungsrechte für Europa übernommen. Ausgenommen sind davon die skandinavischen Staaten, das Baltikum sowie Polen, Tschechien und die Slowakei – dort wird das Produkt von der norwegischen Orkla-Gruppe vertrieben, die u. a. auch Bäckereirohstoffe herstellt und vertreibt.
Einen Hinweis darauf, welchen Stellenwert diese GMO-freie Lösung der Acrylamidbelastung in Zukunft möglicherweise haben kann, ist die Liste der Bäckereikonzerne, die nicht unter die Lizenzen von Kerry und Orkla fallen, sondern das Geschäft direkt mit Renaissance eingegangen sind, um so weitere eigene Entwicklungen vorantreiben zu können. Es sind drei Schwergewichte: die schwedische Lantmännen-Unibake-Gruppe, europaweiter Hersteller von Broten, Baguettes, Brötchen, herzhaften Backwaren, Croissants und Kuchen, die niederländische Continental Bakeries, die vor allem Kekse, Cracker, Honigkuchen, Knäckebrot und Zwieback produziert, sowie die italienische Barilla-Gruppe, die international zwar meistens mit Nudeln in Zusammenhang gebracht wird, in Europa aber durchaus auch ein Backwarensortiment pflegt, in Frankreich etwa unter der Marke Harry’s Toastbrot, unter Mulino Bianco in Italien Brot und Kekse, und unter Wasa europaweit Knäckebrot.
Die ersten Anwendungen waren auf Cracker, Kartoffelchips und Knabbergebäck fokussiert, wie Mike Woulfe, Vice President Business Development Enzymes von Kerry, erläuterte. Inzwischen sei man aber dabei, weitere Märkte zu erschließen, darunter Brot, Kaffee, Pommes frites und Pretzel (Laugen-Knabberartikel). Den Vorteil der nun von Kerry und Orkla vermarkteten Spezialhefe sieht Woulfe im Vergleich zur Zugabe des reinen Enzymes darin, dass hier nach dem Prinzip „von Lebensmitteln für Lebensmittel“ gearbeitet wird und eine Lösung bereitsteht, die sowohl Clean-Label- wie Non-GMO-Ansprüche erfüllt, ganz gleich ob beim Hersteller oder beim Endverbraucher. Außerdem verursache der Einsatz von Acryleast keine oder nur minimale Prozessänderungen.