Es ist ein Spagat zwischen Tradition und Moderne. Die Bäckerei Pappert aus der Rhön setzt auf eine Mischung aus Handwerk und Automatisierung in der Produktion. Das hat das Unternehmen auf den Erfolgsweg geführt.
Die Geschäftsführer des Familienunternehmens Pappert, Bernd Pappert und Manfred Klüber, konnten sich Ende 2017 über die Eröffnung des 107. Fachgeschäfts freuen. Auch 2018 möchte die Bäckerei weiter wachsen. Das Vertriebsgebiet erstreckt sich dabei rund 100 km rund um Fulda in Hessen und Bayern, nördlich bis Philippsthal und Obersuhl, westlich bis zum Rhein-Main-Gebiet und südlich bis Schweinfurt und Würzburg. Insgesamt 1.300 Mitarbeiter arbeiten am Unternehmenserfolg mit. Der Hauptsitz der Bäckerei, Poppenhausen, ist nur wenige Kilometer von Fulda entfernt. In der Produktion arbeiten rund 130 Mitarbeiter und stellen täglich bis zu 12.000 Brote, 200.000 Brötchen und 45.000 Stück Kleingebäck her. Gearbeitet wird an sieben Tagen die Woche in zwei Schichten. „Die Bereiche Snacks und Brötchen wachsen im Moment besonders“, erklärt Bäckermeister Martin Schiller, der die Produktion mit verantwortet. Für Schiller gehören die Bereiche Brot und Brötchen eindeutig zu den Kernkompetenzen der Bäckerei.
Produktionsleiter Martin Schiller (r.) und Ewald Kümmel, Vertrieb Rademaker Deutschland GmbH
Um die Leistung in der Produktion zu steigern und gleichzeitig die Qualität der Kleingebäcke zu steigern, investierte die Bäckerei jüngst in eine neue Crusto-Brot-Brötchenanlage des niederländischen Anlagenbauers Rademaker. Dabei waren die Anforderungen der mittelständischen Bäckerei hoch. So soll auf der einen Seite der Einsatz von Backmittel konsequent reduziert werden, auf der anderen Seite sollte die neue Linie auch Teige mit einer höheren Teigausbeute und einer längeren Teigruhe verarbeiten. Gleichzeitig muss die Anlage auch flexibel sein, damit z. B. auch neue Gebäckformen wie Rauten produziert werden können.
Besonderheiten
„Wir hatten noch weitere Anforderungen an den Anlagenbauer“, ergänzt Martin Schiller. Aufgrund des organischen Wachstums der Bäckerei wuchs auch die Backstube durch verschiedene Anbauten und Erweiterungen kontinuierlich. Daher musste die Crusto-Brot-Brötchenanlage bei laufender Produktion in den neuen Anbau der Bäckerei integriert werden. „Bei einer Anlagenlänge von insgesamt nur 20 Metern sollten zudem Handarbeitsplätze mit eingeplant werden, um den Gebäcken einen manuellen und individuellen Touch zu geben“, so Bäckermeister Schiller. Eine Herausforderung, der sich der Anlagenbauer Rademaker stellte. Die Lösung ist eine Crusto-Brot-Brötchenanlage, welche über ein Double Chunker-Stressfree-System (DSS) schonend ein Teigband herstellt. „Das System steht für die schonendste Teigbehandlung. Dies ist besonders wichtig bei der Verarbeitung von Teigen mit sehr langen Teigruhen und hoher TA“, erklärt Ewald Kümmel, zuständig für den Vertrieb Rademaker Deutschland GmbH.
Arbeitsweise
Der Teig gelangt am Kopf der Anlage über einen Hebekipper zuerst in den Teigtrichter der Linie. Von hier aus erreicht der Teig kontrolliert und schonend einen zweiten, unteren Trichter, welcher leicht beölt ist. Anschließend sticht das System per Doppel-Sternwalze in 20 bis 25 kg schweren Teigstücken ab. Die Teigstücke gelangen dann auf ein bemehltes Förderband, welches mit seitlichen Kunststoffbegrenzern dafür sorgt, dass ein kontinuierlicher Teigstrang entsteht. Dabei werden die Teigstücke aus dem DDS so abgelegt, dass sich diese zu 50 % überlappen.
Es folgt eine erste Walze zum Reduzieren der Teigstärke und die Übergabe des Teigstranges auf ein weiteres, bemehltes Transportband findet statt. Dieses Band befindet sich dabei unter der DDS-Einheit. Es entsteht ein kontinuierliches Teigband. Dabei sind die Übergänge zwischen den einzelnen, sich überlappenden Teigstücken nach dem ersten Schlichtwerk noch gut zu erkennen, da das Teigband sehr schonend ausgerollt und reduziert wird. Weitere Schlichtwerke und ein Querwalzwerk sorgen dafür, dass das Teigband auf die gewünschte Stärke wie z. B. von 15 mm ausgerollt wird. Um das Reduzieren zu ermöglichen, sind zudem verschiedene Mehlstreuer installiert, die von den Mitarbeitern manuell wieder aufgefüllt werden.
Produktionsleiter Schiller erklärt, dass die Teigausbeute durch die neue Anlage gleich um drei Punkte erhöht werden konnte. Zudem ist es möglich, das gewünschte offene Porenbild bei bestimmten Produkten wie Ciabatta zu erzielen. Dabei hat die Anlage eine Arbeitsbreite von 600 bzw. 800 mm (Teigband-Herstellung 600 mm / Teigband-Aufarbeitung 800 mm). Die Stundenleistung reicht von ca. 500 kg/h bis zu ca. 1.500 kg/h. Dies entspricht ca. 6.000 bis 18.000 Brötchen/h, je nach Teig und Gewichtsbereich.
Selbe Anlage, anderer Teig. Auch hier gut zu erkennen, wie sich die Teigstücke überlappen. Im ersten Schritt wird die Oberseite bestreut. Anschließend folgen das Längsschneiden und das Spreizen der Teigbänder. Der Bottom-Seeder folgt. Die fertigen Kürbiskern-Brötchen-Teiglinge
Hygiene
Um eine möglichst hohe Flexibilität zu gewährleisten, ist die Linie in verschiedene Module unterteilt. Jedes Modul ist dabei fahrbar und lässt sich aus der Anlage herausnehmen, um es z. B. zu waschen. Dabei ist die gesamte Maschine auf das „Design for Wash-down“ (D4W) ausgelegt, sprich eine Nassreinigung ohne Hochdruck ist möglich. Zudem lassen sich alle Bänder schnell und ohne Werkzeug entspannen, um die Reinigung und das Trocknen der Anlage zu erleichtern.Eine weitere Besonderheit bietet das Befeuchtungsgerät. Dieses arbeitet luftlos, sehr gezielt und effizient, somit kommt es auch zu keiner Vernebelung des Wassers.
Vertrieb
Eigene Lieferfahrzeuge (sechs Lkw, 15 Kastenwagen) versorgen die Filialen bis zu zweimal täglich mit Backwaren. Teiglinge backen die Mitarbeiter frisch vor Ort in Ladenbacköfen. Fokus der Bäckerei Pappert sind eigene Verkaufsstellen und weniger das Liefergeschäft. Dabei befinden sich die Verkaufsstellen im Umkreis von bis zu 110 km rund um die Backstube herum.
Die Bäckerei betreibt verschiedene Vertriebskonzepte als Ergänzung zum Herzstück Bäckerei:
+ Pappiamo: Pappiamo steht für italienische Gastlichkeit und versorgt die Kunden mit Pizza und Pasta, die frisch vor den Augen der Kunden zubereitet werden.
+ zuTisch: zuTisch ist das schnelle (nicht nur mittags) Konzept von Pappert. Dabei können sich die Kunden ihr Mittagsgericht aus verschiedenen Modulen im Baukasten-Prinzip selbst zusammenstellen.
+ Giovanni L.: Giovanni Lasagna steht für Eiskreationen der ganz besonderen Art. Ganz in der Tradition der Familie Lasagna mit besten Rohstoffen und höchster Qualität für Speiseeis.
+ Zweittag (day two): Der Vortagsladen für Retouren und Überhänge von Backwaren ist eine kombinierte Lösung aus Backwarentheke und Vor-Ort-Verzehr.
Bottom-Seeder
Das Teigband wird mittels Längs-Schneidewalzen in die gewünschte Anzahl an Teigstreifen geschnitten und besäumt. Der entstehende Restteig wird gesammelt und der Beschnitt der Produktion wieder zugeführt. Die kontinuierlichen Teigstreifen werden auf Dielen-Belegabstand gespreizt und dem nachfolgenden Bottom-Seeder-Streumodul zugeführt. Dort werden die Teigstreifen über eine Befeuchtungs-Walze von unten mit Wasser benetzt und gleich in das Streugut gelegt, welches kontinuierlich und flächig auf das darunter laufende Transportband gestreut wird. Eine höheneinstellbare, angetriebene Walze drückt die Teigbänder leicht in das Streugut, damit die Anhaftung unterstützt wird. So lassen sich z. B. Körner, Saaten und Grieß an der Unterseite der Teiglinge anbringen, ohne dass diese gewendet werden müssen. Auch bei dreieckigen Brötchen, Rautenbrötchen oder gestochenen Baguettes ist so ein gleichmäßiges Streubild möglich. Das überschüssige und ungebundene Streugut wird anschließend mit einer fahrbaren, kompakten Rezirkulation (luftlos) in den Vorratstrichter zurückgeführt. „Eine sehr hygienische und flexible Lösung“, bestätigt Produktionsleiter Martin Schiller. Nach dem Bottom-Seeder-Streumodul sorgt eine elektromechanische Guillotine für das Portionieren der Teiglinge, mittels Guillotinemesser oder verschiedener Stanzen.
Universalstreugeräte
Das Bestreuen der Oberseite erfolgt mittels Universalstreugerät vor dem Schlichtwerk, mit dem die Körner in die Oberfläche eingewalzt werden. „Durch die Kombination des Universalstreugerätes und des Bottom-Seeder-Streumoduls lassen sich kreative Bestreuungs-Kombinationen auf der Ober- und Unterseite realisieren, zusätzlich konnte der Schwund an Streugut über den ganzen Prozess reduziert werden“, erläutert Martin Schiller. Über eine höheneinstellbare Flipp-Kante lassen sich die Teiglinge flexibel wenden, je nachdem, ob diese in Dielen (werden vor dem Backen auf Backbleche gewendet) oder direkt auf Backbleche abgesetzt werden.
Die Teiglinge werden per Absetzband pro Rückzugsbewegung auf entweder zwei Gärdielen (600 x 400 mm) oder ein Backblech (580 x 780 mm) abgesetzt. Die Dielen werden hierzu automatisch aus einem Dielen-Magazin entstapelt und unter die Absetzung getaktet. Das Dielen-Magazin für die Anlage wurde ebenfalls von Rademaker gebaut und wird manuell befüllt.
Bevor die Dielen nun abgenommen und gestapelt werden, enthält die Rademaker-Linie noch eine Handarbeitsbahn, an der die Mitarbeiter den Teiglingen noch eben eine besondere, individuelle Form geben können.
Insgesamt ist die neue Anlage rund 20 Meter lang. An integrierten Handarbeitsplätzen können die Mitarbeiter den Gebäcken einen individuellen Touch geben
Werkzeugwechsel
Sämtliche produktbezogenen Werkzeuge, Schneidemesser, Formstanzen etc. werden auf einem großzügigen Werkzeugwagen, für schnelle Produktwechsel, bereitgestellt. „Bei uns dauert ein Produktwechsel rund 10 Minuten“, erklärt Produktionsleiter Schiller. Insgesamt ist die Produktion mit der neuen Anlage nun einheitlicher, sprich die Gebäcke haben eine gleichmäßige Qualität, es gibt weniger Abfälle und das Streubild ist gleichmäßiger. Die Leistungsgrenze der Anlage ist noch nicht erreicht und damit hat die Bäckerei noch Kapazitäten, um z. B. Teiglinge vorzuproduzieren. Durch den Einsatz der neuen Linie entfallen insgesamt drei Zwischenschritte im Vergleich zur vorherigen Produktion. Somit hat sich die Leistung gesteigert und gleichzeitig der Personaleinsatz reduziert. „Der Druck auf die Mitarbeiter hat sich deutlich reduziert und zudem konnten wir die Arbeitsbedingungen verbessern“, so Schiller.
Die in den Dielen abgesetzten Teiglinge backen die Mitarbeiter in den Verkaufsstellen ab. Dabei verfügt jede Filiale über einen oder mehrere Ladenbacköfen von Miwe oder Debag. Insgesamt sind rund 30.000 Dielen im Umlauf.
Pappert goes green
„Pappert goes green“ ist die dynamische Idee der Bäckerei, um nachhaltiger zu arbeiten. „Wir haben das Leitbild bewusst als Prozess und nicht als fertiges Konstrukt benannt. Die ersten Schritte haben wir gemacht“, erklärt Thomas Bertz, Leitung Kommunikation und Marketing. Dieser Prozess beinhaltet bereits:
+ eigene wiederbefüllbare Mehrwegbecher
+ eigene Baumwolltaschen
+ einen Preisvorteil von 20 Cent für denjenigen, der sein Heißgetränk mit einem Mehrwegbecher kauft
+ die To-go-Becher sind kompostierbar
Ein Mitarbeiter nimmt die Dielen ab und stapelt diese
Investieren
Schnittbrötchen lassen sich auf der neuen Anlage bei Pappert nicht produzieren. „Dies ist durch den Einbau eines entsprechenden Modules generell möglich, aber dafür war in der gewachsenen Produktion einfach kein Platz mehr“, so Kümmel. Martin Schiller möchte daher in der Zukunft in eine neue kompakte Schnittbrötchen-Anlage mit Dielenanbindung investieren. Zudem könnte sich der Bäckermeister den Einsatz von Robotern in der Produktion vorstellen, um z. B. die belegten Dielen automatisch zu stapeln.
Mit den jüngsten Erweiterungen der Produktion und Logistik sind die Wachstumsgrenzen auf dem Grundstück in Poppenhausen nun erreicht worden. „Aus diesem Grund sind optimierte Abläufe und automatisierte Prozesse auf bestehender Fläche oberste Priorität. Die neue Rademaker Crusto Spezialbrötchenlinie hat uns dabei sehr geholfen“, so Martin Schiller.