Von Aliena Altmann, Prof. Dr. Antonio Delgado und Prof. Dr. Bernhard Gatternig
Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Werden Roggenbrote aus ungesäuertem Teig hergestellt, lassen sich oft negative Effekte gegenüber Weizenprodukten oder Broten aus gesäuerten Teigen beobachten. Oft ist der Teig zu wenig elastisch und das Gashaltevermögen dadurch gering. Dies hat Brote mit wenig elastischer Krume, ungleichmäßiger Porenverteilung, geringem Volumen und schlechter Schnittfähigkeit zur Folge. Häufig werden hierfür die im Roggenmehl enthaltenen Pentosane verantwortlich gemacht, die im Teig als Schleimstoffe fungieren und ihm seine Struktur verleihen.
Diese Pentosane setzen sich aus wasserlöslichen und wasserunlöslichen Arabinoxylanen (AX) zusammen. Während sich die wasserlöslichen AX positiv auf Teig- und Broteigenschaften auswirken, behindern die wasserunlöslichen AX die Vernetzung des Proteinnetzwerks durch eine räumliche Umlagerung der Proteinbausteine und indem sie das zur Quellung der Glutenstruktur notwendige Wasser entziehen. Um diesen negativen Effekten entgegenzuwirken, werden Roggenteige in der Praxis entweder mit Sauerteig zubereitet oder enzymatisch behandelt. Bei der Zubereitung mit Sauerteig kompensiert eine Vernetzung der Stärke das fehlende Proteingerüst. Jedoch ist hierzu eine aufwendigere Teigführung notwendig, um das richtige Verhältnis von Säure, Hefe und Aroma zu erreichen. Die dabei entstehende Säure hemmt die Amylasen, die während des Backprozesses Stärke abbauen. Bei der enzymatischen Behandlung werden Endolasen und Xylanasen eingesetzt, um die Pentosane zu zersetzen, wasserlöslich zu machen und das gebundene Wasser wieder freizusetzen. Enzymmenge und Einwirkzeit müssen hierbei auf den jeweiligen Teig angepasst werden, da bei zu geringem oder zu kurzem Einsatz nicht die volle Wirkung erzielt wird, ein Übereinsatz hingegen ein Zerfließen des Teiges zur Folge hat. Beide Möglichkeiten gehen mit zusätzlichen Kosten und anspruchsvolleren Führungsbedingungen (pH-Wert, Temperaturführung, Timing, Dosierung) einher. Eine Zugabe von Enzymen verhindert zudem einen Verkauf der Produkte mit Bio- oder Demeter-Siegel. Daher wurde nach einer Möglichkeit gesucht, die Qualität der Brote einfach zu verbessern, ohne dabei die Nachteile zu tragen, die sich durch den Einsatz von Sauerteig oder Enzymen ergeben. Als eine Möglichkeit wurde im Rahmen des AIF20517 Projekts die Verbesserung der Roggenbrote durch den Einsatz von Hochleistungsultraschall während der Teigbereitung untersucht. Dieser dringt als mechanische Welle in den Teig ein und breitet sich dort als Abfolge von Druckwellen (Dehnung und Stauchung des Mediums) aus. Diese Druckwellen können, je nach Intensität und Medium, unterschiedliche Effekte hervorrufen. Niedrige Frequenzen von 20 kHz bis zu mehreren 100 kHz führen hierbei zu Kavitationen innerhalb des Mediums, die enthaltene Partikel zerkleinern können. Frequenzen ab 2 MHz rufen hingegen sonochemische Effekte hervor. Im Fall der Brotherstellung sollen auf diese Weise die wasserunlöslichen Arabinoxylane in wasserlösliche AX gespalten werden. Da es sich hierbei um ein rein physikalisches Verfahren handelt, müssen ganz im Sinne des „Clean Labeling“ keine zusätzlichen Inhaltsstoffe angegeben werden. Somit wird durch den Einsatz von Ultraschall die Naturbelassenheit bewahrt und die Produktqualität verbessert.
Abbildung 1: Fertig gebackenes Versuchsbrot neben verwendeter Kastenform
Um nun den Nutzen des Einsatzes von Ultraschall zu untersuchen, wurde zunächst ein Versuchsstand entwickelt. Mit diesem war es möglich, unterschiedliche Parameter des Ultraschalls zu variieren und deren Zusammenhänge zu erforschen. In Zusammenarbeit mit der Firma SONOSYS® wurden zwei Knetkessel entwickelt, in deren Boden passgenau Sonotroden mit 600 kHz und 500 W bzw. 2 MHz und 300 W eingesetzt werden können. Der in diesen Kesseln verarbeitete Teig kann somit während des Knetprozesses von unten direkt mit Ultraschall beaufschlagt werden. In einer ersten Versuchsreihe wurde der Teig mit den jeweils maximalen Leistungen der beiden Sonotroden behandelt. Die aus diesen Teigen gebackenen Brote wurden anschließend mit Broten verglichen, die nach der gleichen Rezeptur, aber ohne Ultraschall hergestellt wurden. Betrachtet wurden hierbei Gewicht, Volumen und Porengrößenverteilung. Auch die Teige wurden untersucht, um festzustellen, ob eine Ultraschallbehandlung die weitere Teigverarbeitung möglicherweise erschwert oder erleichtert. Hierzu wurden Teigproben mithilfe eines Rheometers bezüglich ihres Fließverhaltens vermessen. Aus den resultierenden Kurven kann geschlossen werden, wie flüssig oder fest und wie elastisch oder plastisch der Teig ist.
In einer zweiten Versuchsreihe wurde ebenfalls die 2-MHz-Sonotrode von SONOSYS® verwendet, wobei diesmal die angelegte Leistung von 30 W über 150 W bis 300 W variiert wurde.
Für alle Versuche wurden Roggenmischbrote mit einem Roggenmehlanteil von 70 % und 30 % Weizenmehlanteil hergestellt, die in Kastenformen gebacken wurden.
Für die Untersuchung der Teigbeschaffenheit wurde jeweils eine Teigprobe im Rheometer untersucht. Hierbei werden ein paar Gramm Teig zwischen zwei Platten flach gedrückt. Eine dieser beiden Platten steht still, während die andere alternierend rotiert. Je nachdem, wie viel Kraft für diese Rotation benötigt wird, ist der untersuchte Teig weicher oder fester. Des Weiteren wird bestimmt, wie stark der Teig die rotierende Platte zurückzieht, wodurch auf dessen Elastizität geschlossen werden kann. Bei diesen Messungen stellte sich heraus, dass beide Sonotroden unabhängig von deren Frequenz zu einem weicheren und gleichzeitig weniger elastischen Teig führen. Eine hohe Leistung erweichte den Teig hingegen stärker als eine geringe Leistung. Ein weicher Teig bei gleichen Zutaten ist jedoch für die Weiterverarbeitung eher nachteilig. Je weicher und weniger elastisch dieser ist, desto mehr klebt er an diversen Verarbeitungsgeräten und Werkzeugen und zerfließt, statt seine Form zu halten. Durch eine Anpassung der Rezeptur kann dieser Nachteil allerdings ausgeglichen werden.
Abbildung 2: Porendetektion und Auswertung der Brotkrume durch digitale Bildverarbeitung
Das Hauptaugenmerk liegt im vorgestellten Projekt jedoch nicht auf der Änderung der Teigbeschaffenheit, sondern auf der Verbesserung der Brotqualität. Die erste Untersuchung, die hierzu durchgeführt wurde, ist die Bestimmung des Backverlusts. Bei immer gleicher Teigeinwaage und Abkühlzeit wurden die Brote daher gewogen. Hierbei wurde festgestellt, dass der Backverlust sich nicht durch die Anwendung von Ultraschall ändert. Gleiches gilt auch für das Brotvolumen. Um dieses zu bestimmen, wurde das zu untersuchende Brot in eine eng anliegende Plastiktüte verpackt und in einem wassergefüllten Gefäß vollständig untergedrückt. Die Menge an Wasser, die über den Gefäßrand in einen Auffangbehälter läuft, kann anschließend gewogen werden. Je größer nun das Brotvolumen ist, desto mehr Wasser wird verdrängt und läuft in den Auffangbehälter. Somit kann das Brotvolumen berechnet werden.
Abbildung 3: Fertig gebackenes Versuchsbrot
Nachdem Gewicht und Volumen also unbeeinflusst geblieben sind, wird zuletzt noch der für die Qualität wichtigste Aspekt untersucht: die Porengrößenverteilung. Dies war die wichtigste, aber auch aufwendigste der genannten Messungen. Hierfür wurden aus der Brotmitte je zwei Scheiben geschnitten und mit einem digitalen Auflichtmikroskop fotografiert. Um sicherzustellen, dass immer der gleiche Ausschnitt der Scheibe in immer der gleichen Vergrößerung fotografiert wird, wird zuvor eine Schablone mit einer entsprechenden Aussparung für den Fotobereich auf die Scheibe aufgelegt. Mithilfe digitaler Bildverarbeitung werden nun die einzelnen Poren erkannt und können somit gezählt und vermessen werden. Da große Poren in der Brotkrume unerwünscht sind, werden die Poren nach ihrer Größe aufgeteilt. Alle Poren mit einer Fläche von 5 mm² oder mehr gelten hierbei als groß und alle kleineren Poren als klein. Um nun eine einzige Kennzahl zu erhalten, mit der Brotkrumen einfach miteinander verglichen werden können, wird die Summe der Flächen aller kleinen Poren mit der Summe aller Flächen ins Verhältnis gesetzt. Das so erhaltene Flächenverhältnis wird also 1, wenn ausschließlich kleine Poren vorhanden sind, und 0, wenn ausschließlich große Poren vorhanden sind. Realistische Werte liegen also irgendwo innerhalb dieser Grenzen. Und tatsächlich zeigte der Einsatz von Ultraschall bei dieser wichtigsten Untersuchung den gewünschten Effekt. Beide Sonotroden erhöhen das Flächenverhältnis signifikant. Bei maximaler Leistung steigt es durch die Anwendung der 600-kHz-Sonotrode um rund 8 % von 0,795 auf 0,860 und durch die Anwendung der 2-MHz-Sonotrode sogar um rund 13 % von 0,795 auf 0,895. Wird nun die eingesetzte Leistung der verwendeten 2-MHz-Sonotrode variiert, so wird bei einer Leistung von nur 30 W sogar ein Flächenverhältnis von 0,922 erreicht. Dies entspricht einer Erhöhung von 16 % und übertrifft damit bei Weitem die Erwartungen. Interessant ist hierbei insbesondere, dass eine höhere Leistung nicht mit einem größeren Effekt einhergeht. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass durch die Erwärmung der Sonotrode, die bei der Anwendung hoher Leistungen stattfindet, auch nachteilige Reaktionen hervorgerufen werden, die den positiven Effekten entgegenwirken und den Gesamteffekt dadurch abschwächen. Bei dem Einsatz geringer Leistungen ist die Erwärmung der Sonotrode jedoch kaum ausschlaggebend und nimmt daher auch keinen negativen Einfluss auf das Gesamtergebnis.
Abbildung 4: Krume eines Brotes aus ultraschallbehandeltem Teig
Abbildung 5: Krume eines Brotes aus nicht mit Ultraschall behandeltem Teig
Insgesamt wurde festgestellt, dass die Teige durch den Einsatz von Hochleistungsultraschall weicher und weniger elastisch werden, was jedoch durch eine Anpassung der Rezeptur ausgeglichen werden kann. Zudem ändern sich Backverlust und Brotvolumen nicht, während sich das Krumenbild nachweislich verbessert. Somit konnte das Projekt erfolgreich abgeschlossen und ein positiver Einfluss des Ultraschalleinsatzes auf die Qualität von Roggenbrot nachgewiesen werden.
Abbildung 6: Prüfstand: Knetmaschine mit im Kesselboden verbauter Ultraschallsonotrode
Abbildung 7: Blick in den Knetkessel mit im Boden verbauter Sonotrode
Auch eine Verbesserung der Gebäckqualität anderer roggenhaltiger Backwaren konnte nachgewiesen werden. Somit ist Ultraschall in der Bäckerei vielseitig einsetzbar. Ob sich Knetkessel mit integrierten Ultraschallsonotroden durchsetzen werden, wird die Zukunft zeigen, doch vielleicht wagt ja die ein oder andere Bäckerei diesen Schritt für ein Stück mehr Perfektion bei der Brotherstellung.
Die Autoren
Aliena Altmann* (Wissenschaftliche Mitarbeiterin),
Prof. Dr. Antonio Delgado* (Lehrstuhlleitung) und
Prof. Dr. Bernhard Gatternig (Projektleitung, Hochschule
Weihenstephan-Triesdorf).
Kontaktadresse: aliena.altmann@fau.de
* Lehrstuhl für Strömungsmechanik,
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, FAU