Scroll Top

b+b-2024-02-Immer wieder neu (denken)

f2m-bub-24-02-Traditionelle-Gebaecke-TradGebaecke-Aufmacher-web-

Von Helga Baumfalk

„Traditionell“ ist laut Mintel* und Backzutatenverband** ein Thema im Markt. Ist das wirklich so? Gibt es einen Trend zu traditionellen Gebäcken? Und falls ja, wie wird er umgesetzt? Wir haben bei Landesinnungsmeistern in Deutschland nachgefragt. Hier die Antworten, geordnet von Nord nach Süd.

Danach haben wir gefragt:

1) Wie ist Ihre Einschätzung, gibt es den Trend zu traditionellen Gebäcken wirklich?
2) Falls ja, wie wird er umgesetzt?
3) Von welchen Bäckereien wird er umgesetzt?                                                                           4) Von welchen Käuferschichten werden die Gebäcke nachgefragt?
5) Bitte nennen Sie uns ein Rezept eines „Hidden Champions“.

Typisch für unsere Region: Lauenburger Landbrot

Meiner Meinung nach gibt es tatsächlich einen Trend zu traditionellen Gebäcken. Die Bäckereien achten dabei auf eine herkömmliche, traditionelle Herstellung. Andererseits werden die Rezepturen teils modernisiert durch Sauerteiganlagen umgesetzt. Kleine genauso wie größere Betriebe reagieren auf die Nachfrage, die aus meiner Sicht von allen Käufergruppen ausgeht. Die kleineren Betriebe haben sicherlich den Vorteil, dass sie flexibler agieren und den einen oder anderen Kundenwunsch schneller umsetzen können. Ein für unsere Region typisches Brot ist das Lauenburger Landbrot. Die Rezeptur entstand auf Anregung von Innungsobermeister Ludwig Flohr vor über 50 Jahren aus der Recherche alter Urkunden und Überlieferungen. Es ist ein Roggenmischbrot mit Buttermilchzusatz, starker Kruste und sehr elastischer Krume, das von fast allen Innungsbäckereien im Kreis Herzogtum Lauenburg gebacken wird.
Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord, Obermeister Dirk Baumgarten, Inhaber Bäckerei und Konditorei Baumgarten GmbH & Co. KG,
Aumühle, Schleswig-Holstein

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Lauenburger Landbrot
f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Foto_Dirk Baumgarten
„Kleinere Betriebe haben den Vorteil, dass sie flexibler agieren und den einen oder anderen Kundenwunsch schneller umsetzen können.“
Traditionell ja, aber anders

Klassiker wie Butterkuchen, Hefekuchen mit Streuseln oder der gedeckte Apfelkuchen sind für uns total wichtige Produkte im Sortiment, die ein Stück weit eine Renaissance erleben. Wenn den Verbrauchern ein Produkt bekannt ist, fällt ihnen der Impulskauf leichter. Nach dem Motto „Daran kann ich mich erinnern, das hat mir früher schon gut geschmeckt“. Dabei ist es egal, ob man 15 oder 55 Jahre alt ist. Die Nachfrage ist generationenübergreifend.
Trotzdem braucht es neben Dauerbrennern einen Wechsel und eine Lebendigkeit im Sortiment. Wir müssen immer wieder sowohl optisch als auch geschmacklich neue Anreize setzen.
Wobei man durchaus innovativ sein kann, wenn man traditionelle Gebäcke anbietet. Die Zimtschnecke ist ein schönes Beispiel dafür. Zimtschnecken sind gerade insgesamt ein wichtiges Thema. Es geht nicht um das klassische Franzbrötchen aus klassischem Plunderteig, sondern um Gebäcke, die im Blech aneinander gebacken werden, und deshalb eine große Softigkeit mitbringen. Das kommt zurzeit bei den Verbrauchern gut an. Die Rezepturen müssen schließlich nicht zu 100 % die alten bleiben. Auch bei unserem Butterkuchen hat sich einiges verändert. Wir verfeinern heute mit Sahne und backen sehr kurz, um eine Fluffigkeit zu erreichen. Der Butterkuchen, den wir aktuell verkaufen, sieht deutlich anders als der von vor 20 Jahren. Das ist, glaube ich, das Gebot der Stunde, die Gebäcke ein Stück weit weiterzuentwickeln. Das macht sie immer wieder attraktiv.
Es ist gut, alte Renner ab und zu wieder ins Programm holen. Wir schlagen heute häufiger in alten Sortimentslisten nach als noch vor fünf Jahren. Unseren Butterkuchen beispielsweise hatten wir lange Zeit nicht im Programm. Mittlerweile ist er im Dauersortiment fest verankert und liefert gute Verkaufszahlen. Sicherlich liegt es ein Stück weit auch daran, dass wir ihn im Frischempfinden an die aktuellen Verbraucheranforderungen angepasst haben.
Jürgen Hinkelmann, Landesinnungsmeister,
Bäckerinnungsverband West, Geschäftsführer
Bäckermeister Grobe GmbH & Co. KG,
Dortmund/Nordrhein-Westfalen

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Butterkuchen
f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Jürgen Hinkelmann
„Es ist gut, alte Renner ab und zu wieder ins Programm holen. Wir schlagen heute häufiger in alten Sortimentslisten nach als noch vor fünf Jahren.“
Bobbes sind unsere Hidden Champions

Traditionelle Gebäcke sind zumindest aus unserer Sicht kein neuer Trend. Wir setzen seit langem auf ursprüngliche Backwaren, die generationenübergreifend gekauft werden. Besonders Dauergebäcke wie Nussecken, Nussschiffchen oder Bobbes* werden bei uns stark nachgefragt, also Gebäcke, die man früher in nahezu jeder Bäckerei vorfand, die heute aber seltener angeboten werden. Bobbes sind unsere Hidden Champions. Wir haben Kunden, die kommen extra aus den Nachbarstädten zu uns, nur um sie zu kaufen. Wobei wir uns den Marktanforderungen anpassen und einen Teil unserer Bobbes mit Walnüssen füllen. Viele mögen heutzutage keine Rosinen.
Ein anderes Beispiel für ein traditionelles Gebäck aus unserer Region, dem Bergischen Land, das gut nachgefragt wird, ist der Roggenstuten. Er wird ohne Fett mit Weizen- und Roggenmehl (50:50) gebacken. Die Süße kommt ausschließlich über die Rosinen. Echte „Bergische“ essen den Roggenstuten mit grober Leberwurst. Wiederum halten die Rosinen manche vom Kauf ab. Alternativ bieten wir unser Nullbrot an, ein Kastenbrot mit 50:50 Weizen- und Roggenmehlanteil. Nullbrot leitet sich vom Namen einer Roggen-Weizen-Mischung einer ehemaligen Wuppertaler Mühle ab, die ihre Mehlmischung früher als Doppelnull bezeichnet hatte. Mein Vater erzählte mir davon. Wir backen viele Brotsorten noch nach den Rezepten meines Vaters oder sogar Großvaters. Unsere Familie backt seit 1798 Brot. Es ist schön, dass die Kunden traditionelle Produkte nachfragen. Damit geht auch das Wissen über deren Herstellung nicht verloren.
Jörg von Polheim, Landesinnungsmeister,
Bäckerinnungsverband West, Inhaber der Bäckerei von Polheim, Hückeswagen,
Bergisches Land/Nordrhein-Westfalen

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Bobbes

Bobbes sind ein gerolltes Mürbteiggebäck mit Streuseln und einer Füllung aus Rosinen und Marzipan-Masse.

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Jörg von Polheim
„Es ist schön, dass die Kunden traditionelle Produkte nachfragen. Damit geht auch das Wissen über deren Herstellung nicht verloren.“
Mit der Zimtschnecke ziehen wir die Generation Z an

Auch wenn wir in Thüringen eine lange Blechkuchen-Tradition haben, meiner Ansicht nach tendiert der Markt weniger zu den traditionellen Gebäcken, vielmehr in Richtung der Gebäckteilchen als Snack on the go, wie die Zimtschnecke. Auch spezielle Croissants wie Flat-Croissants und Macarons werden zurzeit geliebt. Die Größe einer Bäckerei spielt keine Rolle, ob man bei den Verbrauchern ankommt. Kleine Betriebe können sehr innovativ sein, einen tollen Standort haben und es boomt.
Bei uns ziehen wir speziell mit der Zimtschnecke vor allem die Generation Z an. Mittlerweile wird sie aber von jeder Generation geliebt. Die Zimtschnecke wird ja auch auf den Social-Media-Kanälen stark bespielt. Das hilft, um die Nachfrage anzukurbeln.
Landesinnungsverband für das Thüringer Bäckerhandwerk, Landesinnungsmeisterin Celestina Brandt, Geschäftsführerin Buttstädter Vollkornbäckerei GmbH, Buttstädt/Thüringen

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Zimtschnecke_celestina_brandt
f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Celestina Brandt
„Meiner Ansicht nach tendiert der Markt weniger zu traditionellen Gebäcken, vielmehr in Richtung der Gebäckteilchen als Snack on the go, wie die Zimtschnecke.“
Der Geschmack von früher oder neu entdeckt

Es ist wie bei so vielem heute: Es gibt nicht mehr nur den einen Trend. Dennoch sehe ich, dass bei traditionellen Gebäcken die Nachfrage spätestens seit Corona steigt. Ob er traditionell oder modernisiert umgesetzt wird, ist von Fall zu Fall verschieden. Soweit es geht, ist auch die Umsetzung traditionell. Bei manchen Gebäcken kommen wir um eine Modernisierung aber nicht umhin. Schmalz oder Talg im Stollen verprellt auch viele, die auf der Suche nach Tradition sind.
Alle Handwerksbäckereien verspüren diesen Trend. Dabei sind kleinere Betriebe eher noch flexibler.
Die gesamte Bandbreite an Kunden fragt traditionelle Gebäcke nach. Ältere KäuferInnen suchen oft nach einem Geschmack aus der Kindheit oder von „früher“. Jüngere KundInnen empfinden traditionelle Gebäcke oft als „neu“ oder eine Art Entdeckungsreise in die Geschichte der Eltern oder Großeltern, wenn sie Backwaren aus Erzählungen kennen.
Ein typisches traditionelles Gebäck aus unserer Region sind die Bethmännchen, eine Frankfurter Spezialität aus Marzipan, Puderzucker, Rosenwasser und halben Mandeln.
Bäckerinnungsverband Südwest, Landesinnungsmeister Andreas Schmitt, zuständig für das Gebiet Hessen, Geschäftsführer Cafe Ernst GmbH & Co.KG,
Neu-Isenburg/Hessen

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Gebäck
Die Geschichte der Frankfurter Bethmännchen

Ende des 18. Jahrhundert kam der Pariser Konditor Jean Jacques Gautenier von der Seine an den Main. In Frankfurt wurde er von dem angesehenen Bankier Simon Moritz von Bethmann als Küchenchef engagiert. Zu Ehren der Familie formte er im Jahre 1838 aus der schweren, süßen Gebäckmasse für die Brenten, die schon damals als eine Frankfurter Spezialität galten, kleine Kugeln. Um der Familie eine Freude zu bereiten, schmückte er die Süßigkeiten mit jeweils vier Mandeln – für jeden der vier Söhne Moritz, Karl, Alexander und Heinrich eine. Als Heinrich 1845 mit 24 Jahren starb, wurden die „Bethmännchen“ nur noch mit drei Mandeln verziert.

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Andreas Schmitt
„Jüngere KundInnen empfinden traditionelle Gebäcke oft als ‚neu‘ oder eine Art Entdeckungsreise in die Geschichte der Eltern oder Großeltern.“
Ursprünglich für Bergmannsleute – der „Doppelweck“

Ja, auf jeden Fall gibt es den Trend. Die Herstellung der Gebäcke erfolgt traditionell, und zwar durch Handarbeit und mit traditionellen Rezepturen, die über Generationen weitergegeben werden. Insbesondere Handwerksbäckereien setzen dies um. Gekauft werden die Produkte von allen Käufergruppen. Im Saarland ist der „Doppelweck“ eine Tradition und nicht mehr wegzudenken. Er entstand ursprünglich für die Bergmannsleute. Nach ihrer schweren und anstrengenden Arbeit im Bergwerk gingen die Bergmannsleute in die „Kaffeeküche“, welche jedes Bergwerk hatte, um ihr Bergmannsfrühstück einzunehmen. Aufgrund der schweren Arbeit reichte ein Brötchen aber nicht aus. Deshalb setzten die Bäcker damals 2 Stücke des Weckteiges aneinander. So entstand der „Doppelweck“. Ein solches Bergmannsfrühstück bestand aus: 0,5 l Bier, Lyoner-Wurst und dem Doppelweck.
Bäckerinnungsverband Saarland, Landesinnungsmeister Hans-Jörg Kleinbauer, Inhaber
Kleinbauer‘s Backstube,
Saarbrücken-Scheidt/Saarland

Rezept „Doppelweck“:

1 kg Weizenmehl Typ 550
25 g Salz
25 g Hefe
30 g Brötchenbackmittel
0,550 l Wasser
Den Teig in 30 Teile teilen und rund formen. Dann jeweils 2 Teile aneinandersetzen. So erhält man 15 Doppelweck.

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Doppelweck
f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-LM_saarland
„Im Saarland ist der ‚Doppelweck‘ eine Tradition und nicht mehr wegzudenken. Er entstand ursprünglich für die Bergmannsleute.“
Traditionelle Rezepte, zeitgemäße Aufarbeitung

Dass es direkt ein Trend ist, würde ich eher nicht sagen, dennoch ist die Nachfrage nach Gebäcken, wie es sie früher gab, in der vergangenen Zeit gestiegen. Hierbei werden traditionelle Rezepturen mit zeitgemäßen Aufarbeitungsmethoden kombiniert. Die Nachfrage geht vor allem von den älteren Käufergruppen aus, andererseits probieren auch jüngere Kunden gern mal traditionelle Gebäcke aus. Ein Beispiel für ein traditionelles schwäbisches Gebäck ist der Flachswickel. (Rezeptur: 2.400 g Mehl, 350 g Eier, 700 ml Milch, 1.000 g Butter, 100 g Hefe, 10 g Salz, 350 g Zucker, abgeriebene Schale 1 Zitrone)
Bäckerinnungsverband Südwest, Vorsitzender Landesinnungsmeister Martin Reinhardt, zuständig für das Gebiet Baden-Württemberg, Inhaber der Bäckerei Reinhardt, Knittlingen/Baden-Württemberg

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-süßes Gebäck
f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke- Reinhardt
„Dass es direkt ein Trend ist, würde ich eher nicht sagen, dennoch ist die Nachfrage nach Gebäcken, wie es sie früher gab, in der vergangenen Zeit gestiegen.“
Entscheidend ist, dass die DNA erhalten bleibt

Natürlich gibt es diesen Trend. Gerade in Bayern sind traditionelle Gebäcke je nach Region auch sehr stark verbreitet. Zunächst müsste man aber festlegen, was denn ein traditionelles Gebäck ist. Die „Pfennigmuckerl“ sind z. B. ein solches Gebäck. Ein Mischbrotteig, aus dem kleinere runde Teigstücke aneinandergesetzt und gebacken werden. Vor langer Zeit haben die Gebäcke tatsächlich 1 Pfennig gekostet. Daher der Name. Ein anderes Beispiel sind die „Schuxen“, ein Siedegebäck aus einem Mischbrotteig, das man gerne als Beilage zu Gulasch oder Blut- und Leberwurst isst. Der Name leitet sich von seiner Form ab. Das ovale Gebäckstück erinnert an einen Schuh. Idealerweise sollte es nach dem Backen hohl sein. Es gibt allerdings nur wenige Betriebe, die diese traditionellen Gebäcke ganzjährig anbieten.
Ein traditionelles Gebäck sollte man traditionell herstellen. Dennoch ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn man sich ein bisschen anpasst. Entscheidend ist, dass die DNA erhalten bleibt und man anhand der Form, des Aussehens und des Geschmacks keine allzu großen Abweichungen/Veränderungen vornimmt. Im ländlicheren Raum in Bayern sind die traditionellen Gebäcke deutlich stärker im Angebot vertreten als in der Großstadt. Außerdem haben die kleineren Bäckereien hier die Nase vorn.
Welche Käufergruppen die Produkte nachfragen, kann ich pauschal nicht beantworten. Gerade in der Großstadt werden die Gebäcke, insbesondere dann, wenn sie nicht zum Standardsortiment gehören, oftmals nicht gekannt. Das ist auf dem Land anders. Aber, wenn das Gebäck anspricht und schmeckt, dann erfreut sich Jung und Alt daran.
Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk, Landesinnungsmeister Heinrich Traublinger, Geschäftsführer Bäckerei Traublinger GmbH, Heimstetten/Bayern

f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Pfenningmuckerl
f2m-bub-24-02-Traditionelle Gebäcke-Traublinger
„Ein traditionelles Gebäck sollte man idealerweise traditionell herstellen. Dennoch ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn man sich ein bisschen anpasst. Entscheidend ist, dass die DNA
erhalten bleibt.“