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b+b-2020-04-„Nachhaltigkeit hat einen hohen Stellenwert“

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Anfang 2020 wurde mit der Übernahme durch einen Investor aus der Verpackungssparte von Bosch ein eigenständig agierendes Unternehmen. Syntegon Technology legt den Fokus, wie Clemens Berger, Geschäftsführer Food, berichtet, auf intelligente, nachhaltige Technologien.

b+b: Herr Berger, wie haben Ihre Kunden auf die Neuausrichtung reagiert?
Berger: Sehr entspannt. Viele unserer Kunden kennen Wechsel in der Eigentümerstruktur aus ihrer eigenen Firmenhistorie. Für uns bietet unser neuer Gesellschafter und unsere Unabhängigkeit viele Chancen. Mit CVC Capital Partners haben wir einen Investor, der unsere Firma noch stärker machen will. Das ist auch für unsere Kunden sehr überzeugend – und das Wichtigste: Wir bauen weiterhin hervorragende Anlagen und Maschinen für die Lebensmittelindustrie.

b+b: Sie bezeichnen sich mit 6.100 Mitarbeitern, über 30 Standorten und einem Umsatz von rund 1,3 Mrd. EUR als Marktführer der Prozess- und Verpackungsbranche. Welchen Stellenwert haben für Sie die Hersteller von Backwaren und Keksen?
Berger: Maschinen zur Verarbeitung und Verpackung von Keksen, Back- und Süßwaren sind ein wichtiger Bestandteil unseres Geschäfts. Wir sind hier mit einem umfangreichen Portfolio sehr gut aufgestellt: Von der Prozesstechnik bis zur Sekundärverpackung bieten wir Einzelmaschinen, Sonderanfertigungen, ganze Systeme und Dienstleistungen. Unser Kompetenzzentrum für horizontale Verpackung sitzt in Beringen in der Schweiz. Lösungen für Prozesstechnik werden in Viersen produziert.
In den Bereichen Kekse, Back- und Süßwaren sehen wir Wachstumspotenzial im zweistelligen Prozentbereich in den nächsten fünf Jahren. Dies hängt zum einen mit der verstärkten Industrialisierung des Bäckereimarktes zusammen. Zum anderen wächst die Zahl regionaler Produkte, und die Kundenerwartung an qualitativ-hochwertige Verpackungen. Besondere Wachstumschancen sehen wir in Asien, wo neue Produzenten, vor allem aus den Bereichen Kekse und Riegel, in den Markt eintreten.

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b+b: Welche Trends sehen Sie im Lebensmittelmarkt?
Berger: Die Produktvielfalt nimmt zu, Verpackungen werden kleiner und vielseitiger. Nahrungsmittelhersteller möchten sich verstärkt von anderen Marktteilnehmern unterscheiden. Dafür sind schnelle Produkteinführungen wichtig. Wir bieten darauf die richtige Antwort: flexible und modulare Maschinen für eine Vielfalt an Produkten und Packstilen.
Ein weiterer Trend zeigt sich in der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Verpackungen. Dabei stehen oftmals alternative Materialien im Fokus. Syntegon Technology setzt vor allem auf Papier und Monomaterial.
Unsere Kunden sind dem Fachkräftemangel ausgesetzt. Für sie ist es wichtig, ihr Personal im Bereich Produktion zum Beispiel für Formatwechsel und Wartungen möglichst einfach und effektiv zu schulen. Wir ermöglichen dies durch digitale Lösungen, wie unseren Maintenance und Operations Assistant. Anwender können geschult werden und Wartungen besser planen. Stillstandzeiten können so um etwa ein Drittel reduziert werden. Zudem sind unsere Maschinen einfach und intuitiv zu bedienen.

b+b: Wie entwickelt sich die Nachfrage nach Pick-and-Place-Robotern?
Berger: Heute werden im Lebensmittelbereich weltweit etwa 5.000 Pick-and-Place-Roboter pro Jahr verkauft. Laut einer Studie der International Federation of Robotics wird sich der Marktbedarf bis 2025 verdreifachen. Treiber sind die zunehmende Produktvarianz bei kleineren Chargen und zunehmender Kostendruck. Pick-and-Place-Roboter helfen dabei, vielfältige Produkte effizient zu selektieren und zu portionieren. Syntegon Technology bietet flexibel einsetzbare Robotor an. Unsere Entwicklungsaktivitäten in diesem Bereich werden wir ausbauen.

b+b: Welche Anforderungen müssen horizontale bzw. vertikale Verpackungsmaschinen heute erfüllen?
Berger: Konsumenten und Einzelhandel verlangen zunehmend nach regionalen, saisonalen und spezialisierten Produkten wie z. B. bio, vegan oder glutenfrei. Produkte werden im Hinblick auf Form und Konsistenz heterogener, was den Bedarf an horizontalen Verpackungsmaschinen mit intelligenten und flexiblen Zufuhr- bzw. Handhabungssystemen erhöht. Ein weiterer Trend ist der steigende Online-Handel, insbesondere in Asien. Diese Entwicklungen führen zu kleineren Stückzahlen innerhalb einzelner Aufträge.
Die richtige Reaktion auf diese Trends ist Maschinenflexibilität. Die Maschinen von Syntegon sind auf die Verarbeitung verschiedenster Packmittel ausgelegt. So können wir jederzeit auf veränderte Kundenwünsche im Hinblick auf Material, Produktformat, Geschwindigkeit und Volumen reagieren. Unsere modular aufgebauten Systeme ermöglichen schnelle Lieferzeiten und umgehende Inbetriebnahmen ohne lange Testphasen. Ein weiterer Hebel ist Automatisierung. Mit digitaler Fehlerfrüherkennung und Robotikansätzen können Maschinen beim Formatwechsel noch selbstständiger agieren.

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Gemeinsam mit BillerudKorsnäs entwickelte Syntegon Technology ein neues Verpackungskonzept namens Shaped Paper Pod (Papier-Strukturschalen)

b+b: Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit beim Verpacken von Backwaren?
Berger: Die Entwicklung nachhaltiger Verpackungslösungen hat für uns einen hohen Stellenwert. Das gilt ohne Einschränkung auch für Backwaren und wird durch die Nachfrage unserer Kunden bekräftigt.
Bei Primärverpackungen verfolgen wir zwei wichtige Entwicklungsansätze: zum einen die Verwendung von Monomaterialien im Vergleich zu herkömmlichen Folien und zum anderen Papierverpackungen als Alternative zu Kunststoff. Bei Sekundärverpackungen, meist ohnehin aus Karton, geht es vor allem darum, deren Eignung mit Hinblick auf Robustheit oder Variabilität für E-Commerce-Anwendungen zu optimieren. Durch den Verzicht auf Klebstoff entlasten wir zudem Recyclingströme.
Für Nahrungsmittelverpackungen arbeiten wir daran, Siegelnähte so schmal wie möglich zu machen. Wir zeigen Wege auf, wie sich Material sparen lässt, wenn man Verpackungen statt mit Kalt- oder Heißsiegelung mit Ultraschall siegelt. Zudem unterstützen wir Kunden bei der Verwendung von extrem dünnen Folien.
Nachhaltigkeit verstehen wir aber nicht nur in Bezug auf umweltfreundliche Materialien, sondern auch im Hinblick auf den Produktschutz. Das übergeordnete Ziel ist eine Verpackungslösung zu realisieren, die Kekse und Backwaren bruchsicher verpackt und eine optimale Haltbarkeit ermöglicht. Denn bei der Herstellung des Produktes wird wesentlich mehr CO2 verbraucht als bei der Verpackung. Somit hat auch das Thema Vermeidung von Nahrungsmittelverlust bzw. Lebensmittelverschwendung eine sehr hohe Priorität für uns.

b+b: Was sind die besten Alternativen zu Mehrlagenfolien bei Keksen und Crackern?
Berger: Hierzu zwei Beispiele. Erstens: Mit dem neuen „paper-ON-form“ Nachrüstset von Syntegon Technology für horizontale Schlauchbeutelmaschinen lassen sich kaltsiegelfähige Barriere-Papiere verarbeiten. Das Set besteht aus einer patentierten Schlauchbeutelformung und auf das Packmittel Papier angepassten Siegelwerkzeugen für Kaltsiegelapplikationen. Es kommt bereits auf bestehenden Anlagen internationaler Hersteller für die Verpackung von Schokoladentafeln in Papier zum Einsatz. Dies lässt sich auch für Kekse und Cracker übernehmen.
Zweitens: Unsere Amplified Heat Sealing (AHS)-Technologie mit Linearantrieb ermöglicht es, den Wärmeeintrag in den Packstoff zu erhöhen. Dies wird möglich durch die Überlagerung der Rotationsbewegung der Siegelwerkzeuge und der Linearbewegung der Quersiegelstation. Da Monomaterialien oft aus einer temperaturempfindlicheren Trägerschicht bestehen als Verbundstofffolien, kann es leicht zu fehlerhaften Siegelnähten kommen. Durch den sensitiven Wärmeeintrag der AHS-Technologie lassen sich Monomaterialien besser verarbeiten und für Produkte wie Kekse und Cracker verwenden.

b+b: Können Sie auf das Konzept zur Portionspackung Pearl eingehen?
Berger: Gemeinsam mit unserem schwedischen Kooperationspartner BillerudKorsnäs haben wir ein neues Verpackungskonzept namens Shaped Paper Pod entwickelt, das kreative und nachhaltige Verpackungslösungen aus Papier ermöglicht. Dabei wird das 3D-formbare Papier FibreForm® von BillerudKorsnäs auf einer neu entwickelten Papierformmaschine von Syntegon Technology eingesetzt. In der Portionsverpackung Pearl kommt dieses Konzept sowohl für stückige als auch viskose Produkte zum Einsatz. Aufgrund der speziellen Ausformung bietet Pearl sowohl einen mechanischen Schutz für bruchempfindliche Produkte als auch Barrierelösungen. Damit eignet sich Pearl selbstverständlich auch für Kekse und Cracker, die somit nachhaltiger verpackt werden können. Durch die Möglichkeit der Portionsverpackung bleibt das Produkt länger frisch und man vermeidet Nahrungsmittelverschwendung.

b+b: Herr Berger, vielen Dank für unser Gespräch.